Sieg für die Liebe

Im Herbst 2010 berichteten wir von Ines und Sandro. Der sehnlichste Wunsch der Beiden: Ein Baby. Mitten in der Kinderwunsch-Behandlung starb Sandro.Und die bereits befruchteten Eizellen? Die durfte die Witwe nicht bekommen. Aber Ines hat gekämpft – und bekam nun doch vor Gericht Recht.

Kinderwunsch-Witwe
Baby vom toten Mann erlaubt (© panthermedia.net Angelika Krikava)

Ausgerechnet am Hochzeitstag von Ines und Sandro verkündete das OLG Rostock ein neues Urteil im Fall der „Kinderwunsch-Witwe.“ Dieses ganz besondere Datum ist offensichtlich ein Tag, an dem die Liebe siegt, denn die Richter erklärten am 7. Mai 2010, dass Ines größter Wunsch wahr werden kann – ein Baby von ihrem Mann Sandro.

Am 7. Mai 2004 hatte das Paar geheiratet. Ein gemeinsames Kind war der sehnlichste Wunsch von Ines und Sandro. Schließlich unterzogen sie sich einer aufwendigen Kinderwunsch-behandlung, verzichteten auf teuere Urlaube, investierten das Gesparte in den Traum. Insgesamt werden zwölf Eizellen von Ines mit dem Samen von Sandro befruchtet. In Deutschland dürfen keine Embryonen eingefroren werden – daher gibt es den Begriff des „Vorkernstadiums“ – mit dem befruchtete Eizellen gemeint sind. Der erste Versuch scheitert, doch das Paar möchte es noch einmal Eizellen einsetzen lassen -aber dann stirbt Sandro. Ines steht zunächst unter Schock. An die Kinderwunschbehandlung denkt sie erst einmal nicht mehr. Dann beschließt die junge Witwe, sich an die Klinik zu wenden. Denn das Baby war ja der gemeinsame Wunsch. Die Klinik weigert sich die Eizellen herauszugeben, beruft sich auf das deutsche Embryonenschutzgesetz, in dem steht, dass Samen von Toten nicht bei einer Kinderwunschbehandlung genutzt werden dürfen. Ines klagt auf die Herausgabe ihrer Eizellen.

Das Gericht weist die Klage im Herbst 2009 jedoch ab. Damals habe ich mit Ines lange gesprochen. Sie konnte diese Entscheidung nicht verstehen: „Es sind doch auch meine Eizellen. Wir haben so viel mitgemacht und nun sollen diese wertvollen befruchteten Eizellen einfach vernichtet werden?“

Nein, mit normalen Menschenverstand konnte man das damaligen Urteil nicht wirklich nachvollziehen. In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass das Sperma eines Verstorbenen – wenn es sein Wunsch war – noch genutzt werden darf. Im Fall von Ines und Sandro ist es nicht nur eindeutig der Wunsch von Sandro gewesen – die Eizellen sind ja bereits befruchtet. Sobald die Zellen auftauen, nimmt die Natur ihren Lauf und ein neues Leben entsteht. Und zwar eines, das sehr gewünscht wird.

Die Richter des OLG Rostock haben Ines nun zugestanden, dass sie selbst entscheiden darf, was mit den befruchteten Eizellen geschehen soll. Dass die Klinik die Herausgabe verweigert hatte, befand das Gericht nun für falsch. Die Spermien seien schon vor dem Tode des Mannes eingeschlossen worden, so die Richter, auch wenn sich noch kein Embryo entwickelt habe. Männliches und weibliches Erbgut seien zum Zeitpunkt des Einfrierens eine „innige Verbindung“ eingegangen.

Ein gutes und moralisch richtiges Urteil. Denn das deutsche Embryonenschutzgesetz ist nicht mehr zeitgemäß, wie dieser Fall deutlich zeigt. Das Gesetzt schützt mittlerweile weniger Leben, sondern verhindert welches. Die PID, die es Paaren mit kranken Erbmaterial ermöglicht, nur diejenigen Eizellen auszuwählen, die gesund sind, ist in den meisten europäischen Ländern erlaubt. Nur nicht in Deutschland. Die Medizin könnte es möglich machen, dass ein gesundes Wunschkind gezeugt wird. Stattdessen bleibt den Paaren nur die Möglichkeit ins Ausland zu gehen oder auf Kinder zu verzichten.

Im Falle der Witwe mit dem Kinderwunsch wurden auch von anderer Seite moralische Zeigefinger erhoben. Ein Baby, das in einen Ein-Eltern-Haushalt geboren wird? Ohne Vater? Ja, bitte – warum denn nicht? Viele Eltern trennen sich nach der Geburt ihrer Kinder. Und tragische Unfälle passieren. Wäre Ines in der 2. Schwangerschaftswoche beim Tod ihres Mannes gewesen – also im einem so frühen Stadium, dass beide noch nichts von der Schwangerschaft wussten, hätte da irgendwer etwa gefordert, dass die Frau die Schwangerschaft beenden solle?

Ines freut sich sehr über das Urteil. Und möchte nun erst einmal entspannen von der ganzen Aufregung der letzten Monate. „Nur ein erholter Körper ist bereit für eine Schwangerschaft,“ sagt sie. Wie ursprünglich geplant möchte sie nach Polen fahren und sich dort einer IVF-Behandlung unterziehen.

Nachtrag im Frühjahr 2011: Kein glückliches Ende
Bei dem ersten Transferversuch in Polen wurden sechs Eizellen aufgetaut, beim zweiten Versuch im April die übrigen drei. Doch direkt nach dem Auftauen mussten die Ärzte feststellen, dass keine der insgesamt neun Eizellen überlebt hat. Warum keine der Zellen intakt blieb, darüber rätseln selbst Experten.

Für Ines bedeutet das, dass sie die Tatsache akzeptieren muss, dass sie nie ein Kind mit ihrem Mann Sandro haben wird. Doch bei aller Traurigkeit ist Ines sicher, dass sich der lange Kampf gelohnt hat, wie sie Ende April in einem Interview der Ostsee-Zeitung erklärte. „Ich weiß nun, dass ich wirklich alles versucht habe, unseren gemeinsamen Kinderwunsch zu erfüllen.“

Ja, Ines hat wirklich alles versucht. Ihr Kampf hat gezeigt, dass das Embryonenschutzgesetz wirklich dringend überarbeitet werden muss – vielleicht ist es ein Trost für Ines, dass sie sicher für andere Frauen in ähnlicher Situation eine Vorkämfperin war. Wir wünschen Ines alles Gute!