Julia (38)* sitzt entspannt in einem Café, trinkt einen Milchkaffee und wirft immer wieder einen Blick in die Spielecke. Dort sitzt die 15 Monate alte Ella und buddelt eifrig in der kleinen Sandkiste. Ella hat die gleich wachen braunen Augen wie ihre Mutter und ein paar braune Locken sind unter dem Sonnenhut zu sehen. Sie strahlt ihre Mutter an – Mutter und Tochter wirken wie ein eingespieltes glückliches Team. Und das sind sie auch. Aber selbstverständlich ist dies kleine Familienglück nicht.
Schon immer wollte Julia eine Familie gründen
Vor zwei Jahren feierte Julia ihren 36. Geburtstag. In sehr kleinem Kreis: Sie war allein mit ihrer Katze und ihrem Computer. „Ich war wirklich an einem Tiefpunkt angekommen“, erzählt sie. Ihr langjähriger Partner hatte sich von ihr getrennt. Im Job gab es Schwierigkeiten. Eine Entlassungswelle rollte durch den Betrieb und auch Julia hatte nur einen befristeten Vertrag. „Das Schlimmste war für mich das Gefühl, dass ich irgendwie auf voller Linie versagt habe. Kein Glück im Spiel und keines in der Liebe. Aber vor allem tat der Gedanke so weh, dass ich wohl nie Kinder haben werde.“ Schon immer wollte Julia gerne eine Familie gründen. Doch ihr Partner fühlte sich „noch nicht soweit“. Julia wartete. Dann kam die Trennung. „Und er wurde nicht mal ein Jahr später Vater. Er wollte also von mir kein Kind, dass war schon bitter“, sagt sie traurig.
Julia liest im Internet. Und stolpert über die Geschichte einer Amerikanerin, die bekennende „Single Mom by Choice“ ist. Eine Singlefrau mit Kinderwunsch, genauso fühlt sich Julia auch. In den USA ist es kein Problem als Alleinstehende schwanger zu werden. Samenbanken und künstliche Befruchtungen machen es möglich. Leicht ist es aber natürlich für die betroffenen Frauen trotzdem nicht.
Als Single-Frau ein Kind? In Deutschland besonders schwierig
In Deutschland haben es Frauen, die sich ein Kind wünschen und keinen passenden Partner haben, ungleich schwerer. Eine Behandlung in einer Kinderwunschpraxis ist rechtlich nicht möglich. Adoptionen sind praktisch unmöglich und auch Pflegekinder werden sehr, sehr selten Singles zugesprochen. Und doch gibt es sie. Im Internet haben sie sogar ein eigenes Forum gefunden. Singlefrauen mit Kinderwunsch nennt sich eine Gruppe, die auch Julia im Netz findet. „Es tat unendlich gut, dass ich gemerkt habe, dass ich nicht allein bin.“
Auch andere Frauen wünschen sich Kinder – sie stehen mitten im Leben, sind beruflich angekommen aber haben keinen Lebenspartner, mit dem sie eine Familie gründen können. „Frauen mit laut tickender biologische Uhr sind Männern oft unheimlich“, meint Julia. Sie hat auf Dating-Anzeigen geantwortet und auch im Internet einige Kontakte geknüpft. „Mir wurde klar, dass ich so bestimmt keinen Vater für mein Kind finde.“
Anders als etwa in den Niederlanden oder den USA sind Samenbanken für unverheiratete Frauen in Deutschland tabu. „Meine Freundin in Dänemark kann überhaupt nicht verstehen, warum die Rechtslage bei uns so ist. Und ich ehrlich gesagt auch nicht“, erklärt Julia.
Je mehr sie recherchiert, desto mehr erfährt sie. Von schwierigen Auslandsadoptionen, von Behandlungen, die nicht ganz legal sind, die einige Kinderwunschpraxen trotzdem durchführen. Und von vielen Hoffnungen, die doch wieder platzen. „Mir war klar, dass es nicht einfach ist, aber ich möchte auch nicht in fünfzehn Jahren zurück blicken und sehen, dass ich die Chance Mutter zu werden verpasst habe“, sagt sie.
Schwanger beim ersten IVF-Versuch
Julia entscheidet sich dafür, sich privat einen Samenspender zu suchen. Über eine Freundin kommt sie in Kontakt zu einem Mann, der sich vorstellen kann, Julia zu helfen. Seine Bedingung: er möchte Julia kennenlernen, später ein Bild von dem Kind bekommen. Und so anonym bleiben, dass sein Name auf keinem Dokument auftaucht. Unterhalt möchte er nämlich nicht zahlen. Julia stimmt zu. „Das ist wirklich schwer, so jemanden zu finden. Das bedeutet auch viel Vertrauen auf beiden Seiten. Ich bin froh, dass ich ihn persönlich getroffen habe, ein wenig über ihn weiß und meinem Kind auch später von ihm erzählen kann. Irgendwann einmal wird es sicher auch zu einem Treffen von Vater und Kind kommen. Möglich wäre das“, erzählt Julia.
Von ihrer Freundin in Dänemark bekommt sie einen guten Tipp – und sie wird mit Hilfe einer In-Vitro Befruchtung mit dem Spendersamen schwanger. „Unglaublicherweise hat es wirklich gleich beim ersten Versuch geklappt.“ Die Kosten dafür musste Julia allein tragen. Doch darüber mag sie nicht sprechen. „Es war es für mich wert.“
Julia ist glücklich, als sie das positive Ergebnis in der Hand hält. Sie informiert auch kurz den Samenspender und erhält eine Mail von ihm. „Prima, melde dich dann doch mal kurz in 9 Monaten.“ Sie ist erleichtert, dass er keinen weiteren Kontakt haben will und doch gleichzeitig ein wenig Interesse hat.
Nach zehn Wochen hören Julias Übelkeitsanfälle auf und sie sorgt sich – doch alles ist gut. „Als ich endlich den Mutterpass in den Händen hielt, da wusste ich, dass ich für uns zwei alles regeln werde.“ Julias Arbeitsvertrag läuft mitten in der Schwangerschaft aus, doch sie bleibt optimistisch. „Ich wollte ja auf jeden Fall das erste Jahr zu Hause bleiben – und irgendetwas werde ich schon finden“, erklärt sie.
Und Julia hat Recht gehabt, sie arbeitet seit ein paar Wochen in der Firma einer Bekannten. Die Arbeitszeiten kann sie flexibel mit der Tagesmutter von Ella abstimmen. „Das erste Jahr war manchmal schon schwer. Wir waren ja Tag und Nacht 24 Stunden zusammen. So viel Nähe war wunderbar, aber eben auch nicht immer einfach. Seit drei Monaten geht sie jetzt zu einer Tagesmutter. Das tut uns beiden gut.“
Meine Wahl war eine Ein-Eltern-Familie oder kein Kind
Während sich die meisten Freundinnen von Julia für sie freuen und sehen, wie fröhlich Julia und Ella sind, teilen Ellas Großeltern die Freude nicht ganz. „Sie sind der Meinung, dass ich egoistisch sei, denn ein Kind würde einen Vater brauchen.“ Auch wenn Oma und Opa Ella vergöttern, ist der Kontakt für Julia nicht einfach. „Da kommen schon viele Vorwürfe. Aber ich kann die ignorieren. Immerhin habe ich es gut, denn ich bin ja freiwillig alleinerziehend.“ Durch verschiedene Kindergruppen hat Julia viele Frauen kennen gelernt, die sich in der Schwangerschaft oder in den ersten Babymonaten von ihrem Partner trennten, denen würde die Situation oft viel schwerer fallen, meint sie.
Natürlich gibt es auch Tage, an denen Julia einen Partner vermisst. „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich auch gerne in einer Mama-Papa-Kind-Familie leben. Es wäre schön, das Glück über Elllas erste Schritte zu teilen. Oder einfach mal eine Stunde Fahrrad fahren zu können. Und oft sehe ich bei anderen, wie erleichternd es ist, wenn ein anderer auch mal die Windel wickelt oder bei Kummer tröstet. Aber diese Wahl hatte ich nicht. Meine Wahl war eine Ein-Eltern-Familie oder kein Kind.“ Und Julia hat ihre Wahl noch keinen Moment lang bedauert. Und sie hat einen großen Wunsch, denn sie sich auch erfüllen möchte: Ein Geschwisterchen für Ella.
*Alle Namen auf Wunsch geändert
Bild: © Vladimir Melnik – Fotolia.com
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Hallo, meine Situation ist so ähnlich wie in den Bericht ´Singelfrau mit Kinderwusch
Ich habe auch ein sehr große Kinderwusch und kein Mann und würde mich wenn es nicht anders geht im Auslad befruchten lassen.´Könnt Ihr mir ein Praxis empfehlen, gibt so viele.. ?
Kann ich dich auch Fragen wo du dein wissen hast ?
Li.
hallo schön das es so welchr seiten hier gibt dann weiß man das man nicht alleine ist lg hardy
Leider gibt es zu diesem Thema viel zu wenig Informationen. Bin durch Zufall auf die tolle Geschichte von Maggie Schwarz gestoßen. Sie beschreibt in ihrem Buch „Wunschkind- Wie sich eine Singlefrau ihren größten Wunsch erfüllt“ ihre bewegende Kinderwunschgeschichte.