Das zweite Kind kommt nicht

Bei etwa 20 bis 25 Prozent aller Paare bleibt der Kinderwunsch unerfüllt. Auch Andrea gehört zu den Frauen, die für ein Baby belastende Behandlungen in Kauf nimmt. Doch ihre tiefe Sehnsucht verstehen viele nicht, denn Andrea ist bereits Mutter…

Andrea und Jörg sind ein Paar wie viele. Kleines Reihenhaus in einer kleinen Stadt, davor steht ein Bobbycar und Kombi. „Ich bin ja auch zufrieden“, sagt die 32jährige Mutter. „Aber eben nicht glücklich.“ Alles war wie im Bilderbuch: Hochzeit, das kleine  Haus – nur das Wunschkind ließ auf sich warten. „Im ersten Jahr ohne Verhütung war ich noch ganz entspannt, im zweiten fing ich schon am Ende von jedem Zyklus an zu bibbern“, sagt Andrea.

Der Frauenarzt hatte dazu geraten, dass Jörg ein Spermiogramm machen sollte, denn bei Andrea sah alles gut aus. „Aber zwei Wochen vor Jörgs Termin hatte ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Wir haben uns so gefreut.“ Heute ist Katharina eine quirlige Dreijährige.

Das zweite Kind - warten auf ein Geschwisterchen (© Thinkstock)
Das zweite Kind – warten auf ein Geschwisterchen (© Thinkstock)

Andrea und Jörg wollten nicht, dass Katharina ein Einzelkind bleibt. „Ich habe zwei Schwestern und finde es einfach für Kinder das Schönste, immer jemanden zum Spielen und zum Teilen zu haben. Wenn uns mal etwas passieren sollte, dann würde Katharina nie allein sein“, erklärt Andrea. Nach der Geburt verhüteten sie nicht. Als Katharina ein Jahr alt ist, lässt sich Jörg untersuchen. Mit niederschmetterndem Ergebnis. Er hat zu wenig Samenzellen. „Das war ein Schock. Eine spontane Schwangerschaft wäre ein Lotterietreffer, sagte der Fachmann.“

„Ich habe immer das Gefühl, dass jemand fehlt“

Der Arzt überweist zu einer Kinderwunschpraxis. „Wir kamen uns schon irgendwie komisch vor, da waren all diese Paare im Wartezimmer, die sich sehnlichst ein Kind wünschten und wir hatten ja immerhin ein Baby dabei“, sagt Andrea. Drei Inseminationen versuchte das Paar, alle erfolglos. „Eine Leere blieb nach jeder Behandlung. Ich musste die Babysachen wegräumen, aus denen Katharina rausgewachsen war. Das Kinderbettchen wird für sie langsam zu klein. Ihr Geschwisterchen soll es eigentlich haben.“

Nach den vergeblichen Versuchen folgte eine Pause. „Um mich herum sah ich nur noch schwangere Bäuche. Und glückliche Familien zu viert. Im Auto, am Tisch, ich habe immer das Gefühl, dass da jemand fehlt.“

Andreas Wunsch nach einem zweiten Kind wird jeden Monat verzweifelter. „Alle meine Gedanken kreisten darum und endlich überredete ich Jörg zu einer IVF.“ Wieder musste Andrea Hormonspritzen nehmen, schließlich werden ihr acht Eizellen entnommen.

In der Woche darauf die große Enttäuschung: Nur eine Eizelle hatte sich befruchten lassen. Geplant war es, bei dem Embryotransfer zwei Eizellen einsetzen zu lassen. Nach dem Einsetzen begann die Zitterpartie. „Schon drei Tage später war klar, dass es nicht geklappt hat.“ Andrea ist unendlich traurig. „Einen letzten Versuch wollen wir noch einmal wagen, aber ich merke, dass ich loslassen muss. Denn der Kinderwunsch steht viel zu sehr im Mittelpunkt. Aber noch immer spüre ich diese Lücke und mein Mann auch. Das wird immer schwer bleiben“, sagt Andrea traurig.

Gründe für das Ausbleiben eines zweiten Kindes kann es viele geben

Wenn bei einem Elternpaar eine zweite Schwangerschaft länger als ein Jahr auf sich warten lässt, spricht man von sekundärer Unfruchtbarkeit. Zahlen darüber, wie viele Paare hiervon betroffen sind, gibt es nicht.
Die Ursachen für diese sekundäre Infertilität können die gleichen medizinischen Gründe sein wie bei anderen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch. „Auch hier sind hormonelle Störungen, eingeschränkte Spermienqualität und Erkrankungen der Geschlechtsorgane die häufigsten Ursachen für das Ausbleiben einer weiteren Schwangerschaft“, erklärt Dr. Elmar Breitbach Frauenarzt und Reproduktionsmediziner. „Daher sollte man auch in diesen Fällen eine sorgfältige Abklärung der möglichen Ursachen durchführen und nicht einfach davon ausgehen, dass es irgendwann schon einmal klappen wird, nur weil bereits ein Kind geboren wurde.“

Gründe für das Ausbleiben des zweiten Kindes gibt es viele. Oft spielt das Alter eine wichtige Rolle, denn ab dem 30. Lebensjahr sinkt die Fruchtbarkeit. Nach dem ersten Kind können auch Erkrankungen aufgetreten sein, die eine Schwangerschaft erschweren.

Auch ein unerfüllter zweiter Kinderwunsch ist belastend

Für viele Paare ist es besonders belastend, dass ihr zweiter Kinderwunsch oft belächelt wird. Kommentare wie „Hat ja schon mal geklappt“, „Lieber ein Kind, als kein Kind“,  können sehr weh tun. „Auch für Paare, die bereits ein Kind haben, erweist sich das Warten auf eine Schwangerschaft als stark belastend“, weiß Dr. Elmar Breitbach aus langjähriger Praxis.

Der Experte rät Betroffenen auf jeden Fall beim Ausbleiben einer erwünschten Schwangerschaft mögliche Ursachen abzuklären. Spezialisierte Kinderwunschkliniken oder -praxen haben umfangreiche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung. Umso früher eine Behandlung anfangen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kinderwunsch noch erfüllt werden kann.