Und schon wieder wurde eines der Rätsel der Natur von findigen Forschern gelöst: Wie finden Spermien eigentlich ihren Weg? Ist irgendwo ein winziges Hinweisschild „Hier lang“ oder ist völliger Zufall, dass sie die Eizelle finden? Muss eine Frau mit Kinderwunsch irgendwie die Schwerkraft austricksen, damit die kleinen Dinger auch da ankommen, wo sie ankommen sollen? Liegen blieben oder die Beine hoch legen?
Forscher aus Bonn haben entdeckt, dass das weibliche Sexualhormon Progesteron wie ein Navi für Spermien ist. Das weibliche Geschlechtshormon Progesteron wird in den Eierstöcken gebildet und zwar vor allem im sogenannten Gelbkörper – und es weist den Spermien den richtigen Weg. Wenn die Spermien in die Vagina ankommen, bildet das weibliche Progesteron einen Ionenkanal, durch den positiv geladene Kalzium-Ionen strömen. So wird die Aktivität der Spermien verstärkt und sie steuern in Richtung der Eizelle.
Die befruchtungsreife Eizelle wird von Zellen umgeben, die zusätzliches Progesteron produzieren und die Rezeptoren der Spermien anlocken. Durch sie verändert sich das Schlagmuster des Spermienschwanzes, der auch als Geißel bezeichnet wird, und mit dem sich das Spermium fortbewegt.
Dieser besondere Navi ist medizinisch von großer Bedeutung
Benjamin Kaupp der Leiter des Forscherteams am Center of Advanced European Studies and Research (Caesar) erklärt, dass schon lange bekannt war, dass Spermien nicht zufällig auf die Eizelle treffen. Auch die Anziehungskraft des Progesterons war bekannt. Neu ist jedoch die Entdeckung des Ionenkanals, der den Namen CatSper-Kanal bekommen hat. „Dass Progesteron die CatSper-Kanäle aktiviert, ist auch medizinisch von großer Bedeutung“, sagt Kaupp.
Neurobiologen aus internationalen Forschungsteams sind dabei, die Zusammensetzung und Auswirkung des Kanals weiter zu erforschen. Polina Lishko und ihre Kollegen aus Kalifornien konnten herausfinden, wie die Aktivität im CatSper-Kanal gemessen werden kann. Ihre Studien belegen auch, dass Spermien, die nicht in den Kanal kommen, hyperaktiv werden und ihr Ziel nicht finden.
Die Entdeckung könnte unklare Unfruchtbarkeit erklären
Das Forschungsteam hofft sehr, dass die Erkenntnisse dabei helfen können, Ursachen von Unfruchtbarkeit genauer erforschen zu können. Denn wenn die Spermaqualität und Beweglichkeit eigentlich gut ist, eine Schwangerschaft aber trotzdem ausbleibt, kennen Fachleute bis heute die Ursache nicht. Eine Erklärung könnte nun der CatSper Kanal liefern.
„Es ist möglich, dass einige Eizellen nicht genug Progesteron produzieren oder dass einige Spermien nicht so empfänglich für das Progesteron sind wie andere“, erklärt Kaupp im Magazin „Nature“.
Die Forscher sehen allerdings keinen Bedarf an einer medizinischen Lösung, da die Fortschritte in Kinderwunschverfahren wie IVF rasant sind. Die Wissenschaftler konzentrieren sich daher eher darauf, den CatSper Kanal blockieren zu können – um so ganz neue Formen der Verhütung entwickeln zu können.
Dass eine Gelbkörperschwäche, also ein Mangel an Progesteron, dazu führen kann, dass eine Schwangerschaft ausbleibt, ist bekannt. Viele Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch haben hier eine Störung, sie gilt als Hauptursache für weibliche Unfruchtbarkeit. Wenn sie bekannt ist, kann eine Gelbkörperstörung von Fachärzten heute sehr gut behandelt werden. Angeregt werden kann die Progesteronproduktion durch die Gabe von künstlichen Hormonen oder homöopathischen Präparaten.
Was bedeuten die Forschungsergebnisse für Paare mit Kinderwunsch?
Wenn ein Paar sich ein Baby wünscht, dann beginnt häufig das „Üben“. So länger der Nachwuchs auf sich warten lässt, desto intensiver verspüren die betroffenen Paare auch Druck. Aber erst nach einem Jahr erfolgloser „Hibbel-Zyklen“ werden beide Partner auf ihre Fruchtbarkeit untersucht. Bis dahin gibt es viel kluge oder weniger kluge Ratschläge.
Häufig wird etwa die Missionarstellung empfohlen, da so die Spermien schneller auf den richtigen Weg kommen sollen. Frauen mit Kinderwunsch sollten sich ein Kissen unter den Po schieben und die Beine nach dem Sex sofort hochheben zu einer „Kerze“. Dass die Natur einen Navi eingebaut hat, das zeigt, dass diese Dinge eventuell Ammenmärchen sind. Also darf der Sex auch beim Babymachen wild und leidenschaftlich sein, und vor allem Spaß bringen – wenn beide ihren Höhepunkt hatten, findet das Sperma schon seinen Weg. Und zwar mit Hilfe des weiblichen Spezial-Navis!
Quellen: Strünker, T. et al. Nature 471, 382-386 (2011),Lishko, P. V., Botchkina, I. L. & Kirichock, Y. Nature 471, 387-391 (2011).
Bild: © xyno für istockphoto.com
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