Sonja: „Ich habe die Rubrik „Rabenmütter“ gelesen und musste an meine beste Freundin denken. Ich nenne sie hier mal Ellen. Ellen ist die Patentante meiner vierjährigen Tochter und wir beide kennen uns seit der ersten Klasse. Klar haben wir auch die ersten Kippen geteilt. Ich habe nie so richtig angefangen mit dem Rauchen – Ellen hingegen hat seit der Konfirmandenzeit geraucht wie ein Schlot.
Früher habe ich nie etwas zu ihrem Zigarettenkonsum gesagt. Ist ja ihre Sache, wenn sie ihren Geldbeutel und ihre Gesundheit zu sträflich behandelt. Wenn Ellen bei mir zu Besuch ist, dann verzichtet sie auch glatt zwei Stunden auf ihre Glimmstängel.
Schon vor ein paar Jahren hat dieses Thema unsere Freundschaft belastet. Denn Ellen hat mir erzählt, wie sehr sie und ihr Mann sich ein Kind wünschen. Als ich ihr erzählte, dass mein Baby unterwegs war, hatten die beiden schon fünf Jahre vergeblich auf Nachwuchs gehofft. Organische Gründe konnten die Ärzte nicht feststellen. „Wahrscheinlich solltest du mal richtig entgiften und mit dem Rauchen aufhören“, erklärte ich ihr. Ellen war richtig verletzt. Vielleicht konnte sie auch den Anblick meines Babybauches nicht ertragen oder tat sich einfach schwer mit dem Gedanken, dass ich wirklich als Schwangere ein striktes Rauchverbot in meiner Umgebung ausgesprochen hatte. Keine Ahnung. Wir haben nie darüber gesprochen, und kurz vor der Geburt stand sie vor meiner Haustür mit einem Berg kleiner Strampler und Tränen in den Augen: „Ich vermisse dich so“, sagte sie und wir fielen uns in die Arme.
Das Thema Kinderwunsch habe ich auch nicht mehr angesprochen. Als ich sie damals fragte, ob sie Patin werden möchte, habe ich ganz schön rumgeeiert beim Fragen. Ich wollte sie nicht verletzen, weil sie ja noch immer kein Kind hatte. Sie hat ja gesagt, kümmert sich viel um ihr Patenkind und ist oft bei uns zu Besuch – soweit alles gut.
Vor vier Monaten kam dann ihre überraschende Mitteilung: „Ich bin schwanger, in der zehnten Woche!“ Vor Freude liefen ihr die Tränen runter – und dann griff sie zur Zigarettenpackung und zündete sich eine Zigarette an. Ich war sprachlos. Weil ich mich so für sie freute. Und weil ich nicht wusste, was ich zu dem Verhalten sagen sollte.
Ich fragte ganz vorsichtig: „Du hörst doch jetzt sicher mit dem Rauchen auf?“ Ellen zuckte die Schultern. „Meine Ärztin meint es ist ok, wenn ich weniger rauche. Sonst bekommt das Kind Schadstoffe durch die Entgiftung ab.“
So etwas hatte ich noch nie gehört. Ich habe im Internet nachgeguckt und dort nur sehr eindeutige Aussagen gefunden. Nikotin ist ein Gift! Kinder von Raucherinnen haben so einen schweren Start ins Leben. In einer Studie war sogar zu lesen, dass die Wahrscheinlichkeit. Dass Kinder kriminell werden, bei Müttern, die mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchen, um 30 Prozent höher liegt als bei anderen.
Ich kann mir das damit erklären, dass Mütter, die schon in der Schwangerschaft so wenig Willensstärke haben und ihre eigenen Bedürfnisse nicht für die Gesundheit ihres Kindes zurückstecken können auch später in Erziehungsfragen zu oft nachgeben.
Ellen ist jetzt im fünften Monat schwanger. Und sie raucht noch immer. Ich kann das wirklich nicht verstehen, sie riskiert eine Frühgeburt und Schädigungen für das Kind. Und sie wünscht sich das Baby doch so. Ich traue mich nicht sie noch einmal direkt darauf anzusprechen. Aber was ist, wenn das Kind wirklich geschädigt ist? Bin ich dann nicht irgendwie mit dafür verantwortlich, weil ich nicht konsequenter eingegriffen habe? Wer hat einen Rat für mich? Ich wäre wirklich sehr dankbar!“
Sonja ist verunsichert. Wie begründet ist ihre Sorge? Liliput-lounge.de hat bei Experten nachgefragt:
Die von Sonja erwähnte Studie gibt es tatsächlich. Forscher der Harvard School of Public Health sehen einen Zusammenhang zwischen mütterlichem Zigarettenkonsum in der Schwangerschaft und späterer Kriminalität von Heranwachsenden. Auch kindliche Konzentrationsschwächen und Hyperaktivität können mit Nikotinkonsum der Mutter zusammenhängen.
Nachweislich verengt Nikotin die Blutgefäße, wie auch Kinder-und Jugendärztin Dr. Mayer betont. Bei Raucherinnen wird daher das ungeborene Kind nicht ausreichend mit Nahrung und Sauerstoff versorgt. „Kinder von Raucherinnen wiegen bei der Geburt im Durchschnitt 200 bis 300 Gramm weniger als die Kinder von Nichtraucherinnen, wobei diese Werte auch von der Zahl der gerauchten Zigaretten abhängen. Wenn ein Baby zu klein ist, obwohl es nicht zu früh geboren wurde, spricht man von „Mangelgeburt“. Rund 30 bis 40 Prozent aller Mangelgeburten und bis zu 14 Prozent aller Frühgeburten werden durch Rauchen verursacht“, so die Ärztin. Manchmal schädige das Rauchen die Durchblutung des Mutterkuchens auch so gravierend, dass die Plazenta sich vorzeitig löst und zu einer Fehlgeburt kommt.
![]() Christian Albring (Bild), Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF) in Deutschland bestätigt diese Risiken für die Ungeborenen. „Trotz der bekannten Risiken verzichtet jede fünfte schwangere Raucherin nicht auf Zigaretten“. Er bedauert, dass es in Deutschland kein flächendeckendes Angebot gibt, das betroffenen Eltern Unterstützung gibt. Ein solches Angebot könnte auch der besorgten Freundin helfen. Der niedergelassene Gynäkologe aus Hannover rät, dass Raucherinnen Selbsthilfemaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten zur Raucherentwöhnung mit ihrem Arzt besprechen sollten. |
„Durch den rechtzeitigen Verzicht auf Nikotin in der Schwangerschaft lassen sich negative Folgen für das Ungeborene weitestgehend vermeiden“, ergänzt Vize-Präsident Dr. Klaus König. „Es ist übrigens eine weit verbreitete Fehleinschätzung, dass das Kind unter einem plötzlichen Rauchstopp der Mutter leiden könnte. Spontanes Abstellen des Nikotinkonsums hat beim Ungeborenen keinerlei Entzugserscheinungen zur Folge. Ab dem Zeitpunkt, an dem Mütter das Rauchen einstellen, entlasten sie Ihren Körper und tun Ihrem Baby Gutes.“
Bild: © Josu Altzelai für istockphoto.com
Bild unten: © Berufsverband der Frauenärzte
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