Stilldemenz und Schwangerschaftsdemenz – darum sind wir in Schwangerschaft und Stillzeit so vergesslich

Oft beginnen sie schon in der Schwangerschaft: Peinliche Aussetzer. Bei frisch-gebackenen Müttern wird häufig über „Stilldemenz“ oder „Schwangerschaftsdemenz“ geklagt. Woher kommen denn diese Gedächtnislücken?

Das erste Löchlein im Hirn ist noch harmlos. Beim Einkauf fällt einem die PIN der Geheimzahl nicht ein. Doch je fortgeschrittener die Schwangerschaft, desto mehr häufen sich bei einigen Frauen die Peinlichkeiten. Wieso steht die Haustür sperrangelweit auf? Wie war gleich der Name des Nachbarn?

Noch schlimmer wird es nach der Geburt des Kindes. Die so genannte Stilldemenz trifft irgendwann fast jede Mutter. Ziemlich oft steht man in der Küche und fragt sich, was man eigentlich erledigen wollte. Brötchen ohne Backpulver und Blumen ohne Wasser sind noch harmlos. Übler ist es, wenn man den Hund vor dem Supermarkt vergisst oder das Telefon im Kühlschrank landet. Eine Freundin hatte das Anziehen nach dem Stillen vergessen und öffnete barbusig dem Briefträger. Auch wenn sich die Geschichten in der Krabbelgruppe lustig anhören: Manche Betroffene leiden unter dem Vakuum im Hirn. Denn wer mag sich schon gern blöd fühlen? Oft kommt auch der Vorwurf, dass die Schusseligkeit doch selbst verschuldet sei.

Stilldemenz - Macht Stillen wirklich vergesslich (© Thinkstock)
Stilldemenz – Schlafmangel macht vergesslich (© Thinkstock)

Forscher: Bei Schwangern und jungen Mütter streikt das Kurzzeitgedächtnis

Doch die Gedächtnislücken sind keine Einbildung und häufig auch nicht beeinflussbar. Die australische Psychologin Julie Henry und ihr Team werteten entsprechende Studien aus. Henry: „Wenn sie einen Ablauf planen sollten oder sich neue Informationen merken mussten – etwa eine Zahlenfolge-, dann schnitten die Schwangeren meist schlechter ab als die Kontrollgruppe gleichaltriger nichtschwangerer Frauen.“ Auch die Gedächtnisforscher Henry und Peter Rendell kommen zu ähnlichen Rückschlüssen. Bei Schwangeren und jungen Müttern scheint das Kurzzeitgedächtnis oft schlecht zu funktionieren.

Ursachen für das Vakuum im Hirn

Woher kommt die Schusseligkeit der werdenden und frischgebackenen Mütter? Heidi Danker-Hopfe, Psychophysiologin an der Berliner Charité, schätzt, dass die verminderten Hirnleistungen am Schlafmangel liegen. „Besonders in den letzten drei Monaten leiden Schwangere oft unter Schlafstörungen, die dem Krankheitsbild der Insomnie ähneln“, sagt sie. Krankhafte Schlaflosigkeit beeinflusst nachweislich die Leistungen des Hirns.

Nach der Geburt ist der Schlafmangel offensichtlich: Durch das nächtliche Stillen des Neugeborenen kommen viele Mütter nicht dazu, sich nachts zu erholen, da die Tiefschlafphase fehlt. Viele haben auch einen sehr leichten Schlaf. Dieses Phänomen, nämlich auch allerleiseste Geräusche zu hören ist, auch als Ammenschlaf bekannt.

Schlafmangel meist Ursache für Stilldemenz (© Thinkstock)
Schlafmangel meist Ursache für Stilldemenz (© Thinkstock)

Hirnzellen nehmen es übel, wenn sie sich nicht regenerieren können. Die Folge sind Erschöpfung und Konzentrationsschwäche.

Auch die körperliche Belastung durch Schwangerschaft und Stillen und die Veränderung des Hormonhaushaltes spielen eine wichtige Rolle bei den Leistungen des Gehirns. Direkt nach der Geburt wird im Körper vermehrt das Hormon Kortisol produziert. Es sorgt dafür, dass der Geburtschmerz und die negativen Einzelheiten der Geburt schnell vergessen werden. Dummerweise gilt dieses Vergessen eben auch für das Befüllen der Waschmaschine oder die Telefonnummer der besten Freundin. Aber eigentlich soll dieses Hormon die Psyche der Frau schützen.

Denn die Psyche ist nach der Geburt schon reichlich belastet: Immerhin hat sich das komplette Leben geändert. Existenzängste, Sorge darüber, eine gute Mutter zu sein und die neue Situation als Eltern und Familie, lassen manchmal kaum Raum für kleine Nichtigkeiten wie vergessene Geburtstagsanrufe oder Geheimzahlen. Bei den meisten Mütter legt sich das Gefühl des ewigen Vergessens. Spätestens wenn das Kind länger schläft oder abgestillt wird, lüftet sich der dichte Nebel, der das Hirn verhüllt.

Ein paar kleine Tricks helfen aber auch schon vorher gegen Schusseligkeit:

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Die besten Tipps gegen Vergesslichkeit:

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  • Möglichst viel Schlaf bekommen. Wenn das Baby tagsüber schläft, auch ein Nickerchen machen. Stillen in der Nacht möglichst unkompliziert gestalten – am besten im Liegen und im Dunklen, das hilft wieder schnell einzuschlafen.
  • Ganz besonders auf eine gesunde Ernährung mit ausreichender Vitaminzufuhr achten.
  • Bewegung und frische Luft tun einem beanspruchtem Geist und Körper gut. Wenn dann auch noch ein paar Sonnenstrahlen dazu kommen, um so besser.
  • Kleine Zettel funktionieren als Gedächtnisstütze.
  • Babyfreie Zonen können ebenfalls helfen. Eine Stunde im Café sitzen, ein Bad oder Zeit um ein Buch zu lesen.
  • Überforderung vermeiden. Niemand ist perfekt. Wer sich erschöpft fühlt, sollte sich Hilfe vom Partner oder Verwandten holen.
  • Lachen hat eine therapeutische Wirkung. Die eigenen Patzer aufschreiben oder anderen erzählen. Dann sieht mach auch die ulkigen Seiten der Demenz – und sie geht ja vorbei.

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Wie war ist das bei Ihnen? Hatten Sie in der Schwangerschaft oder in der Stillzeit auch manchmal Schusseligkeits-Anfälle?