Ganz ehrlich, wir Eltern kennen diese Situation nur zu gut: Das Telefon klingelt und die Freundin erklärt begeistert, dass ihr Schwangerschaftstest positiv ausgefallen ist. Bald folgt meist ein Treffen mit der aufgeregten Neu-Schwangeren (die immer wieder schützend eine Hand auf ihren gar nicht sichtbaren Babybauch legt). Die erfahrene Mutter und die Anwärterin auf die Mutterschaft sitzen bei einem Kaffee zusammen. Die Mutter trinkt einen doppelten Espresso, denn die Kinder haben mal wieder dafür gesorgt, dass sie wenig geschlafen hat. Die Mama in spe trinkt koffeinfrei, dass soll ja besser für das Ungeborene sein.
Die Freundin stellt Fragen über Fragen. Und die Mutter? Hier ihre 5 (geschummelten) Antworten:
1. Ein paar Extra-Kilos in der Schwangerschaft machen gar nichts aus. Vor allem wenn man stillt, passt man relativ bald wieder in die Klamotten vor der Geburt.
2. Die Geburt selbst ist gar nicht so schlimm. Das Geniale ist ja, dass der Körper so eine Art biologisches Programm hat, dass sowieso alle Schmerzen schnell vergessen lässt.
3. Stillen kann am Anfang ein wenig schwierig sein, aber Mutter und Kind werden nach kurzer Zeit ein eingespieltes Team.
4. Man gewöhnt sich unglaublich schnell daran, weniger zu schlafen.
5. Sich gemeinsam um ein Neugeborenes zu kümmern schweißt ein Paar zusammen.
Und so lauten die aufrichtigen Antworten, die nie gesagt werden:
1. Sicher passen die Klamotten vor der Geburt schnell wieder – allerdings nur die Umstandsgarderobe. Denn die meisten Frauen bekommen nie wieder einen richtig flachen Bauch, selbst wenn sie täglich ins Fitnesscenter gehen (wozu Mütter selbstverständlich gar keine Zeit haben), eine strikt vegane Diät einhalten oder das Kind bis zum Abitur stillen.
2. Eine Geburt kann ziemlich schlimm sein. Da helfen auch die besten Atemübungen und eine PDA wenig. Übel ist es auch, wenn es nötig ist, nach der Geburt genäht zu werden. Eine Geburt kann ein sehr blutiges Erlebnis sein, das einem erst klar macht, dass Menschen auch nur Säugetiere sind. Und die Geräusche, die man selbst machen kann, sind erstaunlich. Nein, das vergisst man nicht wirklich. Aber Verdrängung ist alles.
3. Stillen kann wirklich anstrengend sein. Das Schlimmste ist, dass man sich als totale Versagerin fühlt, wenn es nicht klappen will. Mit Sicherheit bekommt jede Mutter irgendwann eine Brustentzündung, die übler schmerzt als das schlimmste Zahnweh. Alte Damen werden einen böse anstarren, wenn man in der Öffentlickeit stillt und man wird plötzlich kollegiale Gefühle für Milchkühe entwicklen. Nervig ist auch, dass sich die Brustwarzen wie Schleifpapier anfühlen und ständig tropfen. Milchflecken werden bald jedes Oberteil zieren. Ansonsten wird die Brust – genau wie der Bauch – nie wieder so sein wie früher.
4. Schlafmangel macht wahnsinnig. Kein Wunder, dass er sehr erfolgreich als Foltermethode eingesetzt wird. Es gibt Tage, an denen sich junge Mütter freuen, dass sie überhaupt eine Unterhose angezogen haben, denn ein Breihirn macht die einfachsten Dinge unmöglich. Stilldemenz? Die ist schlichtweg eine Folge von monatelangem Schlafentzug.
5. Nach der anfänglichen gemeinsamen Freude wird sich schnell eine Routine einschleichen. Die meisten Paare kümmern sich im Schichtdienst um den Nachwuchs. Mal darf die Mama Babys Nickerchen für eine Pause nutzen, mal der Papa. Als Mutter freut man sich über jede freie Minute. Und wenn der Vater wieder arbeiten geht, schleichen sich fiese Gedanken ein. Ob er einfach länger im Büro bleibt, damit er den schreienden Mini mit Koliken nicht herumtragen muss? Und Sex? Dass viele Paare damit lange nach der Geburt warten, hat wenig mit der körperlichen Beanspruchung durch die Geburt zu tun, sondern viel mehr mit völliger Erschöpfung. Wer todmüde ist, dem ist einfach nicht nach einem scharfen Nümmerchen zu Mute. Erst recht nicht, wenn dabei noch Muttermilch aus der Brust tropft und der Säugling nur wenige Meter entfernt in der Wiege liegt.
Das ist die ganze Wahrheit. Oder doch nicht?
Es gibt etwas, das nichts mit Chaos und Anstrengung zu tun hat. Mächtige Gefühle, die man nie erlebt, wenn man nicht eines Tages einen winzigen neugeborenen Menschen im Arm halten kann. Es ist unbeschreiblich, was so ein kleines schreiendes rosafarbenes Bündel auslösen kann. Wie zart die kleinen Hände sind, wie niedlich die Nase. Eines Morgens, etwa gegen 4 Uhr, wenn die ersten Vögel zwitschern und man beim Stillen den Sonnenaufgang bewunden kann, wird es einem klar. Dieses wunderbar duftende kleine Wesen hat einen verzaubert. Und es gibt nicht auf der Welt, was man mehr liebt.
Es ist eine ganz neue Art der Liebe. Eine bedingungslose, heftige Liebe. Eine, die hilflos macht, denn plötzlich erlebt man auch Ängste, die man nie kannte. Atmet es noch? Was, wenn das Baby krank wird? Das ganze Universum gerät aus dem Gleichgewicht und kreist nun um diesen kleinen neuen Satellit. Nicht ganz einfach, wenn vorher ein männlicher Planet gewohnt war, die volle Aufmerksamkeit zu bekommen.
Und diese ganz besonderen Gefühle, all die Liebe, die Sorge, die Nähe, das Gefühl von einer unbekannten Macht beherrscht zu werden und das Glück, das ein erstes Lächeln, eine kleine Hand und ein Blick aus blauen Augen geben, all das können Mütter ihren kinderlosen Freundinnen nicht erklären. Die schwangere Freundin wird das alles erst verstehen, wenn sie selbst ihr eigenes Baby bekommen hat. Und diese Erfahrungen muss sie ganz allein machen.
Und darum werden Mütter weiterhin die Fragen von Schwangeren beantworten. Und zwar mit dem, was diese hören wollen. Aber sicher ist das Baby ein Engelchen, jeden Tag einen Säugling 24 Stunden zu betreuen ist wirklich erfüllend. Sex? Der ist nach einer Geburt ist ganz anders und sehr aufregend und Fernreisen, abends spontan weg gehen und einfach mal allein entspannt in der Sonne sitzen – aber ja, dass können Mütter ganz bestimmt. Die Wahrheit? Pssst.
Quelle: Auszug aus Sarah Vine und Tania Kindersley .“Backwards in High Heels“, published by Fourth Estate 2009 (auf Deutsch bisher nicht erschienen).
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