Depression in der SS

Alles könnte so wunderbar sein. Dem Wunschkind im Bauch geht es gut, der Ehemann ist lieb und fürsorglich. Da darf doch kein Kummer sein? Tatsächlich ist es ein Tabu, dass rund zehn Prozent aller Schwangeren sogar sehr traurig sind. Sie leiden an einer Schwangerschaftsdepression…

Judith* freute sich so sehr über die Schwangerschaft. Endlich das ersehnte Baby. Doch statt Freude wird Angst zu ihrem ständigen Begleiter. Sie sorgt sich um die Gesundheit des Kindes, hat Angst, dass sie dem Kind nicht gerecht werden kann. Befürchtet, dass die Ehe zerbrechen könnte. Judiths Gedanken Kreisen wie wild und sie kann vor Kummer kaum noch schlafen. Die Schwangere traut sich nicht, mit irgendjemanden über ihre Gefühle zu sprechen. Und merkt, dass sie immer trauriger wird. Doch irgendwann bleiben ihre Tränen nicht mehr verborgen. Keiner versteht die werdende Mutter. Denn so etwas kann doch gar nicht sein?

Von 100 Schwangern leiden 10 an Schwangerschaftsdepressionen

Leider ist dieses Phänomen gar nicht so selten. Experten gehen davon aus, dass rund zehn Prozent aller Schwangeren unter einer Schwangerschaftsdepression leiden. Vor allem Frauen, die schon vor der Schwangerschaft eine Depression hatten, sind besonders gefährdet. Aber auch andere Frauen sind anfällig für ein seelisches Tief.

Das Fatale ist, dass gerade an Schwangere hohe Erwartungen herangetragen werden. Sie sollen sich ja auf ihr Baby freuen, sie sind ja in „anderen Umständen“. Viele Frauen trauen sich nicht, über ihren Kummer zu sprechen. Und wenn sie es tun, werden sie oft nicht ernst genommen. Doch bei einer Depression helfen Sprüche wie: „Stell dich nicht so an“ oder „Das wird schon wieder“ eben nicht. Im Gegenteil, wie Prof. Dr. med Konrad Michel, Facharzt für Psychatrie und Psychotherapie erklärt: „Wenn man sich selber unter Druck setzt, wird die Depression verstärkt werden.“

Nicht nur die Hormone sind verantwortlich für eine Depression

Eine Depression kann viele Ursachen haben. Zum einen kann die enorme hormonelle Veränderung tatsächlich eine Störung der Hirnfunktion verursachen. Hinzu kommen andere Belastungen, wie körperliche Beschwerden, Beziehungsprobleme oder vorherige Fehlgeburten. Viele Frauen haben widersprüchliche Gefühle und fühlen sich verunsichert. „Dass eine Schwangerschaft und vieles, was sie mit sich bringt, zur psychischen Belastung werden kann, ist mehr als einfühlbar“, so Prof. Michel. Ein Auf und Ab der Stimmung sei durchaus normal. Wenn Niedergeschlagenheit jedoch zum Dauerzustand wird, sollten sich Betroffene auf jeden Fall Hilfe holen.

Denn Hilfe ist besonders wichtig. Viele Frauen schweigen über ihr seelisches Tief, sie haben das Gefühl ein schlechte Mutter zu sein, weil sie sich nicht so freuen, wie sie es selbst erwarten. Doch das stimmt nicht – eine Depression ist eine Krankheit. Und es braucht Mut und Kraft, zunächst sich selbst einzugestehen: Mit mir stimmt etwas nicht.

Folgende Symptome können auf eine Depression hinweisen:

  • Angst
  • Ständige Traurigkeit
  • Reizbarkeit
  • Schlafstörungen
  • Eingeschränkte Sozialkontakte und Desinteresse an der Umwelt
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • extreme und/oder andauernde Erschöpfung
  • Appetitlosigkeit oder übersteigerter Appetit
  • Lustlosigkeit
  • Panikattacken
  • Zwanghafte Handlungen (z. B. Putzwahn)

 

Betroffene Frauen, die mit einem seelischen Tief kämpfen, sollten diese Schlacht nicht allein austragen. Denn es ist für die werdende Mutter und für das Kind ist wichtig, dass es professionelle Unterstützung gibt. Eine leichte unbehandelte Depression kann ohne Behandlung zu schwersten dauerhaften Depressionen auswachsen. Die depressive Störung kann die familiäre Situation ernsthaft belasten – auch für das Kind ist sie ein Risiko, denn das Ungeborene ist den mütterlichen Stresshormonen ausgesetzt, und das kann zu Frühgeburten führen.

Wie kann geholfen werden?

Auch Frauen mit einer Depressionen können gute Mütter sein – gut ist, wenn ihnen klar wird, dass sie nicht „versagen“, sondern unter einer Krankheit leiden. Und sich mit der Bitte um Hilfe an Fachleute wie Gynäkologen, Hebammen oder Psychotherapeuten wenden. Gemeinsam kann dann abgeklärt werden, was Entlastung bringen kann und welche Hilfe die beste für die werdende Mutter ist.

Denn Depressionen müssen behandelt werden – auch in der Schwangerschaft, meist mit einer begleitenden Therapie. Je nach Schwere der Symptomatik kann es auch sein, dass die Ärzte Antidepressiva verschreiben, um das seelische Gleichgewicht der Schwangeren zu stabilisieren.

Hier wird immer sehr genau abgewogen: In den ersten drei Schwangerschaftsmonaten wird meist von einer medikamentösen Behandlung abgeraten. Danach jedoch ist es so, dass das Ungeborene eventuell durch die unbehandelte Depression negativer beeinflusst werden kann als durch eventuelle Wirkstoffe. „Die meisten Antidepressiva können in der Schwangerschaft ohne Bedenken eingenommen werden,“ erklärt Prof. Michel. Allerdings nie ohne ärztlichen Rat!

Denn oft helfen bereits Veränderungen im Lebensalltag, Sonnenlicht, Spaziergänge und Bewegung – aber vor allem verständnisvolle Angehörige, die der werdenden Mutter helfen und nicht den Druck verstärken.

Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe  hat einen Online-Test entwickelt – der Selbsttest kann allen Betroffenen helfen. Auch Hilfsangebote wie Krisendienste und Kliniken – nach Postleitzahlen sortiert- sind auf der Website der Stiftung zu finden

*Name auf Wunsch geändert
Bild:©istockphoto