Osnabrück im Oktober 2010: Gitta Klekamp fuhr mit ihrer Tochter Malin (1) im Bus nach Hause. Es war nicht sehr voll im Bus und als die Kleine plötzlich laut „A-a“ sagte, wussten alle Bescheid. Ein Kleinkind hatte in die Windel gemacht. Eigentlich wirklich nichts Besonderes.
Doch der Busfahrer sah dies anders. „Er fragte, wo wir aussteigen würden“, erzählt die Mutter der Osnabrücker Zeitung. Er könne den Gestank mehr im Bus ertragen. Doch die sechs weiteren Haltestellen wollte der Fahrer nicht mehr warten. An der nächsten Haltestelle forderte er Gitta Klekamp auf, sofort mit ihrer Tochter den Bus zu verlassen. „Als ich ihm sagte, wir wollen hier noch nicht raus, meinte er, wir sollten zu Fuß gehen oder den nächsten Bus nehmen“, so Malins Mutter.
Sie konnte erst gar nicht glauben, was passierte. „Wir haben auch einen anderen Fahrgast gefragt, die ganz in unserer Nähe saß. Sie hatte noch gar nichts gerochen.“ Aber der Busfahrer blieb bei seinem Rauswurf. Gitta Klekamp hatte keine Wahl, sie stieg aus und musste einen halbstündigen Fußmarsch in Kauf nehmen.
Gitta ärgerte sich so sehr über den Vorfall, dass sie sich an die Verkehrsbetriebe wandte. Dort entschuldigte man sich. Doch der Fahrer konnte seine Sicht des Vorfalls zunächst schildern, da er gerade im Urlaub war. Klar sei, dass so ein Vorfall auf das Schärfste zu missbilligen wäre. „Wir behalten uns arbeitsrechtliche Schritte gegen den Mitarbeiter vor“, so Christiane Höcker vom Omnisbusunternehmen Hummert, „aber dazu müssen wir den Fall zunächst aufklären und eine schriftliche Stellungnahme des Betroffenen einholen.“ Mittlerweile gibt es die. Der 40jährige Fahrer hat bestätigt, dass er die Mutter und das Kleinkind wegen der riechenden Windel von der Weiterfahrt ausgeschlossen hat. Sein Arbeitgeber sprach eine Abmahnung aus.
Mami Klekamp sprach mit der Presse und nicht nur die Lokalzeitung berichtete. Auch der „die Welt“ war der Vorfall einen Artikel wert. Denn es stellt sich wirklich die Frage, ob es nicht sehr bezeichnend für die zunehmende Kinderfeindlichkeit ist, dass eine Stinkewindel zu einem Rauswurf aus dem Bus führt.
Dazu machte die Welt auch eine Online-Umfrage. Das Ergebnis: Fast 30 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage finden, dass der Busfahrer richtig gehandelt habe. Und auch die Leserkommentare lesen sich entsprechend: „Wir können den Geruch jetzt nicht nachvollziehen…. Im Prinzip handelte der Busfahrer richtig…. Im öffentlichen Leben und Verkehr darf es trotz Kind nicht zu unbotmässigen Belästigungen anderer kommen.“ Ein anderer meint: „Das ist völlig richtig, wie der Busfahrer gehandelt hat. Die Mütter mit Kindern sind sowieso immer am Nerven. Ständig nehmen sie sich wichtig und fordern Rücksichtnahme. Kommt auf dem Bürgersteig jemand mit Kinderwagen entgegen, macht die Mutter oft keine Anstalten des Ausweichens. Daumen hoch für den Busfahrer.“
Der arme Fahrer muss sehr gelitten haben, meinen einige Leser: „Im Zweifel für die Verkehrssicherheit: Wenn dem Fahrer schlecht wird und er dadurch abgelenkt ist und einen Unfall baut, ist ja nun auch keinem geholfen.“ Denn so eine Müffel-Windel sei schrecklich: „Wenn es an ihrem Arbeitsplatz stinken würde, würden sie auch auf Abhilfe drängen, also was sollen die Kommentare?“
Es beruhigt, dass gut 70 Prozent der Befragten solche Ansichten nicht teilen. Eine Leserin: „Es scheint, als gehe in Deutschland ein Gespür für das seit jeher Normale verloren. Wer sich hier so über die stinkende Windeln aufregt, sollte hoffen, dass er freundlicher behandelt wird, wenn er/sie selbst bald (wieder!) welche um hat!“
Wird so etwas Normales wie eine volle Windel wirklich ein Aufreger in unserem Land? Und ist das, was die Leser der „Welt“ schreiben, repräsentativ? Wir wundern uns…
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