Ein Baby? Das kam für Julia nicht in Frage. Gemeinsam mit ihrem Freund lebte sie für ihre Hunde und gemeinsam fuhren sie fast jedes Wochenende zu Turnieren. Doch Julia hatte Probleme mit der Pille und auch mit der Spirale. Da sie so sicher war, dass Kinder in ihrer Lebensplanung nicht vorkommen, riet ihre Frauenärztin zu einer Sterilisation. Julia war 27 Jahre alt, als ihre Eileiter durchtrennt wurden. Zwei kleine Schnitte, die sie zunächst nicht bedauerte.
Doch dann lernte ihr Partner eine andere Frau kennen und verließ Julia nach 11 Jahren Beziehung. Julia blieb allein mit ihrer Hündin – aber nicht sehr lange. Denn sie lernte ihren späteren Mann Timo im Internet kennen. „Wir merkten sofort, dass es eine außergewöhnliche und innige Beziehung werden würde. Es stimmte einfach alles zwischen uns.“ Schon nach ein paar Wochen zog Timo zu Julia – mit seinem Hund und zwei Katzen vom hohen Norden in den Südwesten Deutschlands.
Vier Jahre lang fehlte dem Paar nichts. Ein gemeinsamer Urlaub in ein kleines Ferienhäuschen nach Dänemark sollte das Glück krönen. „Alles war so perfekt“, erzählt Julia. Und an einem besonders romantischem Abend bei einem Glas Rotwein auf der Terrasse fragte Julia Timo, ob er sich vorstellen könne, mit ihr ein Kind zu bekommen. „Er war total überrascht und erinnerte mich sofort an meine Sterilisation.“ Aber von der Idee eines gemeinsamen Kindes war er auch begeistert.
Julia hatte schon einmal davon gehört, dass eine Sterilisation rückgängig zu machen sei
Gleich am nächsten Tag vereinbarte sie per Handy einen Termin bei ihrer Frauenärztin. Kaum war sie wieder zu Hause, suchte sie Rat im Internet. Und sie fand ein Forum, das ihr half www.das-refiforum.de. Sie war erstaunt, dass ihr Wunsch nach einer Familie und dem Bedauern der Operation gar nicht so selten war. Im Forum fühlte sie sich willkommen mit ihren Fragen. Rasch fand sie auch heraus, dass die Frauen dort vor allem die Spezialisten der Universitätskliniken von Magdeburg und Duisburg empfahlen.
Dann kam der Termin bei ihrer Frauenärztin. „Ich rechnete eigentlich mit solchen Sprüchen wie: ‚Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen’. Doch die Ärztin hatte viel Verständnis. Und machte mir auch keinerlei Vorwürfe. Im Gegenteil. Sie sagte. „Ihr Leben war damals halt ein anderes und nun hat sich alles für sie geändert.“ Sie versprach Julia ihre volle Unterstützung und riet zu einer OP bei einem Spezialisten.
Mittlerweile hatte Julia Kontakt zur Uniklinik aufgenommen. Sie bekam recht bald einen Termin. Für die Kosten der OP – immerhin 2500 € – nahmen Timo und Julia einen Kleinkredit auf. „Das war uns das eigene Kind auf jeden Fall wert.“
Gut 600 Kilometer musste Julia zur Klinik reisen. Drei Tage blieb sie dort, erst zum persönlichen Vorgespräch, dann zur OP und dann zur Nachversorgung. „Meiner Familie, die nichts von der Sterilisation wusste, erzählten wir, dass eine größere Gebärmutter-OP durchgeführt würde.“
Im November 2008 war der große Tag
Da Timo keinen Urlaub bekam, fuhr Julia alleine mit dem Zug. Die Sterilisation war sechs Jahre her – wenn der Eingriff erfolgreich wäre, hätte sie die gleichen Chancen wie alle anderen 33-jährigen Frauen schwanger zu werden.
Und dann war es soweit. „Der Professor sagte mir, dass jetzt einer Schwangerschaft nichts mehr im Wege stehen würde.“ Auch die Frauenärztin vor Ort fieberte jeden Monat mit. Am 28.04.2009 war es soweit – Julia hielt einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. „Das war ein so unbeschreibliches Gefühl!“
Im Oktober 2009 heirateten Timo und Julia. Und kurz vor Weihnachten wurde ihr Sohn in der 37. Schwangerschaftswoche spontan geboren.
Julia und Timo waren überglücklich. So sehr, dass sie dieses Glück verdoppeln wollten. Ein Jahr wollten die beiden erst abwarten, sechs Monate lang nahm Julia die Pille. Dann fragte Timo, ob sich Julia sicher sei, weiter verhüten zu wollen? Und zwei Monate später war Julia wieder schwanger!
„Jetzt sind wir in der 31. SSW und können unser Glück kaum fassen. Laut Ultraschall wird es dieses Mal ein Mädchen. Dass ich wirklich noch eine Familie haben durfte, kann ich oft noch gar nicht fassen. Ohne die Spezialisten wäre das nie möglich gewesen“, sagt Julia und streichelt ihren Babybauch mit einem Lächeln.
Refertilisierung bei der Frau ? Interview mit Herrn Prof. Dr. Jürgen Kleinstein, Direktor der Universitätsklinik für Reproduktionsmedizin Magdeburg, einem der wenigen Spezialisten für diesen Eingriff in Deutschland. |
liliput-lounge.de: Wie häufig ist es, dass Frauen eine Sterilisation rückgängig machen möchten?
Prof. Dr. Kleinstein: Darüber gibt es Erhebungen, etwa 3 Prozent aller Frauen, die eine Sterilisation machen ließen, bereuen diesen Eingriff. Etwa 1 Prozent möchte das auch aktiv rückgängig machen.
Was können die Gründe sein?
Bei den meisten Frauen hat sich die Lebensplanung geändert, oft haben sie einen neuen Partner kennen gelernt. Es gibt auch Frauen, die noch den gleichen Partner haben, dann aber eben doch noch einen Kinderwunsch haben. Und es gibt Frauen, die sich nach einer Sterilisation mit ihrem Körper nicht wohlfühlen.
Ist eine Refertilisierung – ist das ein häufiger Eingriff?
Nein, häufig ist das nicht. Wir sind eine der wenigen Universitätskliniken, die sich spezialisiert haben und führen etwa 50 Refertilisierungen im Jahr durch.
Gibt es Alternativen zu dieser Operation?
Ja, Frauen die sterilisiert sind, könnten auch eine künstliche Befruchtung machen lassen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten schlechter und die Kosten höher.
Wie teuer ist denn eine Refertilisierung und wie hoch ist die Chance danach schwanger zu werden?
Eine Sterilisation ist eine sehr persönliche Entscheidung und keine Leistung der Kassen. Entsprechend ist auch die Refertilisierung etwas, zu dem die Sozialgemeinschaft nicht beitragen kann. Es gibt wenige Ausnahmen, etwa nach Krebserkrankungen.
Im Regelfall fallen Kosten von 2500 Euro an, die verteilen sich auf die Beratungsgespräche, Laborkosten, die Anästhesie, die Arztkosten und die stationäre Betreuung. Nach der Operation sind die Erfolgsaussichten bei 90 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden ist natürlich auch vom Alter der Frau abhängig, wie eben bei jeder anderen Frau mit Kinderwunsch auch.
Wie genau funktioniert denn der Eingriff?
Bei einer Sterilisation die Eileiter durchtrennt. Bei der Refertilisierung werden die getrennten Enden der Eileiter wieder miteinander verbunden. Es gibt verschiedene Operationstechniken, wir arbeiten mit einem Schnitt in der Bauchdecke, das ist am erfolgreichsten. Der Eingriff erfolgt unter Vollnarkose, zunächst wird mit einer Bauchspiegelung geklärt, wie das Gewebe aussieht. Wichtig ist, dass die Eileiter nicht zu kurz sind und die Fimbrientrichter am Ende des Eileiters, die die Eizelle auffangen, vorhanden sind.
Der Bauchschnitt selbst wird so gemacht, dass er im Schamhaar versteckt werden kann. Unter dem OP-Mikroskop sehen wir alles sehr gut und mit feinsten Fäden werden dann die Eileiter wieder zusammengebraucht. Nach der Operation sind die Eileiter wieder durchgängig.
Kann denn jede Sterilisation rückgängig gemacht werden?
Wie gesagt, kommt es auf die Länge und den Zustand der Eileiter an. Wir testen auch mit Hilfe des Anti-Müller-Hormons, einem Marker, der Aufschluss über die Fruchtbarkeit gibt. Sieht dieser AMH-Wert zu schlecht aus, ist von der OP abzuraten.
Worauf sollten Betroffene achten, wenn Sie sich operieren lassen möchten?
Sie sollten sich auf jeden Fall sehr gut informieren. Das Internet ist dafür eine gute Quelle. Auf jeden Fall sollte man sich erkundigen, ob hinter dem behandelndem Fachmann eine Klinik steht und wie viel Erfahrung er in diesem Bereich hat.
Wir danken Ihnen für das Gespräch!
Bild:© kycstudio für istockphoto.com
Weitere Informationen zum Thema: www.das-refiforum.de/
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