Papas Hormone in der Schwangerschaft

Ein Baby kommt! Und der Papa in spe? Der ist viel mehr als nur ein unbeteiligter Zuschauer. Eine Wissenschaftlerin wollte es genauer wissen und erforschte das männliche Hirn – das steht hormonell nämlich auch Kopf in der Schwangerschaft! Worauf sich Frauen an der Seite eines schwangeren Mannes einstellen sollten… 

Wenn Männer Väter werden, treten sie oft kaum in Erscheinung. Sie dürfen beim Geburtsvorbereitungskurs mitmachen und auch beim Frauenarztbesuch teilnehmen. Aber im allgemeinen Mittelpunkt steht der sich rundende Bauch – und die Mama. Frauen wissen mit dem positiven Schwangerschaftstest, dass sich ihr Leben und ihr Körper in den nächsten Monaten heftig verändern werden.Und Männer?

Die amerikanische Neuropsychiaterin Dr. Louann Brizendine wurde weltweit bekannt für ihre Untersuchung über geschlechtsspezifische Unterschiede in Gehirn, Verhalten und Hormonen. Im Mai erscheint nun bei uns ihr neues Buch „Das männliche Gehirn – Warum Männer anders sind als Frauen“. Sehr detailliert und mit erstaunlichen Fakten schildert sie, wie stark sich die männliche Realität von der weiblichen unterscheidet. Wenn Männer Väter werden, ist dies auch für sie eine körperliche, hormonelle und emotionale Herausforderung. Darauf müssen sich die Frauen an ihrer Seite einstellen.

Die Hormone machen ihn launisch

Wenn Männer erfahren, dass ihre Liebste in anderen Umständen ist, sind sie zunächst meist völlig neben sich. Überglücklich und gleichzeitig nervös, fahrig und launisch. Sie können nichts dafür. Es sind die Hormone, die sie in den ersten zwei Schwangerschaftsmonaten so fertig machen. Wie jetzt? Männliche Hormonumstellung?

Dr. Brizendine erklärt es so: „Wenn ein Baby geplant ist, achten die meisten Frauen ganz intensiv auf ihren Körper und suchen nach ersten Schwangerschaftsanzeichen. Sie achten darauf, was sie essen und trinken – nur für den Fall des Falles.“ Wenn Frauen dann wirklich einen positiven Test in den Händen halten, haben sie oft schon lange darauf gehofft und vielleicht schon erste körperliche Änderungen gespürt – kein Wunder, immerhin steht ihr Hormonhaushalt ja auch Kopf. Aber auch für Männer ist ein positiver Schwangerschaftstest ein Startsignal.

Im ersten Moment fühlen sie sich aber häufig überrumpelt, können es noch nicht fassen. Tatsächlich ändert sich auch ihr Hormonhaushalt, wie Dr. Brizendine nachweisen konnte. Der Testesteronspiegel sinkt und das Prolaktin steigt. In der Pubertät wird ein Jungen-Hirn zum Männer-Hirn. Dank der hormonellen Veränderung wird da männliche Hirn nun zum einem väterlichen Hirn.

Prolaktin ist als das „Milchbildungshormon“ bekannt. Bei Männern bewirkt es eine erhöhte Fürsorglichkeit. Vor der Geburt eines Kindes steigert sich der Hormonwert bei ihnen um enomre bis zu 20 Prozent.

Mama hat einen Babybauch – Papa einen Bierbauch

Reichlich viele Papas in spe legen in der Schwangerschaft einiges an Gewicht zu. Mit einem Augenzwinkern wird das auch gern als „Co-Schwanger“ bezeichnet. Tatsächlich gibt es sogar Männer, denen am Anfang der Schwangerschaft ebenfalls oft übel ist. Auch dies liegt an der hormonellen Umstellung. Und natürlich auch daran, dass werdende Väter öfter zu Hause bleiben, weniger aktiv sind – und scheinbar gern essen. Und das Bier müssen sie einige Monate lang allein trinken.

Nestbauphase – bei Männern oft sehr ausgeprägt

Genau wie schwangere Frauen durchleben werdende Väter eine Nestbauphase. Allerdings möchten sie das Nest meist nicht schön dekorieren, sondern bauen. Geburtsvorbereitung zum Anfassen, sozusagen. „Frauen freuen sich auf kleine kuschelige Wesen, für die sie kleine kuschelige Sachen kaufen möchten. Männer konzentrieren sich eher auf das Bauen und Anschaffen von Ausstattung,“ erklärt Dr. Brizendine. Kinderwagen, Babybett oder neue Familienkutsche? Hier fühlen sich Väter in spe in ihrem Element, auch im 21. Jahrhundert.

Papas sind wehrlose Opfer

Das Schreien eines Neugeborenen ist eines der Geräusche, die für die Ohren eines erwachsenen Menschen besonders schlimm klingen. Sofort abstellen, signalisiert uns das Hirn. Auch wenn Mütter noch sensibler reagieren, auch Väter sind besonders empfänglich für das Weinen  ihres Kindes – das hat die Natur so eingefädelt, damit Papa als B-Mannschaft einspringen kann, wenn Mama ausfallen sollte.

Um die meisten Männer ist es schon beim ersten Blick auf die winzige Nase und ein zerknautsches Gesicht geschehen. Väter sind vor lauter Liebe zu ihren Neugeborenen oft überwältigt. Nicht nur ihr Hören wird besser, alle Sinne sind verschärft, Hirnaktivitäten wie bei Frischverliebten können gemessen werden. „Das gleiche Hirn, dass sich am Sonntag intensiv mit nichts anderem als einem Fußballspiel beschäftigen kann, beschäftigt sich nun komplett mit dem Baby,” so Dr. Brizendine.

Mutter und Kind sind oft eine Einheit. Doch auch Väter und Kinder können eine enge Bindung entwickeln. Nicht nur die Hormone sorgen dafür, auch die Mütter müssen lernen, sich zurückzuhalten. Denn Väter müssen nicht immer kritisch beobachtet werden. „Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Väter anders verhalten, wenn Mütter nicht gucken oder nicht da sind,“ erklärt Dr. Brizendine. Papa wickelt anders, hält das Kind anders – und Babys lieben diesen Unterschied.  Und wenn Vater und Kind ordentlich herumtoben, reduziert sich vielleicht auch Papas Bauch wieder ein wenig.
 

Louann Brizendine, Sebastian Vogel: Das männliche Gehirn – Warum Männer anders sind als Frauen. Hoffmann und Campe, Mai 2010, gebunden, 20,00 €

Foto: © Scott Griessel für istockphoto.com