Diagnose: PCOS

Das PCO-Syndrom ist die meist diagnostizierte weibliche Hormonstörung. Die Erkrankung gilt als die häufigste Ursache für Unfruchtbarkeit…

Ein Jahr der Hoffnung. Und der Enttäuschung. Als Andrea Vagt (34) nach zwölf „Übungsmonaten“ immer noch nicht schwanger war, ging sie zu ihrem Frauenarzt. Der untersuchte sie lange und stellte viele Fragen. Ein Hormontest bestätigte seinen Verdacht: Andrea leidet unter dem Polyzystischen Ovarialsyndrom, kurz PCOS.
Als Teenager quälten sie eine schweren Akne und üble Menstruatîonsprobleme, und schon damals sagte ihr ein Arzt, sie habe ein Hormonproblem. Dass sie deswegen die Pille als Medikament bekam, fand sie recht praktisch. Aber sie dachte nie wirklich darüber nach. „Wahrscheinlich haben sie gar keinen Eisprung,“ erklärte der Gynäkologe. Er verwies Andrea an eine Kinderwunsch-Praxis. Erschüttert las sie, was auf der Überweisung stand: Infertilität/Sterilität durch PCOS. Andrea bekam Angst.
Wenig Wochen später besuchte sie gemeinsam mit ihrem Mann die Fachärztin. Erneut wurden ihre Hormonwerte untersucht und die Diagnose bestätigt. „Frauen mit PCO können durchaus schwanger werden,“ erklärte die Ärztin. Doch dazu ist zunächst nötig, dass die hormonelle Störung überhaupt erkannt wird. Ohne Hilfe von Medizinern erfüllt sich der Kinderwunsch bei Betroffenen selten.
PCOS – Was ist das?
Polyzystisch bedeutet ”viele Zysten”, damit wird der Zustand der Eierstöcke beschrieben. Diese so genannten “Zysten” der Eierstöcke sind allerdings keine echten Zysten. Es sind viele kleine Eibläschen, die nicht heranreifen und so vorzeitig verkümmern. Dies lässt sich im Ultraschall gut erkennen Wenn Frauen acht oder mehr Follikelzysten mit vermehrten Bindegewebe haben, spricht man von Polyzystischen Ovarien.
Beim PCO-Syndrom (PCOS) handelt es sich nicht um ein einheitliches Krankheitsbild, sondern um verschiedene Symptome, die einzeln oder in Kombination auftreten. Eine Vermehrung von männlichen Hormonen (Hyperandrogenämie) ist immer vorhanden.
Tatsächlich haben fast alle Frauen in irgendeiner Phase ihres Lebens mehrzystische Eierstöcke, ohne gleich die Definitionkriterien der PCO zu erfüllen. Und nur ein Viertel der Frauen mit PCO erkrankt an PCO-Syndrom.
Zum PCO-Syndrom gehören neben dem vermehrten Vorkommen männlicher Hormone:
  • Zyklusstörungen (seltene oder ausbleibende Regelblutung)
  • vermehrte Körperbehaarung (Hirsutismus)
  • Übergewicht
  • unerfüllter Kinderwunsch
  • Veränderungen des Fett- und Kohlenhydratstoffwechsels
  • Akne
  • Haarausfall (Alopzie)
  • PCO-typische Zysten an den Eierstöcken

 

Wie entsteht das PCO-Syndrom?

Die genauen Ursachen des PCOS sind bis heute unklar. Höchstwahrscheinlich wird es durch eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umgebung verursacht.

Ein enger Zusammenhang besteht auf jeden Fall mit der körpereigenen Insulinproduktion. Bei der Diagnose von PCOS wird daher getestet, ob bei der Betroffenen eventuell eine Insulinresistenz vorliegt.

Nachweislich leiden vor allem stark übergewichte Frauen an so einer Insulinresistenz und haben auch sehr oft ein PCO-Syndrom. Nach Schätzungen sind mehr als 50 Prozent der PCOS-Patientinnen übergewichtig. Es ist noch nicht bewiesen, ob das Übergewicht das PCOS auslöst oder das PCOS die Ursache des Übergewichtes ist. Neue Erkenntnisse sprechen sich allerdings dafür aus, dass die Erkrankung dazu führt, dass der Körper Nahrung und Bewegung anders verarbeitet. Eine Studie zeigte, dass normalgewichtige Frauen mit PCOS weniger Kalorien zu sich nahmen als normalgewichtige Frauen ohne PCOS.

Leben mit PCOS ist nicht einfach, die Symptome wie Neigung zu Übergewicht, Haarausfall und Akne belasten auch die Psyche. Hinzu kommt oft die ungewollte Kinderlosigkeit. Eine Untersuchung zeigt, dass die betroffenen Frauen sich deutlich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt fühlen.

 

Schwanger werden trotz PCOS?

Bei Frauen mit PCOS erschweren einige Umstände die Schwangerschaft. Es ist aber durchaus auch möglich, dass sie spontan schwanger werden können.

Die meisten PCOS-Betroffenen haben keinen oder einen unregelmäßigen Menstruationszyklus. Ohne Eisprung gibt es allerdings auch kein Ei, das befruchtet werden kann. Oft liegt auch eine Kapselfibrose, eine Verdickung um den Eierstock, vor. Das Hormonungleichgewicht führt auch dazu, dass sich die Gebärmutterschleimhaut nicht normal entwickelt, so dass eine Einnistung des befruchtungsfähigen Eis erschwert sein kann.

Ist die Ursache für die Probleme erkannt, können Ärzte helfen. Eisprünge können künstlich provoziert werden. Man bezeichnet dies als Ovulationsinduktion. Verwendet werden dazu Medikamente mit Wirkstoffen wie Clomiphencitrat oder Gonadotropine.

Da PCOS ja häufig mit einer Insulinresistenz zusammenhängt, kann auch der Insulinsensitzer Metformin unter Umständen Erfolge in der Behandlung bringen. Es bewirkt eine  Absenkung der männlichen Hormone, sorgt für einen regelmäßigen Zyklus und kann einen Eisprung bewirken.

Betroffenen wird besonders häufig zu einer Gewichtsreduzierung geraten. Dies ist oft sehr schwer. Auf dem deutschen Buchmarkt gibt es keine Literatur zu speziellen PCO-Diäten, es gibt allerdings etliche Publikationen auf Englisch. Hier kann auch ein Austausch mit anderen Patientinnen sehr helfen, es gibt mittlerweile viele Selbsthilfegruppen.

Eine ganz neue Behandlungsform der Unfruchtbarkeit ist die In-Vitro-Maturation (IVM). Anders als bei der IVF ist nur ein eine geringe hormonelle Stimulation nötig. Noch ist diese Methode ganz neu und wird nur in wenigen Kliniken getestet – in etwa fünf Jahren kann sie aber vermutlich PCO-Betroffenen helfen, bei denen die bisherigen Formen der künstlichen Befruchtung durch die Hormonprobleme nicht möglich waren.

Andrea Vagt bekam gonadotropine Spritzen verschrieben. Nach fünf Monaten machte sie eine Behandlungspause – und wurde spontan schwanger. Zwei Jahre später bekam sie ein zweites Kind. „Ich bin heute noch froh, dass ich damals die Diagnose bekam. Ohne die Medikamente hätte mein Körper sicher nie begriffen, wie er einen Eisprung produzieren soll.“