Spätes Mutterglück

Mit über 40 Jahren noch Mutter werden? Das ist schon lange keine Ausnahme mehr. Die Sängerin Ute Lemper (48) erwartet ihr viertes Kind, Rocklegende Gianna Nannini wurde mit 54 zum ersten Mal Mutter. Wieso entscheiden sich Frauen erst so spät für ein Kind? Ist so eine Entscheidung egoistisch? Diskutieren Sie mit!

Als Lotte zehn Jahre alt war, war ihre Mutter 51 Jahre alt. „Das war nicht einfach, dass meine Mutter so alt war, wie die Großmütter der anderen Kinder“, sagt sie. Späte Mütter waren noch vor zwanzig Jahren eine Ausnahme. Holt heute eine Mittvierzigerin ein Kind aus einem Kindergarten ab, ist sie wesentlich eher die Mutter als die Oma.

Auch viel prominente Frauen werden späte Mütter: Sandra Maischberg, Bärbel Schäfer oder Nicole Kidmann erwarteten ihre Kinder erst mit Anfang 40. Die Sängerin Ute Lemper (48) hat zwei Kinder im Teenageralter, einen sechsjährigen Sohn und erwartet im Oktober ihr viertes Kind. In einem Interview erklärt sie: „In den Zwanzigern wäre ich unfähig gewesen, eine gute Mutter zu sein. Jetzt hat sich meine Karriere gesetzt, ich bin finanziell abgesichert.“

Familiengründung mit über 40? Auch für Frauen heute normal

Tatsächlich ist dieser Trend in den Straßen zu sehen. Im Hamburger Schanzenviertel schieben viele Frauen mit ersten grauen Strähnen einen Kinderwagen. Vor gut 50 Jahren sorgte sich die Umgebung bei der Ankündigung so späten Nachwuchses. Heute stehen 40-jährige mitten im Leben und finden es normal, nun auch ein Familienglück zu finden. Das bestätigt auch der Gender Datenreport der Bundesregierung: 1991 hatten 0,8 Prozent der erstgeborenen Kinder eine Mutter, die älter als 40 Jahre war, im Jahr 2000 waren es 1,8 Prozent und 2003 dann 3,9 Prozent. Tendenz sehr klar weiter steigend. Heute werden in Deutschland jährlich rund 20.000 Kinder geboren, deren Mütter 40 oder älter sind. Geplant sind allerdings nicht alle.

Auch wenn viele Frauen sich fit fühlen und erst mit 40 anfangen über Kinder nachzudenken, der Biologie kann man nur schwer ein Schnippchen schlagen. Denn die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, ist zwischen 20 und 30 am höchsten. Ab 35 Jahren dauert es meist durchschnittlich sieben bis acht Monate bis der Kinderwunsch klappt, bei 42-ährigen oft zwei Jahre. Auch wenn die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin rasant gestiegen sind – je älter die Frauen mit Kinderwunsch sind, desto geringer sind ihre Chancen.

Ungeplant schwanger geworden oder spät den richtigen Partner gefunden – es gibt viele Gründe für spätes Mutterglück

Doch ist es immer so, dass Frauen sich erst verwirklichen wollen, die Karriereleiter hochklettern und ihr Leben genießen wollen – und sich dann erst für ein Kind entscheiden?

Heike wurde mit 44 zum ersten Mal Mutter. Die langjährige Single-Frau hatte sich wunderbar mit ihrem Leben arrangiert. „Ich habe meine Freundinnen nicht um ihre anstrengenden Ehen und stressigen Schulkinder beneidet“, gesteht sie. Heike liebt ihren Job als Marketing-Assistentin und surft gern. Die Wochenenden verbringt sie meist mit Freundin an der Küste. Bei einem Urlaub in Australien verliebte sie sich in John. „Wir haben gar nicht weiter nachgedacht“, sagt Heike. Denn dass sie tatsächlich sofort schwanger werden könnte, hätte sie nie für möglich gehalten. „Zuerst war ich geschockt. Ich dachte das wäre die Menopause, als meine Periode ausblieb.“

Sie ging zum Frauenarzt und wollte sich beraten lassen. „Als ich ihm von meinem Verdacht erzählte, fragte er, ob es nicht eine Schwangerschaft sein könne.“ Der Arzt machte einen Schwangerschaftstest. Das Ergebnis war eindeutig positiv. „Ich war völlig überrascht. Doch dann merkte ich so eine unbändige Freude. Ich war reif für ein Kind und dieses Baby wollte zu mir kommen, das habe ich gespürt.“ Heute ist Emma ein Jahr alt – zu ihrem Vater hat sie bisher nicht viel Kontakt, dazu ist die Entfernung zu weit. „Ich glaube, es sollte einfach so sein“, sagt Heike.

Viele späte Mütter werden ungeplant schwanger, entscheiden sich dann aber doch für das Kind. Andere treffen erst spät einen Partner, mit dem sie ein Familie gründen möchten, so wie Tanja (49). „Ich habe immer nur Männer kennengelernt, die sofort flüchteten, wenn sie hörten, dass ich eine Familie haben möchte.“ Vor zwei Jahren lernte sie dann Andreas kennen und verliebte sich sofort in den Landwirt. Tanja gab ihren Beruf auf, zog zu Andreas auf den Hof – und wurde schwanger. „Ich war bei der ersten Schwangerschaft 47 Jahre alt, mein Mann 39. Ihn hat nie jemand schief angeguckt oder gefragt. Mich schon.“ Besonders belastet hat Tanja, dass sie immer wieder betont gefragt wurde, ob sie sicher sei, dass das Kind gesund sei.

Ältere Schwangere sind Risikoschwangere – mit guten Chancen

Frauen mit 40 haben doppelt so oft Fehlgeburten wie 30jährige. „Viele unterschätzen und verdrängen das“, erklärt die Gynäkologin und Buchautorin Christine Biermann. Doch wenn es mit der Schwangerschaft klappt, ist die Chance, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen auch für ältere Mütter sehr groß.

Der Grund dafür ist, dass sich die vorgeburtlichen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten verbessert haben. Und dass ältere Schwangere meist sehr auf sich und ihr Baby achten. „Diese älteren Frauen sind alle so jung und fit geblieben“, so die Gynäkologin Christine Biermann. „Sie kommen regelmäßig zur Vorsorge, ernähren sich gesund und bringen ihr Kind bestens vorbereitet zur Welt.“ Frauen ab 35 Jahren gelten als Risikoschwangere, sie müssen eher mit Schwangerschaftsdiabetes, hohem Blutdruck und einer Plazentaschwäche rechnen – aber das ist gut behandelbar. Auch um das höhere Risiko einer Chromosomen-Anomalie, wie etwa Trisomie 21 (Down-Syndrom) wissen die Mütter. Ist die werdende Mutter 31, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 1:800, ist sie 40, bereits bei 1:100. Ältere Schwangere werden entsprechend feindiagnostisch untersucht. Bei Verdacht auf Auffälligkeiten wird eine Fruchtwasseruntersuchung gemacht.

Auch Anja hatte eine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen. „Ich habe schon gezittert. Denn ich wollte dieses Kind. Ich wollte nur wissen, ob ich mich auf ein gesundes oder auf ein spezielles Baby vorbereite;“ sagt sie. Ihre Tochter ist heute zwei Jahre alt – und bekommt bald einen kleinen Bruder. Anja und Andreas haben aber nicht nur positive Reaktionen auf die Mitteilung der Schwangerschaft bekommen. „Andreas ist öfter gefragt wurden, ob ihm klar sei, dass er sicher irgendwann alleinerziehender Witwer sei. Er war empört. Ich habe nur gelacht. In meiner Familie sind schon viele über 100 Jahre alt geworden. Keiner kann doch sagen, wann die Uhr abläuft.“ Anja ist froh über ihr spätes Mutterglück. Sie findet es nicht egoistisch, dass sie sich für ihre Kinder entschieden hat. „Ich werde meinen Sohn als Geburtstaggeschenk zum 50. Geburtstag bekommen. Ich finde das wunderbar. Denn mit den Kindern bleibe ich einfach jung.“

Mit über 40 noch Mutter werden? Sehen Sie das auch als Trend? Ist eine solche Entscheidung für ein Kind egoistisch oder verständlich? Was meinen Sie? Wir sind gespannt auf Kommentare.

Bild: © Rose Waddell für istockphoto.com

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3 Gedanken zu „Spätes Mutterglück“

  1. Ich weiß nicht, ob es wirklich so abnorm ist bis ca. 50 Jahre Kinder zu bekommen.
    Z.B. eine meiner Omas hat bis 46 fast jährlich ein gesundes Kind (insgesamt 8) bekommen, also recht spät „angefangen“.
    Eine meiner Uromas hat im Alter von 44-47 insgesamt drei gesunde und langlebige
    Kinder geboren. Ich gebe zu, ich war etwas irritiert, als ich das auf dem Grabstein der
    Gruft nachgelesen habe. Ich habe mich später jedoch daran erinnert, dass ich einmal
    gelesen habe, dass zu bestimmten Zeiten die Frauen (aus wirtschaftlichen Gründen- man baute sich erst eine Existenz auf- ich meine Anfang des 20. Jahrhunderts) die Frauen bestimmter arbeitender Schichten (Verdingung als Haushälterin) oft erst mit Mitte bis Ende 30 begonnen haben Kinder zu bekommen.
    Also ein bisschen Zeitgeist ist wahrscheinlich dabei. Ideal ist es vermutlich nicht so spät
    Kinder zu bekommen, auch weil man dann das Kind ja nicht mehr so lange auf seinem
    Lebensweg begleiten kann. Die Biologie ist natürlich wichtig, aber ich glaube wie gesagt,
    da steckt auch viel Zeitgeist hinter. Vor 30 Jahren hat man ja auch noch Mütter verurteilt, die über 30 Jahre Kinder bekommen haben.
    Zeitgeist ist eines der Dinge, die man getrost über Bord werfen kann, nicht aber den
    gesunden Menschenverstand, auch wenn dieser Begriff nach dem aktuellen Zeitgeist verpönt ist.

  2. Ich bin mir nicht sicher, ob man da applaudieren oder zweifeln soll. Meine Mutter war bei meiner Geburt 35 und ich habe sie stets als alte Mutter empfunden. Das waren allerdings andere Zeiten und meine Mutter hatte auch eine recht „alte“ Ausstrahlung. Heutzutage ist 35 völlig normal, aber die Schraube für das erste Kind dreht sich immer weiter nach oben und ich persönlich finde, bei aller Jugendlichkeit, die eine 50-Jährige heutzutage noch ausstrahlen kann. dieses Alter für ein Baby einfach zu spät! Ich finde es doppel schlimm, wenn es mit 50 das erste Kind ist. Es ist einfach ein Alter, in dem viele Frauen bereits Großmutter werden bzw. sind!

  3. Das Dilemma der heutigen Zeit: entweder Frau gründet früh eine Familie, wobei ihre Ausbildung und Karrierechancen auf der Strecke bleiben – und später die Gefahr besteht ohne finanzielle Absicherung da zu stehen und von einem unter Umständen nicht besonders liebevollen Mann abhängig zu sein.
    Oder sie investiert die Zeit in ihre Karriere, unter der Gefahr als egoistische Kinderlose oder eine zu alte Mutter mit „Anniston-Syndrom“ o.ä. da zu stehen.. 🙁
    Natürlich gäbe es da die Lösung – Studium und Karriere in den 20ern, Kind und Familie in den 30ern – vorausgesetzt, man hat zur richtigen Zeit den richtigen Mann zur Seite. Aber das Glück hat nunmal leider nicht jede! Insofern hütet euch davor, vorschnell über Entscheidungen anderer zu urteilen.. Abgesehen davon entscheidet das Alter allein nicht darüber, wie gut eine Mutter ist.

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