Jedes Kind ein Zahn?

Der Preis für ein Baby ist Zahnverlust. Das Gerücht hält sich hartnäckig. Tatsächlich ist es gerade in der Schwangerschaft wichtig auf die Mundhygiene zu achten, denn vor allem das Zahnfleisch ist anfälliger. Zahnärztin Dr. Julia Mannherz, selbst dreifache Mutter, klärt die wichtigsten Fragen rund um Zähne und Schwangerschaft.
Zu Beginn der Schwangerschaft werden viele Weisheiten verkündet. Die Haare sollen schöner werden, die Form des Bauches informiert über das Geschlecht. Und die Zähne. Ja. Dann kommt meist eine wichtige Pause. Also, ja mit den Zähnen ist das so eine Sache. „Jedes Kind ein Zahn“ – da sei schon etwas dran. Wie sollen Schwangere denn darauf reagieren?
 
Viel schlimmer ist natürlich, dass viele Frauen ja ohnehin nicht sonderlich gerne zum Zahnarzt gehen. Wenn dann auch noch gedroht wird, steigert das die Befürchtungen. Die Zahnärztin Dr. Julia Mannherz kennt die Befürchtungen, sie hat in ihrer Praxis schon viele Angstpatienten erlebt. Und auch viele Schwangere. Zunächst einmal kann sie ängstliche Frauen ein wenig beruhigen: „Schon lange gilt es nicht mehr, dass jede Schwangerschaft Zahnverlust bedeuten muss. Allerdings stimmt es schon, dass in dieser Zeit mehr auf die Mundhygiene geachtet werden muss, da dass Zahnfleisch durch die Hormonumstellung stärker durchblutet wird.“
 
Gemeinsam mit Dr. Julia Mannherz möchten wir hier die wichtigsten Fragen zum Thema „Schwangere und Zähne“ besprechen. Denn während es selbstverständlich ist, dass sich mit werdende Mütter mit speziellen Übungen auf die Geburt vorbereiten und sich viele Gedanken darüber machen, welche Nahrungsmittel für sie jetzt gesund sind, denken nicht alle an gesunde Zähne und eine gesunde Mundhygiene.
 
Gute Pflege ist jetzt wichtig
 
In der Schwangerschaft ist es ganz besonders wichtig, die Zähne und das Zahnfleisch gut zu pflegen. Falls Sie es vorher noch nicht getan haben, sollten Sie in der Schwangerschaft mit der Zahnraumzwischenpflege beginnen. Dafür stehen verschiedene Mittel zur Wahl: es gibt Zahnseide, Holzstäbchen, Interdentalbürstchen, passende Gels und Mundspülungen zur Bekämpfung von Bakterien und vieles mehr.
 
Diese Interdentalpflege beugt Zahnfleischentzündungen sehr wirksam vor und nimmt nur 1-2 Minuten zusätzlich in Anspruch. Eine abschließende Mundspülung ist unschädlich für Mutter und Kind und tötet Bakterien. „Ich empfehle auf jeden Fall immer eine elektrische Zahnbürste“, erklärt Dr. Mannherz. „Die Zähne werden dadurch gründlicher gereinigt und es wird automatisch weniger Druck ausgeübt. Für Schwangere ist ein weicher Bürstenkopf am besten geeignet.“
 
Spezielle Zahncremes sind nicht nötig, auch kein zusätzliches Fluorid. Schwangere sollten sich allerdings durchaus mindestens eine professionelle Zahnreinigung gönnen. Auch wenn sie keine Probleme mit den Zähnen haben, ist dies eine besonders wichtige Vorsorge. „Eine gesunder Mundhygiene übertragt sich auch auf das Kind, daher ist sollte eine Zahnreinigung für Mutter und Kind so wie ein Geburtsvorbereitungskurs dazu gehören“, sagt die Zahnärztin.
 
Was, wenn die Zähne immer wieder Magensäure spüren?
 
Frauen denen in der Schwangerschaft so übel wird, dass sie spucken müssen, sollten ihrem ersten Impuls, die Zähne gleich putzen zu wollen, nicht nachgeben. Mit dem Zähneputzen sollte lieber eine halbe Stunde gewartet werden. „Die Magensäure kann den Zahnschmelz anfälliger machen“, erklärt Dr. Mannherz „Am besten vorsichtig mit einer gut verdünnten Mundspülung ausspülen, das ist für den Geschmack und die Zähne am besten.“ 
 
Sollte jede Schwangere zu Beginn der Schwangerschaft zum Zahnarzt?
 
„Generell solle man immer regelmäßig zum Zahnarzt gehen und nicht erst dann, wenn Schmerzen vorhanden sind – das gilt nicht nur in der Schwangerschaft“, so die Zahnärztin. Frauen mit Kinderwunsch sollten daher schon vor einer Schwangerschaft alle anfälligen Zahnbehandlungen erledigen.
 
Wenn eine Schwangere jedoch ihr ‚Bonusheft’ nicht pflegt und selten den Zahnarzt aufsucht, ist ein Besuch zu Beginn der Schwangerschaft angeraten, um gemeinsam mit dem Zahnarzt den Zahnstatus zu besprechen. Denn gerade in der Schwangerschaft ist es noch wichtiger als sonst, zur Zahnprophylaxe zu gehen. Da sich das Zahnfleisch der Frau durch die hormonellen Umstellungen verändert ist es deutlich anfälliger für Parodontitis.
 
Ursache für so eine Zahnfleischentzündung ist nicht entfernter Zahnbelag, der durch die Schwangerschaftshormone aggressiver wirkt. „Viele Frauen nehmen eine Parodontitis gar nicht wahr und machen sich nicht so viele Gedanken, wenn das Zahnfleisch öfter blutet. Es ist aber eine chronische Entzündung und das kann tatsächlich den mütterlichen Körper sehr belasten“, erklärt Dr. Julia Mannherz. Studien belegen, dass Zahnfleischentzündungen bei Müttern zu einem Streuherd von Bakterien werden können. Dies kann dann zum Auslösen von frühzeitigen Wehen führen. Nachweislich senkt aber die Behandlung der Entzündung das Risiko.
 
Wann muss behandelt werden?
 
Wenn Zähne oder Zahnfleisch schmerzen, dann müssen auch Schwangere unbedingt zum Zahnarzt. „Frauen, die Angst haben und glauben, dass eine Behandlung dem Kind schaden könnte, sollten sich klar machen, dass ein mütterlicher Dauerschmerz eine viel größere Belastung für das Baby ist“, so die Expertin. „Es ist wichtig, den Schmerz auszuschalten.“
 
Selbstverständlich ist es wichtig, den behandelnden Zahnarzt sofort darüber zu informieren, dass eine Schwangerschaft vorliegt. Entsprechend vorsichtig wird er die Behandlung durchführen. „Bei einer Schwangeren wird nicht geröntgt. Aber Zahnärzte kennen auch genug Alternativen, um die Ursache des Schmerzes zu finden, etwa mit einem Klopftest. Dann sollte soweit behandelt werden, dass der Zahnschmerz verschwindet. Größere Eingriffe sollten allerdings bis nach der Geburt verschoben werden.“
 
Welche Zahnbehandlungen können dringend nötig sein?
 
Eine Pulpitis (Zahnnervenentzündung) oder eine akute Paradontitis (Zahnfleischentzündung) können nicht bis nach der Schwangerschaft verschleppt werden. Tritt so ein „Ernstfall“ auf, muss der Zahnarzt handeln. Zahnnervenentzündungen sind sehr schmerzhaft. Hier stellt die Frage des Wartens gar nicht, denn die Schwangere müsste sonst immer Schmerzmittel nehmen. Das ist keine Alternative. Bei einer Nervenentzündung wird der Wurzelkanal gereinigt und mit einem Medikament versehen.
 
„Auf keinen Fall sollte bei so einer Behandlung ohne Betäubung gearbeitet werden. Das wäre viel zu viel Stress für Mutter und Kind“, erklärt Dr. Mannherz.  Allerdings sollte der behandelnde Arzt ein Betäubungsmittel ohne Adrenalin bevorzugen.
 
Eine Zahnfleischentzündung tut zwar weniger weh als eine entzündete Wurzelspitze, sollte aber wegen des Frühgeburtsrisikos ebenfalls sofort behandelt werden. Oft braucht man für die Beseitigung der Paradontitis keine Betäubung, aber schon starke Nerven, weil das entzündete Zahnfleisch reichlich blutet.
 
Tabu in der Schwangerschaft
 
Einige Medikamente  und Röntgen sind für Schwangere verboten. Denn Röntgenstrahlen könnten das Kind im Bauch schädigen, selbst wenn „nur“ der Kiefer geröntgt wird. Der Zahnarzt fragt nicht ohne Grund vor jeder Röntgenaufnahme nach einer möglichen Schwangerschaft! Könnte eine Schwangerschaft vorliegen, auf jeden Fall das Praxisteam darauf hinweisen und eventuell tatsächlich noch warten, bis ein Schwangerschaftstest Gewissheit gibt.
 
„Bei Schwangeren sollten nur wirklich notwendige Behandlungen durchführt werden, “ sag Dr. Julia Mannherz. Amalgamfüllungen beispielsweise sollten kurz vor oder während der Schwangerschaft überhaupt nicht ersetzt oder neu gelegt werden. Beim Entfernen des Amalgams können Schwermetalle in den Blutkreislauf gelangen, die sich im Fettgewebe einlageren und das Nervensystem beeinträchtigen. Generell bevorzugt  man heute die gesünderen Keramik- oder Kunststofffüllungen, die auch wesentlich ästhetischer aussehen als das silberfarbene Amalgam.
 
Größere Eingriffe wie das Setzen eines Implantats oder von Kronen sind während der Schwangerschaft nicht zu empfehlen. Zum einen müssen dafür meist starke Spritzen gegeben werden. Zum anderen übersteht kaum eine Frau diese Prozedur ohne Stress, der in Form von Stresshormonen direkt über die Nabelschnur in den Kreislauf des Babys eindringt. Und Stress kann nun einmal Wehen und damit Fehl- oder Frühgeburten auslösen.
 
Welche Medikamente sind erlaubt?
 
Je weniger Medikamente, desto besser – das gilt für die gesamte Schwangerschaft. Sollte es sich aber nicht umgehen lassen, können Ärzte und Zahnärzte bestimmte Antibiotika verordnen. Auch Paracetamol oder Ibuprofen (bei Zahnweh) gelten nach heutigem Erkenntnisstand als akzeptabele Schmerzmittel für Schwangere. Sicherheitshalber sollten Sie aber immer noch einmal nachfragen und die Mittel nur im Notfall genommen werden.
 
Wie werden schwangere Angstpatientinnen behandelt?
 
Wer unter starker Zahnarztangst leidet, wird dies natürlich auch in der Schwangerschaft tun. Wichtig ist hier, die Angst mit dem Zahnarzt zu besprechen – nach dem Motto „Vertrauen aufbauen, um Angst abzubauen“. Es gibt einige bewährte Hilfen, die viele Ärzte auch unterstützend einsetzen können, etwa Bachblüten („Rescue-Tropfen“) oder homöopathische Mittel. „Sehr hilfreich kann hier auch eine Hypnose sein“, so Dr. Julia Mannherz. „Für Schwangere ist es oft sogar leichter, in einen tranceartigen Zustand zu kommen. Wer dies lernt, kann sich damit sogar auch schon sehr gut auf die Geburt vorbereiten.“
 

Dr. med. dent. Julia Mannherz (36)
Die dreifache Mutter praktizierte nach dem Studium der Zahnmedizin in Brasilien und England und arbeitet heute gemeinsam mit ihrem Mann in einer eigenen Zahnarztpraxis. Einer ihrer Schwerpunkte ist Hypnose für Angstpatienten. Durch dieses Thema begann sie sich auch mit Hypnobirthing zu beschäftigen- einer Möglichkeit mit Hypnosetechniken eine entspannte Geburt zu erleben. Mehr darüber und über ihre CD können Sie ihrer Seite www.hypno-geburt.de und in diesem Artikel lesen.

 
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