Samenspende – doch noch ein Baby!

Diagnose: Unfruchtbar. Doch was, wenn es noch eine Alternative gibt, um den Traum vom Kind zu erfüllen? Simone und Martin verdanken ihr Babyglück einem unbekannten Mann. Heute ist ihr Sohn Felix vier Jahre alt – seine Eltern berichten von dem mühsamen Weg und wie Samenspende überhaupt funktioniert.
Vor 40 Jahren entschied der Deutsche Ärztetag, dass die künstliche Befruchtung mit Spendersamen zulässig sei. Über 100 000 Kinder sind in Deutschland mittlerweile auf diese Weise gezeugt wurden, jährlich sind es mittlerweile 4000. Dies sind nur vorsichtige Schätzungen, denn noch immer ist das Thema Samenspende von einem Mantel des Schweigens umhüllt.
Doch für viele Paare mit Kinderwunsch ist die so genannte donogene Insemination, die Befruchtung mit Fremdsamen, die einzige Möglichkeit ein Baby zu bekommen. Simone und Martin* verdanken ihr Familienglück einem unbekannten Mann.
Als die beiden sechs Jahre verheiratet waren, wünschten sie sich ein Kind. Doch nach sechs Monaten vergeblichen Hoffens gingen beide zum Arzt. Während der Gynäkologe mit Simone sehr zufrieden war, zeigte Martins Spermiogramm, das er komplett zeugungsunfähig war. „Wir waren niedergeschmetter,“ berichtet Simone. Eine Mumpserkrankung in der Kindheit könnte die Steriliät verursacht haben. Behandelt werden könne gar nicht.
Babyglück durch Samenspende
Wunschkind dank Samenspende (© panthermedia.net, Ulrich Münster)
Das Paar musste sich von dem Schock erst einmal erholen. Ein Leben ohne Kinder wollten sich beide nicht vorstellen. Doch wie könnte der Traum vom Familienglück noch wahr werden? Simone: „Wir haben uns im Internet schlau gemacht. Es gab nur zwei Möglichkeiten, die für uns in Frage kamen, entweder eine Adoption oder eine Samenspende.“ Die Chancen auf ein Adoptivkind standen schlecht: Mit 39 und 42 Jahren waren beide Eheleute für die Ämter zu alt.
Lange Abende überlegten sich Simone und Martin, ob sie sich wirklich vorstellen können, ein Baby von einem anderen Mann zu bekommen. Für Martin kein Problem. „Da ich ja sogar bei der Zeugung dabei bin, bin ich wohl nicht der genetische Erzeuger, aber in jeder anderen Hinsicht der Vater des Kindes.“ Simone fürchtete am Anfang, dass Martin es zu einfach macht. Und dann blieb da noch das Problem des Umgangs. Soll man dem Kind erzählen, wie es erzeugt wurde?
Doch dann hat Simone eine Dokumentation im Fernsehen gesehen, bei der Kinder von Samenspender darüber berichten, wie sehr es sie verletzt hat, dass ihre Herkunft ein Familiengeheimniss war. Experten gehen davon aus, dass 90 Prozent aller Samenspenderkinder nie erfahren, dass der Vater nicht der leibliche ist. Die TV-Dokumention war ein Plädoyer für Aufklärung. Und überzeugte Simone. „Wir würden unser Kind aufklären und ihm sagen, wie sehr wir es uns gewünscht haben.“
Doch nachdem sich das Paar einig war, sollte es noch ein langer Weg bis zum Kind sein. Simone und Martin besuchten eine Kinderwunschpraxis, machten ein Seminar und beschäftigten sich immer mehr mit dem Thema. „Die absolute Anonymität der Spender war mir unheimlich,“ berichtet Simone. Die Praxis gibt einen Tipp für eine renommierte Samenbank. Hier werden die Dokumente aufbewahrt. „Ich wollte, dass unsere Kind zumindest theoretisch herausfinden kann, wem es seine biologische Herkunft verdankt,“ sagt Simone.
Offenen Samenspenden – bei denen die Eltern den Spender kennen, sind in Deutschland nicht üblich. Gängige Praxis ist die Spende eines Unbekannten, der lediglich seinen Samen abgibt und keinen Kontakt zum entstanden Kind bekommt. Ein Thema, das in Fachkreisen diskutiert wird – viele Psychologen halten es für Kinder von Samenspendern für wichtig, den Erzeuger zu kennen. Aber Juristen sehen vor allem Probleme bei Fragen wie Erbrecht und Unterhaltspflicht auf die Samenspender zukommen.
Simone und Martin haben sich bei der bundesweit bekannten Samenbank gut beraten und aufgeklärt gefühlt. „Ich hatte ein bisschen Angst, dass ich so einen Katalog mit Männern zu sehen bekomme und einen aussuchen soll,“ sagt Simone und lacht.
Die Auswahl des Spenders wird von der Samenbank getroffen, geachtet wird auf eine möglichst enge Ähnlichkeit zum sozialen Vater bei Augenfarbe, Haarfarbe und Statur. Sogar auf den Beruf und Interessen wird als Auswahlkriterium zurückgegriffen.
Doch obwohl der geeignete Spendersamen schnell gefunden war, wurde Simone nicht schwanger. Sieben Versuche einer Insemination scheiterten. „Jedes Mal bekam ich Hormone und jedes Mal hatte ich das Gefühl, dass ich ein Kind verlor,“ sagt Simone. Doch aufgeben wollte sie nicht. Eine IVF sollte helfen. Die Eizelle von Simone wurde im Reagenzglas befruchtet und dann eingesetzt. Mit Erfolg!
Simone und Martin konnten es gar nicht glauben. „Zwei Jahre lang ging es nur darum, schwanger zu werden. Und plötzlich war es soweit. Mit dem Schwangersein selbst hatte ich mich noch nie wirklich beschäftigt.“ Martin war von Anfang an dabei. Streichelte den immer runder werdenden Bauch und besuchte zusammen mit Simone einen Geburtsvorbereitungskurs. „Ich fühlte mich genauso als werdender Vater, wie die anderen Männer.“
Die Schwangerschaft war unkompliziert. „Ich spürte unser Baby immer mehr. Manchmal habe ich natürlich Angst gehabt, dass Martin sich vielleicht nicht wirklich als Vater fühlt. Aber dann kam er mit irgendwelchen merkwürdigen Einkäufen für den Kleinen nach Hause und merkte seine Vorfreunde.“
Heute ist Felix vier Jahre alt. Ein kleiner Wirbelwind, der das Leben seiner Eltern gründlich auf den Kopf gestellt hat. „So viele Bedenken haben sich in Luft aufgelöst. Ich dachte, dass das Stillen für meinen Mann schwierig ist, dass er sich vielleicht durch so viel Nähe zum Kind ausgeschlossen fühlt.“ Aber Felix wollte gar nicht gestillt werden. Glücklich saugte er an der Flasche und wurde von beiden Eltern abwechselnd gefüttert.
Felix weiß, dass seine Eltern ihn sich ganz besonders gewünscht haben. Das Buch „Die Geschichte unserer Familie“ von Petra Thorn hat bei der Aufklärung geholfen. „Leicht fiel es mir nicht, es ihm zu sagen, dass wir einen „netten Mann“ brauchten, damit er geboren werden konnte. Aber Felix findet das so selbstverständlich, dass er bis heute nie weiter gefragt hat.
„Das wird sicher noch kommen. Vielleicht bald, denn ich bin wieder schwanger,“ berichtet Simone. Wieder vom gleichen Samenspender. „Wir hatten Glück, das er noch immer in der Kartei der Samenbank war, wir fanden die Idee schön, dass die beiden Kinder richtige Geschwister sind,“ sagt Simone. Und Martin fügt hinzu: „Irgendwo lebt ein Mann, der geholfen hat, dass sich unser Traum vom Familienglück erfüllen konnte. Und wenn ich ihn auf ein Bier einladen könnte, das wäre eigentlich das Mindeste. Elternsein ist für uns das größte Glück.“
* Namen auf Wunsch geändert
Bild:  © juhansonin- flickr.com

1 Gedanke zu „Samenspende – doch noch ein Baby!“

  1. Etwa 2016/2017 las ich über zwei Samenspender (beide kennen sich nicht), die jeweils ÜBER sieben-
    hundert Nachkommen haben. Und in der nächsten Generation heiraten sich unbewußt Halbgeschwis-
    ter!–Wenn ich dazu noch einen Samenspender aus dem Mainzer Raum erinnere, der 25 oder 30 Jah-
    re lang seinen Samen REGELMÄSSIG anbot, so müßte dieser sogar schon über 1000 Nachkommen
    haben und von einem „Trinkgeld“ ganz gut leben können.–Und an die Kinder ohne Papa denkt nie-
    mand?? Und soll später alles untereinander verwandt/verschwistert sein? Arme Kinder! Es hat schon
    einen Sinn, wie die Natur oder Gott alles eingerichtet hat: 1 Mann + 1 Frau. Diese sollen dann auch
    die Kinder zusammen erziehen.–Unfruchtbare sollen halt auf Kinder verzichten. MAN KANN NICHT
    ALLES IM LEBEN HABEN. Wir müssen nicht Gott spielen. IMMER an die Kinder denken!

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