liliput-lounge: Was hat Sie motiviert über dieses Thema ein Buch zu schreiben?
Uly Foerster: Ich bin zwei Wochen vor meinem 60. Geburtstag Vater geworden. Über uns alte Väter gibt es so viele Vorurteile. Wir seien verantwortungslos. Wir seien Egoisten. Wir seien alternde Potenzprotze. Wir nutzten junge Frauen aus, die für uns wie ein Jungbrunnen seien. Wir dächten nicht nach. Das alles ist immer wieder zu hören, wenn einer der Prominenten um die 60 oder noch älteren Datums Vater geworden ist. Und leider bestätigen manche Vertreter dieser Spezies wie der frühere TV-Moderator Jean Pütz, der im Alter 74 im Herbst noch einmal Vater wird, solche Vorurteile. Denn er klopft in der Presse schlüpfrige Macho-Sprüche („Es fluppt noch“, „Meine Frau ist halt ein Vollweib“).
Ich dagegen will einen authentischen Bericht liefern, wie es wirklich ist, von welchen Gefühlen man beherrscht wird, welche rationalen Überlegungen wichtig sind. Auch welche medizinischen Risiken zu bedenken sind, wie eine vollständige Lebensveränderung im fortgeschrittenen Alter zu bewältigen ist und welche Lebensperspektiven Frau und Kind haben. Ich habe versucht, das alles unterhaltsam und heiter zu schildern. Das Buch soll nicht nur leichte Lektüre für alte Väter sein, sondern mindestens genauso für die jungen Frauen, die immer dazu gehören.
Von den jungen Frauen ist in der Berichterstattung selten die Rede, oder?
Es ist in schon ein Versäumnis, dass die Medien meisten leicht anzüglich über die Fortpflanzungsfähigkeit älterer Herren berichten, wenn ein Prominenter dazu Anlass gibt. Die die jungenMütter kommen aber selten oder gar nicht zu Wort. Was sind ihre Motive und Gefühle? Weshalb lieben sie einen so viel älteren Mann? Haben die alle einen Vaterkomplex? Haben die alten Väter alle einen Lolitakomplex? Da haben die Medien noch Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Wissenschaft übrigens auch, gerade in einer Gesellschaft, in der Männer und Frauen immer länger leben und länger lieben.
Partnerschaften mit großem Altersunterschied werden oft immer noch als Kuriosium oder Ausnahmeerscheinungen betrachtet, alte Väter als weiße Elefanten, die vorwiegend in den höheren Schichten der Gesellschaft ein Exoten-Dasein führen.
Sie meinen, dass das Klischee nicht stimmt, dass die meisten späten Väter wohlsituierte Herren sind?
Die Zahlen sind eindeutig. In Deutschland gibt es laut Statistik, jedes Jahr rund 35 000 neue alte Väter, die über 50 sind. Das in etwa soviele Einwohner, wie Schwäbisch-Hall Einwohner hat. In den USA sind es prozentual noch viel mehr, da ist jeder zehnte Vater älter als 50. Die alten Väter zählen also längst Hunderttausende, ja Millionen. Und das sind nicht alles Reiche!
Laut einer Studie finden es nur 10 Prozent der Deutschen in Ordnung, wenn Männer über 50 noch Väter werden. Werden Sie häufig mit Vorurteilen konfrontiert?
Vorurteile gibt es viele. Und es ist schon so, dass man in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen wird als eine Familie mit den normalen Altersstrukturen. Ich habe aber direkte Anfeindungen bisher nicht erlebt. Viele alte Väter finden es ja schrecklich, wenn sie als Opa angesprochen werden. Das ist mir schon öfter mal passiert. Das macht aber nichts. Ich könnte ja in der Tat längst Großvater sein, und der Begriff Opa hat für mich nichts Negatives. Ich habe es auch aufgegeben, das richtig zu stellen. Es ist nicht wichtig.
In Ihrer Lebensplanung war ein Kind gar nicht vorgesehen. Bedauern Sie das?
Nicht eine Sekunde. Mein Töchterchen ist ein Wunschkind. Und was heißt schon Lebensplanung? Ich rate nach gut sechs Jahrzehnten eines Lebens, das erfreulicherweise ganz und gar nicht geradlinig verlief, auch niemandem zu glauben, man könne ein Leben durchplanen. Es kommt immer anders als man denkt. Sie kennen vielleicht den spöttischen Kurzdialog, in dem einige Weisheit steckt. Frage: Wie bringst du Gott zum Lachen? Antwort: Erzähl ihm deine Pläne.
Sie haben Ihr Leben umgestellt. Leben jetzt in einer Reihenhaushälfte – ist so ein Einschnitt für ältere Väter schwerer?
Ja, das denke ich schon. Im Leben eines Sechzigjährigen hat meist die Gewohnheit längst die Macht übernommen. Da müssen dann viele Rituale und eingefahrene Prozesse aufgegeben werden. Arbeitsabläufe, Lebensstandard, Freizeitgestaltung, Anschaffungen bis hin zum Auto, das man fährt – das alles, um nur wenige Beispiele zu nennen, wandelt sich radikal. Sicher – so geht es auch jungen Vätern. Es ist aber ein entscheidender Unterschied, ob ich die ersten Errungenschaften eines Lebenstandards oder längst Erreichtes aufgeben will und muss. Es ist schon ein bisschen so, wie ich es in meinem Buch von einem Bekannten zitiere: Man macht vielleicht alles richtig, wird aber das Gefühl nicht los, dass es die falsche Reihenfolge ist. Ich bin zwar nicht neidisch darauf, dass andere meines Alters sich auf die Rente vorbereiten, zum Nordic Walking gehen und sich Seniorenhandys kaufen. Aber ich muss eben noch mal ganz von vorn beginnen.
Wo ist der Unterschied zwischen einem „Start-over-Dad“ wie Beckenbauer, der bereits als jüngerer Mann Kinder hatte und einem „neuen alten Vater“?
Die „Start-over-Dads“ wollen beim zweiten Mal alles besser machen. Beckenbauer hat es, wie andere auch, offen bekannt: „Heute gebe ich zu: ich habe meine Vaterpflichten vernachlässigt. Jetzt habe ich noch einmal zwei Kinder geschenkt bekommen. Wenn ich die auch noch vernachlässige, dann habe ich wirklich alles verkehrt gemacht.“ Ein neuer alter Vater hingegen muss sich solche Selbstvorwürfe nicht machen. Er hat allerdings auch keine Chance mehr, später mal alles besser und anders zu machen. Er muss sofort das Richtige tun. Der Spielraum für den Irrtum ist sehr klein.
Risiko und Verantwortung sind so gewichtige Worte. Spielen Sie denn für Väter der 50+ Generation wirklich so eine andere Rolle als für jüngere Väter?
Mit Sicherheit. Ein junger Vater übernimmt Verantwortung für ein ganzes Leben, ein alter nur für eine begrenzte Restzeit. Es kommt nicht von ungefähr, dass so viele junge Männer erst spät Vater werden wollen – sie stellen hohe Hürden auf, wann sie ein erstes Kind haben wollen: Erst wenn sie „sicher sind, dass sie eine Familie ernähren können“, sagen 57,2 Prozent, wenn sie sich „beruflich etabliert haben“ (35,6 Prozent), wenn sie eine „geeignete Wohnung/geeignetes Haus“ haben (21,8 Prozent), wenn sich die „Patnerin beruflich etabliert“hat (18 Prozent). Das sind Fragen, die sich einem alten Vater gar nicht stellen. Wenn er über Verantwortung nachdenkt, dann geht es zum Beispiel um die materielle Absicherung von Frau und Kind. Darum Einzuschätzen, wie sich ein womöglich baldiger Verlust von Ehemann und Vater auf die Psyche auswirkt. Junge Väter zwar auch nicht geschützt vor einem frühen Tod, aber sie werden sich mit diesem Thema nicht befassen wie ein alter Vater.
Sie schreiben, die alten Väter gehören nirgendwo dazu. Haben Sie mittlerweile Ihren Platz gefunden?
Wo andere längst aufgehört haben, fange ich wieder an und die Zukunft ist ungewiss. Meine Tochter kann schon Milchschaum sagen und übt das Wort Schienenersatzverkehr – Schinana – sie rückt täglich meine Werte zurecht.
Mein Platz ist in meiner kleinen Familie. Es ist ein sehr schöner Platz.
„Die reine Liebe meiner Tochter zu fühlen, ist etwas Besonderes“![]() Und was das Schwerste daran ein später Vater zu sein? |
Uly Foerster schreibt einen Blog über sein Leben als alter Vater und seine Familie und befasst sich auf seiner Plattform auch mit anderen Phänomenen des demografischen Wandels: http://altevaeter.wordpress.com/
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Bild oben: © Galina Barskaya – Fotolia.com
Bild unten: U.Foerster© Marion Losse
Uly Foerster schreibt, daß er es als egoistisch empfindet, wenn er seiner Frau ein Kind versagt hätte. Ich empfinde es so, daß es eigentlich egoistisch ist, wenn ein Mann im fortgeschrittenen Alter noch Vater wird. Der Zeitraum, in dem er für sein Kind da sein kann, ist evtl. doch stark begrenzt. Seine Frau scheint ja auch bei der Geburt bereits über 40 gewesen zu sein, für meinen Begriff auch an der Altersgrenze. Sicher ist meine Meinung für heutige Verhältnisse nicht so ganz zeitgemäß, aber ich denke eben so. Ich möchte noch anmerken, daß ich nichts gegen Paare mit großem Altersunterschied habe. Nur sollten solche Paare, meiner Meinung nach, sehr gut überlegen, ob denn unbedingt noch Nachwuchs sein muß!
Jetzt ist Janet Jackson mit 50 Jahren zum ersten Mal schwanger! Ich finde bei diesen Nachrichten ein gewisses Unwohlsein weil ich der Meinung bin, daß sie für eine Schwangerschaft zu alt ist! Auch, wenn es tatsächlich auf natürlichem Weg funktioniert haben sollte, es ist nicht alles gut, was die Natur so zuläßt. Trotzdem wünsche ich ihr selbstverständlich ein gesundes Kind, aber in diesem Alter dürfte die Gefahr einer Behinderung besonders groß sein. Eigentlich schon fast unverantwortlich, mit 50 noch ein Baby auszutragen, aber wer prominent ist, kann sich das ja anscheinend erlauben.