Papakind – Papa bevorzugt

Sobald Papa zu Hause ist, ist Mama abgeschrieben. Nur noch der Vater darf Anouk (2) in den Arm nehmen. Mutter Stefanie ist ziemlich unglücklich darüber. Was tun, wenn Kinder ein Elternteil bevorzugen?

Jeden Abend das gleiche Spiel. Sobald Anouk (2) hört, dass sich die Haustür öffnet, rennt sie los und wirft sich ihrem Papa in die Arme. Und da bleibt sie dann auch den Rest des Tages. Nur Papa darf sie beim Abendbrot füttern, die Gute-Nacht-Geschichte lesen und sie zudecken.

„Das tut echt weh,“ sagt Mutter Stefanie (32). Den ganzen Tag ist sie mit ihrer Tochter zusammen, bis vor kurzem war das auch harmonisch. „Und nun sagt sie immer, dass ich weggehen soll. Sie will nur zu Papa.“ Stefanie fühlt sich verletzt und wie das dritte Rad am Wagen. „An Wochenenden ist es ganz schlimm. Die beiden toben und lachen und ich putze die Wohnung.“

Auch die Eltern des dreijährigen Tom haben das Gefühl, dass irgendetwas nicht mehr stimmt. Tom will sich nur von Papa waschen lassen, will die Mutter mit ihm Ball spielen, brüllt er, es sei alles falsch. „Wir Männer brauchen dich gar nicht,“ sagte er. Der Satz war es, der seine Eltern dazu brachte, sich an eine Erziehungsberatung zu wenden.

Wieviel Papakind darf sein?

Jeder kennt es, dass man in bestimmten Situationen einen Ansprechpartner bevorzugt. Bummeln mit der Mutter ist einfach lustiger, beim Autokauf ist der Vater der bessere Ratgeber. Aber wie ist das bei kleinen Kindern, wieviel Papakind darf sein? Und wieso grenzen sich Kinder plötzlich von einem Elternteil so stark ab?

Papakind oder Mamakind? Was wenn Kinder einen Elternteil bevorzugen? (©Thinkstock)
Papakind oder Mamakind? Was wenn Kinder einen Elternteil bevorzugen? (©Thinkstock)

Die vierfache Mutter und Buchautorin Gerlinde Unverzagt kennt das Phänomen des Papakindes. „Was viele Mütter besonders erbost, ist das leichte Spiel, das der Partner bei den Kindern hat.“ Kinder, die unter der Woche auf bestimmte Bitten mit Wutanfällen reagieren sind Samstag plötzlich wie ausgewechselt. „Mit Papas freundlichem „Lass mich mal“ geht plötzlich alles wie geschmiert. Dieselben Handgriffe, dieselben Worte, dasselbe Anliegen – ein grundverschiedenes Kind.“

Die besondere Bindung an die Mutter macht Abgrenzung nötig

Es muss keinen bestimmten Anlass geben, dass ein Kind ein Elternteil plötzlich ablehnt, im Gegenteil, oft ist die Abgrenzung nötig. Gerade Kinder, die eine ganz besondere Bindung an die Mutter spüren, streben nach Unabhängigkeit. Psychologen nennen diesen Entwicklungsschritt, wenn aus der Zweisamkeit eine Dreierbeziehung wird Triangulierung. „Aus der engeren Bindung zur Mutter muss man sich am heftigsten losstrampeln, losboxen, losschreien. Und im nächsten Moment wieder auf Mamas Schoß klettern. Um aufzutanken, “ so Gerline Unverzagt.

Kinder identifizieren sich mit ihren Eltern

Einige Kinder lösen sich eher unauffällig aus der engen Zweierbeziehung zur Mutter, wechseln häufiger die Seiten und sind mal Mamakind, mal Papakind. Natürlich spielt auch die gesamte Familienkonstellation eine Rolle. Kommen Geschwister hinzu, orientiert sich das ältere Kind erst recht am Vater. Mädchen vergleichen sich viel mehr mit der Mutter, sie ahmen sie nach und rivialisieren gleichzeitig mit ihr um die Gunst des Vaters.

Kleine Jungen identifizieren sich viel stärker mit ihrem Vater und suchen den Kontakt, um herauszufinden, wer sie selbst sind. Gerlinde Unversagt nennt dies den „Vaterhunger“, der bei Jungen zwischen drei und sechs Jahren oft besonders heftig ausbricht.

Für Mütter ist diese Phase oft schwierig. Vor allem, wenn sie so ausgeprägt ist, dass der Nachwuchs sie heftig abweist. Anouks und Toms Eltern haben sich beraten lassen. Anouks Eltern teilen sich jetzt Haushalt und tolle Unternehmungen mehr. Denn wenn einer nur putzt und der andere die Rolle des tollen Unterhalters hat, sind Konflikte und Unzufriedenheit vorprogrammiert. Toms Mutter ist deutlich geworden, dass ihr Sohn sich abgrenzt und sich auch in seiner Geschlechterrolle finden muss. „Ich hoffe, dass sich die Phase auch wieder normalisiert,“ sagt sie hoffnungsvoll.