Angst vor Armut

Die Bundesregierung hat ihr Sparpaket ausgepackt. Darin enthalten: Bittere Kürzungen. Besonders hart sind die Elterngeld-Kürzungen. Besonders betroffen sind allein Erziehende und Arbeitslose. Doch auch bei anderen Familien wächst die Angst vor Armut…
Die größten Verlierer sind Eltern, die Hartz-IV beziehen. Der Staat plant, ihnen künftig kein Elterngeld mehr zu zahlen. Das soll bis zum Jahr 2014 jährlich 400 Millionen Euro einsparen. Diese Kürzung um 300 Euro monatlich im ersten Babyjahr trifft nicht nur Menschen in den Hochhaussiedlungen, deren Eltern bereits „Stütze“ bezogen haben. Sie trifft auch Studierende, Alleinerziehende und viele Frauen, die sich – weil sie etwa bereits ein Kind erziehen – nur mit einem 400 Euro-Job begnügen müssen. Also all diejenigen, die ergänzende Hilfen erhalten.
 
Wie meine Freundin Antje. Die studierte Sozialpädagogin hatte vor Geburt ihrer sechs Monate alten Tochter zunächst nur befristete Jobs und zuletzt eine schlecht bezahlte Teilzeitstelle. Ihr Gehalt war so gering, dass ihr Elterngeld nicht zum Leben reicht und sie nun Hartz-IV Aufstockerin ist. Sie hatte nicht geplant, dass die Beziehung zum Vater ihres Kindes scheitert – und schon jetzt ist das Einkommen knapp. Für Frauen wie Antje bedeutet die geplante Änderung des Elterngeldes ein Leben am Existenzminimum – und das in der ersten Zeit mit Kind.
 
Auch berufstätige Eltern mit mittleren Einkommen (ab 1240 Euro netto) werden sparen müssen. Statt 67 Prozent werden noch 65 Prozent des Nettoeinkommens angerechnet. Sicher, in reinen Zahlen ist das vielleicht noch zu verschmerzen: Wer beispielsweise 1500 Euro netto bezieht bekommt dann 975 statt 1001 Euro Elterngeld pro Monat.
 
Klare Sieger sind die Gutverdiener: Die Obergrenze von maximal 1800 Euro fürs Elterngeld soll nicht angetastet werden. Auch die heilige Kuh „Ehegattensplitting“, von der auch nur Familien ab einen bestimmten Einkommen oder mit einer sehr klassischen Rollenverteilung  profitieren (er Oberarzt, sie Krankenschwester mit halber Stelle), soll bestehen bleiben.
 
Früher bekam man nicht dafür Geld, dass man „Eltern“ geworden ist, sondern für die Erziehungsleistung. Dieses „Erziehungsgeld“ war einkommensabhängig: Verdiente das Paar mehr als 30.000 Euro jährlich, gab es keinen Anspruch auf Erziehungsgeld. Alle die weniger verdienten bekamen sechs Monate lang 300 Euro. Dann musste ein neuer Antrag gestellt werden. War das Baby sieben Monate alt, durfte das gemeinsame Elterneinkommen nicht höher als 16.500 Euro jährlich sein. Wer unter diese Grenze fiel, bekam bis zu zwei Jahre lang 300 Euro im Monat pro Kind. Für Frauen wie die allein erziehende Antje bedeutete das, dass sie zwei Jahre mit 300 Euro extra im Monat rechnen konnte.
 
Das neue Elterngeld sollte eine Verbesserung sein – doch mit dem Aufheben des Sockelbetrages für Geringverdiener und Hilfsgeldempfänger wird eine eh stark belastete Gruppe noch zusätzlich belastet.
 
Familien haben es ohnehin nicht leicht. Windeln und Kindersitze werden mit 19 Prozent Mehrwertssteuer belegt – in anderen EU-Ländern reduziert man die Steuern für Kinderbedarf. Hier reduziert man die Abgaben der Hotelbranche. Doch die Spardebatte darüber, wo der Rotstift denn nun angesetzt werden soll, hat gerade begonnen. Der Staat zahlt laut Spiegel  422 Millionen an Kirchengehältern; dort wird nicht über eine Kürzung gesprochen. Familien – und erst Recht die Einelternfamilien und diejenigen mit wenig Einkommen – haben leider keine Lobby.
 
Ein Zeichen in die falsche Richtung, wenn dieses Land familienfreundlicher sein möchte. Seit dem 1. Januar 2011 gelten die neuen Regeln  – ob sie die Geburtenrate steigern wird, ist fraglich. Steigen wird sicher die Verunsicherung von Eltern und die Angst zu verarmen.
 
 
 
 
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