Katrin* (27): Bittere Erfahrungen beim Gynäkologen
„Ich war schon immer rund. Irgendwie gehört das zu mir. Eigentlich schlimm, dass man als dicker Mensch sich immer für die Pfunde rechtfertigen muss. In meinem Fall ist es so, dass es eben nicht am Essen liegt. Ich habe eine Schilddrüsenunterfunktion. Ich bin sonst ganz gesund, aber glücklich bin ich mit meinem Gewicht nicht. Vor zwei Jahren habe ich 130 Kilo bei einer Größe von 1, 66 m gewogen.
Schon bei meiner Hochzeit vor drei Jahren hatte ich die magischen 100 Kilo überschritten, aber Diäten haben nur das Gegenteil bewirkt. Mein Mann liebt mich aber so, wie ich bin, und eigentlich war ich glücklich. Nach einem Jahr zu zweit war uns klar: wir wünschen uns ein Baby! Als ich meiner Mutter erzählt habe, dass wir uns Nachwuchs wünschen, war die total entsetzt: „Kind, tu dir einen Gefallen und nimm erstmal ab. Sonst wird das Baby ja krank!“ Auch mein Frauenarzt schüttelte den Kopf: „Frauen mit ihrem Umfang werden kaum schwanger, das hat die Natur auch klug eingerichtet. Nehmen Sie 40 Kilo ab, dann sprechen wir noch einmal darüber.“ Danach war ich völlig fertig. Und habe wieder versucht abzunehmen, habe täglich eine Stunde auf dem Fahrrad gesessen und nur von Joghurt und Suppen gelebt. Bis mein Mann ein Machtwort sprach: „Ich will dich so wie du bist! Wenn wir ein Kind haben sollen, dann klappt das auch!“ Klingt komisch, aber seine Zuversicht hat mir Mut gemacht.
Ich habe weiterhin bewusst gegessen, aber kaum abgenommen. Einen Monat später hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Ich kann die Gefühle kaum beschreiben. Uns beiden liefen die Tränen runter. Zwei Wochen später war ich dann beim Frauenarzt. „Sehr unvernünftig. Das ist eine Hochrisikoschwangerschaft“, erklärte er mir. Und berichtete mir, dass es kaum möglich sein würde wegen meiner Fettschichten einen Ultraschall zu machen, ich würde wahrscheinlich Bluthochdruck bekommen und auch eine Schwangerschaftsdiabetes sei sehr sicher. „Kinder von stark adipösen Menschen werden fast immer krank“, sagte er. Ich war völlig geschockt.
Beim nächsten Termin kam mein Mann mit. „Ich kann ihnen kaum gratulieren“, sagt der Arzt zu uns beiden. Und das nachdem er gerade das Herzchen im Ultraschall hatte pochen sehen und mir den Mutterpass gegeben hat. Uns fehlten die Worte. „So eine Risikoschwangerschaft muss eng überwacht werden. Sie dürfen nicht ein Gramm zunehmen, wenn sie das Leben ihres Kindes schützen wollen. Aber machen sie sich auf eine schwere Zeit gefasst.“ Dann lachte er. „Na, schwer ist es bei ihnen ja immer.“ Wir haben die Praxis nie wieder betreten.
Aber die Worte des Arztes taten wirklich weh. Dank einer Freundin fand ich eine andere Frauenärztin, die mich sehr liebevoll durch die Schwangerschaft begleitet hat. Ich erzählte ihr von meinem Erlebnis bei dem anderen Arzt und den vielen Warnungen. „Na, gut dass sie jetzt hier sind. Ich sehe das anders. Wenn der Körper es schafft schwanger zu werden ohne Hilfe, dann ist das ein gutes gesundes Zeichen.“ Aber eine Risikoschwangere blieb ich. „Davor müssen sie auch keine Angst haben. Das bedeutet, dass sie einige Untersuchungen mehr bekommen und wir die Schwangerschaft enger beobachten. Aber fast die Hälfte aller Schwangeren hat heute so einen Vermerk im Pass“, erklärte die Ärztin. Ich atmete auf. Doch die Angst blieb.
In den ersten drei Monaten war mir ständig übel. So übel, dass ich fast 8 Kilo abnahm. Mein Mann machte sich schon Sorgen um mich und das Baby. Aber die Ärztin beruhigte ihn. Die Hormonumstellung bewirke vieles und dem Baby ginge es gut. Auch in im vierten und fünften Monat hatte ich nicht zugenommen, aber das Baby wuchs. Unangenehm war die Feindiagnostik bei einem Spezialisten. Schon wieder so ein Arzt, der meinte, mich über die Risiken von Übergewicht aufklären zu müssen! Aber unser Zwuggi war bestens drauf und outete sich als kleines Mädchen.
Erst ab dem 7. Monat sah man endlich meinen Babybauch richtig. Schwierig fand ich es, Umstandsklamotten in 3-XL zu bekommen. Aber im Internet wurde ich fündig. Es war schon komisch. Zum ersten Mal in meinem Leben freute ich mich über meinen wachsenden Bauch, konnte ihn streicheln und mich daran erfreuen. Und ich nahm auch ein wenig zu. Insgesamt hatte ich fünf Kilo mehr drauf nach der Schwangerschaft, aber ich hatte ja auch erst einmal Gewicht verloren.
Bis in die 30. Schwangerschaftswoche hatte ich gar keine Probleme. Den Zuckerbelastungstest bestand ich super und auch mein Blutdruck war gut. Dann kam die Aufnahme in die Geburtsklinik. Ich hatte mich für ein nettes kleines Krankenhaus entschieden. Beim Gespräch erklärte man mir, dass man mich nicht aufnehmen würde. „Für solche Schwangeren wie Sie ist bei uns nichts ausgestattet.“ Ich fand das ziemlich diskriminierend. Aber damit muss man als Dicke leben. Genauso wie mit den Leuten, die glauben, dass ich nur wegen meiner Extrakilos weniger Hirnzellen habe und die mir alles drei Mal erzählen.
Die Geburt verlief völlig ohne Komplikationen. Im Universitätskrankenhaus wurden wir sehr nett betreut und es gab gar keine Kommentare. Meine Tochter war kerngesund und mit 52 cm und 3250 g weder zu schwer noch zu leicht. Sie ist ein Sonnenschein und jetzt mit 14 Monaten ein lebhafter kleiner Schatz – und ganz normalgewichtig, so wie ihr Vater. Nun hoffen wir, dass sie noch ein Geschwisterchen bekommen wird. Ich werde mir dieses Mal von niemandem Angst machen lassen.“
Janina* (34) Leider ist man bei doofen Kommentaren nicht immer schlagfertig
„Warum sind dicke Frauen eigentlich unbedingt Risikoschwangere? Das kann und will ich einfach nicht verstehen! Das hat sich wahrscheinlich der gleiche Schwachkopf ausgedacht, der auch den Body-Mass-Index erfunden hat. Mal ernsthaft, es sind doch nicht alle Menschen gleich gebaut! Wieso soll eine zarte zierliche Frau mit Körbchengröße A genauso viel wiegen wie eine Frau mit wirklich breitem Becken und stattlicher Oberweite?
Und ähnlich sollte es doch wohl auch bei der Schwangerschaft sein. Frauen, wegen ihres Gewichtes gesundheitliche Schwierigkeiten haben, sollten sicher eng beobachtet werden. Aber bei allen anderen?
Ich war schon immer alles andere als eine Elfe. Eher der Typ Amazone. Und zwar keine kleine, denn ich bin 1,83 m groß. Schon als Teenager wog ich über 100 Kilogramm. Aber ich habe mich nie als richtig fett empfunden, denn etliche Pfunde habe ich auch in der Oberweite. Mein Mann ist ebenfalls eher ein stattlicher Wikinger.
Vor gut drei Jahren haben wir beschlossen, dass wir gern ein Baby hätten. Wegen meines Gewichts von mittlerweile 122 Kilogramm habe ich mir da gar keine Gedanken gemacht. Und ich bin auch gleich im dritten Zyklus schwanger geworden. Die Freude war riesig. Die Frauenärztin wies mich zwar darauf hin, dass ich wegen meines Gewichtes als Risikoschwangere gelte, das fand ich zwar doof, aber auch nicht sonderlich tragisch, da so viele meiner Freundin irgendein Risiko angekreuzt bekommen haben. Ärgerlich war allerdings, dass meine Speckrolle es der Ärztin schwer machte, mit ihrem nicht sonderlich neuen Gerät zu schallen. Aber ich wollte ja sowieso möglichst eine Hebammenbegleitung und den Doktor so wenig wie nötig sehen.
Aber dann kam leider alles ein wenig anders. Denn so völlig unkompliziert wie alles begann blieb es leider nicht. Ich war in der 10. Schwangerschaftswoche, als ich morgens mit furchtbaren Krämpfen aufwachte. Ich ging ins Bad, setzte mich auf das WC und ein Blutschwall kam plötzlich raus. Ich rief verzweifelt meinen Mann. Wir fuhren sofort in die nächste Klinik. Ich weinte die ganze Zeit um unser Kind. Der untersuchende Arzt war ganz freundlich, nahm sich viel Zeit und hatte auch ganz andere Technik zur Verfügung. Auf dem Ultraschall sah man deutlich ein pochendes Herzchen! Wieder liefen Tränen. Weil die andere Ärztin nicht wirklich etwas sehen konnte, hatte sie die Zwillingsschwangerschaft nicht erkannt. Wir hatten ein Kind verloren, aber ein Baby wuchs noch in meinem Bauch!
Danach blieb ich dann doch in einer engen medizinischen Kontrolle. Ich fühlte mich zwar stark und gesund, wollte aber doch die mögliche Technik nutzen. Eine liebe Hebamme hatte ich trotzdem. Die hat mich vor allem ein wenig bei meinem Babybauch-Kummer gestützt. Denn irgendwie hatte ich lange Zeit einfach nur quasi zwei Speckrollen. Die untere (unter der Taille) wuchs immer mehr. Aber eine richtige Kugel hat sich erst nach der 20. Schwangerschaftswoche daraus entwickelt.
Dafür dann aber rasant. Ich habe tatsächlich sehr auf meine Ernährung in der Schwangerschaft geachtet, bin jeden zweiten Tag stramm im Wald spazieren gegangen. Aber ich habe etwa 20 Kilogramm zugenommen. Zum Ende der 39. Schwangerschaftswoche wog ich 140 Kilogramm. Ich merkte, dass viele Leute mich anglotzen. Einmal sagte ein Kind im Bus hinter mir zu seiner Mutter: „Ist die Frau schwanger oder immer so dick?“ Das heftigste war die Antwort. „Leise, das sagt man nicht. Die Frau ist ja auch traurig, dass sie so fett ist.“ Ich habe nichts gesagt. Dazu war ich zu geschockt. Von wegen alle Dicken sind schlagfertig und witzig. Ich nicht.
Ein dicker Bauch mit einer Kugel vorne dran? Hatte die Mutter vermutet, dass ich Melonen im Stück nasche? So ein hochschwangerer Bauch sieht doch auch bei einer dicken Frau einfach nur nach Baby aus.
Etwa acht Wochen vor der Geburt bestand der Verdacht auf eine Schwangerschaftsdiabetes, weil der Kleine so groß war. Das Ergebnis war negativ. Aber ich gebe zu, dass ich mich schon sehr gesorgt habe. Leider konnte ich meinen Sohn nicht wie gewünscht entbinden. Weil der errechnete Kopfumfang bei 37 Zentimetern lag, wurde er vor zehn Wochen per Kaiserschnitt geholt.
Eric war mit 58 Zentimetern und einem Gewicht von 3790 Gramm eindeutig das größte Baby auf der Säuglingsstation. Mein Mann und ich kamen gerade, als zwei Schwestern sich unterhielten. „Kräftiges Kerlchen. Der kommt nach der Mutter.“ Mein Mann misst 2,05 m. „Könnte aber auch von mir sein, die Statur“, sagte er sehr laut. Die Schwester war krebsrot. Ich fand das eher lustig.
Die ersten der zusätzlichen Babykilos habe schon wieder runter. Und bin ich sehr optimistisch, dass weitere Kilos purzeln werden. Denn immer wenn ich mich an den Tisch setzen will, um zu essen, wünscht Eric seine Milchbar. Wunderbare Stilldiät!“
*Namen auf Wunsch geändert
Bild: © Melissa Carroll für istockphoto.com
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