„Ich bin lieber Tagesmutter als Kauffrau!“

Sie ist gelernte Kauffrau und hängte diesen Beruf gerne an den Nagel – denn heute ist Teda Kiess Tagesmutter aus Berufung. Wir haben sie einen Tag lang begleitet und schauen ihr über die Schulter: Es ist immer viel los. Wie sieht der turbulente Alltag einer Profi-Mutter aus? Und wie professionell ist sie im Umgang mit ihren eigenen Kindern?

Die Klingel hängt niedrig, bei dem kleinen hellen Reihenhaus in Hamburg-Volksdorf. Damit auch Kinderhände sie schon erreichen können. Kaum ertönt die Klingel, sind Kinderstimmen zu hören: „Meine Mama.“ „Nein, mein Papa.“ Es ist nachmittags und Zeit für die Abholung. Eine freundliche Frau öffnet die Tür und hinter ihr stehen schon zwei Kleinkinder, die neugierig gucken, wer denn nun der Besuch ist.
Teda Kiess (41) ist eine von vielen Tagesmüttern. Allein in Hamburg gibt es offiziell rund 5500 Tagespflegepersonen. Inoffiziell sicher mehr. Tendenz steigend. Denn die Bundesregierung möchte die Kinderbetreuung aussbauen. Zur Zeit wird jedes siebte Kind unter drei Jahren in einer Krippe oder in der Tagespflege betreut, bis 2013 soll jedes dritte Kind einen dieser begehrten Plätze erhalten.
Tagesmutter  – wie wird man das eigentlich? Teda Kiess ist fast neun Jahre lang eine professionelle Mutter. „Meine eigenen Kinder waren vier und fünf Jahre alt und es ergab sich, dass ich nachmittags noch zwei weitere Kinder nach dem Kindergarten betreut habe.“ Die Arbeit mit den Kindern machte ihr soviel Freude, dass sie sie zum Beruf machen wollte. „Ich nahm Kontakt zum Jugendamt auf und habe dann nach und nach Kurse gemacht um mich zu qualifizieren,“ berichtet Teda Kiess. Solche Kurse bieten bundesweit fast alle Ämter- allerdings nicht immer kostenfrei.
Die gelernte Kauffrau fand so viel Spaß am neuen Beruf, dass sie schnell beschloss, nicht wieder in den alten Job zurück zu kehren. „Ich habe in einer Bank gearbeitet, jeden Tag hatte ich beigefarbene Aktenordner in der Hand. Ich wusste: Das will ich nicht mehr.“ Jetzt ist ihr Leben bunt und turbulent.
Im Moment betreut sie vier Kinder. Jette und Lis sind fast 18 Monate alt, die beiden Jungen Laurenz und Lasse sind gut ein Jahr älter. „Die Gruppenkonstellation ändert sich immer wieder,“ erklärt die Tagesmutter. Die meisten Kinder kommen mit etwa einem Jahr zu ihr und bleiben bis zum Kindergartenalter. Es gibt Familien, die sie lange begleitet, wenn sie zwei Geschwisterkinder hintereinander betreut und Kinder, die auch im Schulalter immer noch den Kontakt zu „ihrer“ Teda halten. Wenn Not herrscht, springt Teda bei ihren Schützlingen auch als Babysitter ein oder bietet einen Schlafplatz für die Nacht. „Ich glaube, Flexibiliät ist in diesem Beruf einfach ganz wichtig,“ sagt sie.
Wie wichtig Kinder in diesem Haus sind, fällt sofort auf. Kleine Schuhe stehen im Flur, auf dem Gäste-WC hat jedes Tageskind einen Haken mit eigenem Handtuch. Am Esstisch stehen zwei Kinderstühle und die Treppe wird von Kinderbilder geschmückt. Meist spielen die Kinder im Wohnzimmer oder im Garten. Im Garten dominieren Schaukel und Sandkiste. Im Wohnzimmer die vielen Kisten mit Spielzeug und Kinderbücher.
„Wenn es sehr kalt ist, gehen wir zur Zeit nicht so lange raus,“ sagt sie. Denn ein Kind sei eine kleine Frostbeule und würde sonst sehr weinerlich. „Für mich ist es immer wichtig, auf die Bedürfnisse der Kinder zu achten.“ Wenn alle eher Ruhe möchten, gibt es  Fingerspiele und Lego oder Basteleinheiten. Es wird musiziert oder getobt, in der Sandkiste gebuddelt oder im Wald spazieren gegangen. „Mit den beiden Jungen stehe ich auch mal eine Stunde an einer Baustelle und gucke. Denn ich habe ja wirklich die Zeit, im Tempo der Kinder die Welt zu entdecken.“
Was tun, wenn ein Kind schreit, eines gewickelt werden will und zwei sich streiten? „Da hilft nur Ruhe und Gelassenheit, und die gewinnt man natürlich mit den Jahren,“ sagt Teda Kiess lachend. Und fügt hinzu: „Wenn sich meine eigenen Kinder streiten, bin ich allerdings genauso genervt wie jede andere Mutter auch.“ Ihre Kinder Carolin und Julian sind mittlerweile 13 und 11 Jahre alt. Sie spielen nach der Schule mit den Tageskindern, haben aber auch extra Platz, sich von dem Trubel zu verdrücken.
Die meisten Kinder werden gegen 8 Uhr gebracht und bis 15 Uhr abgeholt. Laut Gesetz darf eine Tagespflegeperson nicht mehr als fünf Kinder gleichzeitig betreuen. „Man muss schon kalkulieren, ob sich der Beruf wirklich für einen rechnet,“ so Teda Kiess. Nach ihrer Erfahrung unterscheidet dies professionelle Tagesmütter von denen, die diesen Beruf nur kurz „nebenbei“ machen.
„Es gibt wirklich gute Leute in diesem Job“, sagt sie. Und schränkt ein: „Ich lerne natürlich nur die engagierten kennen, die sich immer wieder weiter qualifizieren und denen der Beruf Freude macht.“ Sie ist so erfahren, dass die Plätze bei ihr begehrt sind. Das freut sie, denn so kann sie sich aussuchen, ob sie das Gefühl hat, dass die Kinder in die Gruppe passen. „Ich muss auch eine Gesprächsebene mit den Eltern finden, denn sonst läuft das nicht.“
Wieviel eine Tagespflegeperson (denn es gibt ja auch Tagesväter) verdient, ist bundesweit verschieden. Die meisten bekommen pro Kind höchstens 3,50 Euro Brutto die Stunde. Oft weniger. Von diesem Verdienst müssen Tagesmütter sich auch noch versichern und seit dem 1.1.2009 Steuern zahlen. Hinzukommen Kosten für Miete und andere laufende Kosten. Wer sich für diesen Beruf interessiert, sollte kann sich bei den verschiedenen Verbänden erkundigen oder beim heimischen Jugendamt.
Worauf Eltern achten sollten, wenn sie eine gute Tagemutter finden möchten? Der Rat von Teda Kiess: „Auf ihr Bauchgefühl. Achten Sie auf gute Vorgespräche und darauf, ob sie selbst die potentielle Tagesmutter mögen.“ Wichtig ist, dass die Tagesmutter und die Eltern in Erziehungsfragen an einem Strang ziehen.
Bei einer Befragung von 820 Müttern und 226 Tagespflegepersonen in Kalifornien, Texas und North Carolina wurde eine große Übereinstimmung der Vorstellungen beider Seiten hinsichtlich einer qualitativ guten Kinderbetreuung festgestellt (Galinsky et al. 1994). Für besonders wichtig wurde gehalten, dass das Kind sicher aufbewahrt ist, dass ein intensiver Austausch zwischen Eltern und Tagespflegeperson über das Kind stattfindet und dass sich eine enge und herzliche Beziehung zwischen Kind und Tagespflegeperson ausbildet.
Wer Teda Kiess bei einem Ausflug mit ihrem fröhlichen Bobbycar-Club trifft, sieht gleich: Hier wird gelacht und es gibt eine herzliche Beziehung. Sind die von ihr betreuten Kinder glücklicher? Sie lächelt bei der Frage. „Glück liegt doch immer im Augenblick. Und den können die Kinder und ich genießen. Mehr kann ich auch nicht dazu sagen.“
Foto: von privat