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Auszug aus: Ildiko von Kürthy, „Unter dem Herzen. Ansichten einer neugeborenen Mutter“
Seit zwei Stunden gehöre ich zur Gattung «werdende Mutter». Vor mir liegen die Schwangerschaftstests. Der Smiley verblasst schon langsam. In ein paar Tagen, so stand es in den Gebrauchsanweisungen, wird nichts mehr zu sehen sein von meinen Ergebnissen. Nicht schlimm. Denn eben erwischte ich meinen Mann, wie er die Teststäbchen in vorteilhaftem Licht fotografierte.
«Ist schließlich das erste Bild meines Kindes», sagte er verlegen – hatten wir uns doch fest vorgenommen, auf die Nachwuchs-Nachricht mit zurückhaltender Freude und abwartender Sachlichkeit zu reagieren.
«Ich bin höchstwahrscheinlich schwanger», hatte ich dem dazugehörigen Mann möglichst emotionslos verkündet. «Aber ich bin auch alt, und ich habe letzten Samstag drei Mojito getrunken, und ich habe im Internet gelesen, dass dreißig Prozent aller Schwangerschaften von Frauen um die vierzig mit einer Fehlgeburt innerhalb der ersten zwölf Wochen enden. Wir sollten es also noch niemandem erzählen und uns nicht zu früh freuen.»
Er war blass geworden und hatte benommen genickt. Unsere Fähigkeit zur Hoffnung hat sich, diesbezüglich, in den letzten fünf Jahren ziemlich abgenutzt.
Mein Mann hatte auf den grinsenden Schwangerschaftstest geschaut. Und zurückgegrinst. Und das war’s dann bei mir gewesen mit Zurückhaltung und abwartender Sachlichkeit.
Ich hatte angefangen zu heulen, wie eine Irre rumzuhüpfen und zu schreien: «Wir bekommen ein Kiiiiiind! Ich bin schwaaaanger!» Und schließlich schluchzte ich: «Ach und übrigens: Herzlichen Glückwunsch!»
Denn heute hat der Vater meines ungeborenen Zellhaufens Geburtstag.
Und heute beginnen drei neue Leben.
Und darauf trinke ich jetzt mein letztes Glas Champagner für lange Zeit. Prost, Mama Kürthy“
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Genau – Prost! Diese kleine Leseprobe aus dem Buch „Unter dem Herzen“ von Ildikó von Kürthy zeigt, wie persönlich Ildikó von Kürthy schreibt. Ihr passiert etwas ungeheuerliches – sie wird schwanger und Mutter. Und an ihrem vorsichtigen Herantasten an diese fremde Welt der Mütter und der Neugeborenen lässt sie ihre Leser und Leserinnen wunderbar teilhaben.
Es ist ein erquickend ehrliches und direktes Buch. Und ja – die drei „K’s“ – Kacke, Kotze und Krise werden direkt angesprochen. Frau von Kürthy wundert sich, ob die Zipperlein der Schwangerschaft wirklich normal sind und wird immer wieder von ihrem Frauenarzt beruhigt. Sie stellt fest: „Ich bin wie die meisten. Normal.“ Und so sorgt sie sich, berichtet dass sie „unschöne und völlig unerwartete Mutterschafts-Mutationenn im Bekanntenkreis“ miterleben musste. Ihr Fazit in der Schwangerschaft: „Mütter halten sich zwar für ganz normale Menschen, aber das sind sie nicht.“ Klar, dass sie sich Gedanken darüber macht, was sie selbst für ein Mutter wird – ihre Gedankengänge und Erlebnisse lesen sich wunderbar.
Das Buch ist wirklich wie eine Freundin. Und zwar eine sehr lustige, sehr vertraute, die sich nicht scheut Wichtiges anzusprechen. Es wäre langweilig, jetzt schon zu viel zu verraten. Aber wer neugierig ist, welche Lieder auf ihrer Playlist namens „Pressen!“ stehen – etwa: Strong enough, von Cher oder It’s raining Men, von den Weather Girls (klar, Jungs-Geburt) oder welche Wörter Ildikó von Kürthy aus dem Mutterkosmos zunächst doch sehr merkwürdig fand – der sollte unbedingt diese Buch lesen.

Für Mütter ist das Buch voller bekannter Themen. Herzhaftes Lachen – und ein „Ach- ja- so-war –das“ gehören auf jeden Fall dazu. Für Schwangere ist das Buch sicher auch ein guter Begleiter, der aber kein klassisches Sachbuch ersetzt. Und für Kinderlose? Die können nach der Lektüre noch einmal überdenken, ob sie sich all diese Dinge wirklich antun möchten. Vielleicht ja, denn die Autorin beschreibt auch die wunderbaren Glücksmomente. „Nichts ist mehr so wie es mal war. Und irgendwann steht eine Kerze auf der Torte. Jemand sagt so etwas Ähnliches wie ‚Mama’, und du denkst: ‚Mensch, der meint ja mich!“
Als Leserin und Mutter wünscht man sich dringend zu lesen, wie es nach diesem ersten Lebensjahr weitergeht. Vielleicht ist ja die nächste Romanfigur eine Mutter und wir dürfen lesen, wie sie sich im Kindergarten-Kosmos zurecht findet? Die Söhne von Ildikó von Kürthy sind heute zwei und fast sechs Jahre alt – bestimmt erlebt sie täglich Neues, das sie inspiriert. Hoffentlich. Denn auf das nächste Buch freuen wir uns schon!
Ildikó von Kürthy (geb. 1968) ist zweifache Mutter und freie Journalistin. Sie schreibt unter anderem für die Zeitschriften „Eltern“ und „Brigitte“, ihre Romane sind Bestseller und wurden mehrfach verfilmt. „Unter dem Herzen“ ist das erste Sachbuch der Autorin.
Das liliput-lounge.de-Interview mit ihr war spannend, ehrlich und ein Gespräch von Mutter zu Mutter…

liliput-lounge: Viele Ihrer Romane haben autobiographische Züge, doch für diese Buch haben Sie eine andere Form gewählt, warum?
Ildikó von Kürthy: Dieses Buch ist ein sehr persönliches Buch, eine Erinnerung wie ein Fotoalbum. Ich wollte mich nicht hinter einer Romanhandlung verstecken, sondern ein Buch schreiben, dass ein freundlicher Reisebegleiter ist. Eine Art Händchen-Halter, eine Freundin, die das alles schon mal erlebt hat und einer Schwangeren beruhigend über den Kopf streichelt und ihr Bescheid sagt, wenn sie sich gerade zu ernst nimmt.
Was hätten Sie selbst gern vor den Schwangerschaften gewusst?
Ich war froh um alles, was ich nicht wusste. Ehrlich gesagt, habe ich mit dem Schlimmsten gerechnet – und so schlimm war es dann gar nicht. Ich fühlte mich als Schwangere wie ein Wunder der Natur und das habe ich sehr genossen.
Im Buch erklärte der Frauenarzt immer wieder „Das ist ganz normal“, wenn Sie besorgt waren. Sie haben ja zwei Kinder, hatten Sie denn das Gefühl, dass in dieser Zeit etwas „ganz normal“ also selbstverständlich ist?
Nein. Ich fand die Schwangerschaften und das erste Jahr nie normal. Das war wie ein verzauberter Kokon, ganz beschützt, weich und weit weg von der Welt. Ich wünsche allen Frauen, dass sie diese Zeit genießen können. Sie geht schnell vorbei und kommt nie wieder.
Wenn die Kinder älter werden, treffen neugeborene Mütter auf eine zunächst unbekannte Spezies – andere Mütter. Auch das schildern Sie in Ihrem Buch. Wie erleben Sie heute den Umgang von Müttern mit Müttern?
Das ist ein schleichendes Trauma. Immer wieder prallen Ideologien und aufeinander und Frauen machen anderen Frauen ein schlechtes Gewissen. Warum müssen sich berufstätige Mütter erklären? Wieso wird alles so verbissen diskutiert? Mütter machen sich und anderen das Leben leider ziemlich schwer.
Oh ja, kenne ich auch. Wenn ich meine Kinder an drei Tagen in der Woche um 16 Uhr vom Kindergarten abhole, höre ich schon Kommentare, die auch weh tun.
Sehen Sie – und schon bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Meine sind an fünf Tagen in der Betreuung! Jede Mutter, die ihr Kind vor meinem abholt, macht mir Angst, etwas falsch zu machen.
Gewissenkonflikte, auch darüber schreiben Sie und sprechen damit anderen Müttern aus dem Herzen. Typisch sind auch bestimmte Sprüche. Aber es gibt auch welche, die trösten. Etwa „Das ist alles ein Phase“, oder?
Das stimmt ja auch wirklich und kann einen in manch durchwachter Nacht trösten. Leider gilt das „Phasen-Prinzip“ auch für gute Zeiten. Die dauern auch nicht ewig und man sollte sich nicht allzu laut brüsten mit einem Säugling, der seit seinem ersten Lebenstag durchschläft. Das kann sich sehr schnell wieder ändern.
Und Ihre Botschaft an andere Mütter?
Man muss mit Kindern und nicht für Kinder leben. Nur eine zufriedene Mutter ist eine gute Mutter.
Textauszug aus:
Ildiko von Kürthy, „Unter dem Herzen. Ansichten einer neugeborenen Mutter“
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