Mehr Rechte für ledige Väter

Sind Eltern nicht verheiratet, darf bisher die Mutter entscheiden, ob sie das Sorgerecht mit dem Vater teilen möchte. Diese deutsche Rechtslage hat der Europäische Gerichtshof nun verurteilt.
Mütter ohne Trauschein haben gegenüber verheirateten Müttern in Deutschland bisher einen Vorteil: Sie müssen das Sorgerecht nicht teilen. Auch wenn der Vater die Vaterschaft anerkannt hat und Umgang und Unterhalt geregelt sind. Wenn Mütter nicht wollen, dürfen Väter für ihre Kinder zahlen und haben auch einen Anspruch auf Umgang – aber eben nicht auf das Sorgerecht.
 
Das gemeinsame Sorgerecht haben nur verheiratete Väter automatisch – ledige Väter erhalten es nur, wenn es eine gemeinsame Sorgerechtserklärung gibt. Möchte die Mutter diese Erklärung nicht unterschreiben, hat der Vater keine Möglichkeit, das Sorgerecht zu erhalten. Das deutsche Gesetzt räumt somit ledigen Müttern eine starke Stellung ein.
 
Urteil: Die deutsche Rechtslage diskriminiert Väter
 
Und genau diese Vormachtstellung der unverheirateten Müttern verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, so urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Denn Väter würden durch die deutsche Rechtslage diskriminiert.
 
Das deutsche Bürgerlichen Gesetzbuch sieht vor, dass ledige Mütter zunächst das alleinige Sorgerecht haben. Das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich 2003 mit der Problematik, befand allerdings, dass die Rechtslage nicht dem Grundgesetz widerspricht. Das Gericht erklärte, dass man davon ausgehen könne, dass Mütter sich immer für das Kindeswohl entscheiden werden und einem Wunsch des Vaters auf gemeinsame Sorge sich kaum verweigern würden. Eine Möglicheit des Machtsmissbrauchs sah das Gericht nicht.
 
Doch die Realität sieht anders aus. Geklagt hatte ein Kölner Musiker und Vater eine 14jährigen nichtehelichen Tochter. Drei Jahre nach der Geburt hatte sich das Paar getrennt, beide Elternteile lebten in getrennten Wohnungen im gleichen Haus, und die Tochter lebte abwechselnd in beiden Haushalten. Die Mutter hat aber das alleinige Sorgerecht. Dem Vater genügte das nicht, er wollte die gleiche Verantwortung tragen, mit über Schulwahl oder nötige Operationen bestimmen. Doch die Mutter weigerte sich.
 
Zu Unrecht, wie der Gerichtshof für Menschenrechte, der von den 47 Staaten des Europarats getragen wird, urteilte. Auch wenn die Mutter nicht einverstanden sei, sei das gemeinsame Sorgerecht nicht gegen das Wohl des Kindes. Denn dies haben ja auch geschiedenen Eltern – nur in schweren Streitfällen kann ein Gericht die Sorge nur einem Elternteil zusprechen. Dass unverheiratete Väter keinerlei Möglichkeiten haben, Rechtsmittel einzulegen, hielt der Gerichtshof für Diskriminierung. Nun muss der deutsche Gesetzgeber handeln und die Rechtslage änderen.
 
Eine neue Reglung wird kommen
 
Der Straßburger Gerichtshof hat keine Frist gesetzt. Vieles spricht dafür, dass die Bundesregierung sich viel Zeit lassen wird mit einer Neureglung, die sie eigentlich nicht will. Noch vor einem Jahr hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärt, dass sie die Vetoposition der Mütter für richtig hält. Nach dem Europa-Urteil teilte das Justizministerium mit, dass nun eine wissenschaftliche Untersuchung über nichteheliche Elternpaare in Auftrag geben worden sei und man erst einmal alle Möglichkeiten abklären wolle.
 
Prof. Dr. Ulrich Mueller, Vorsitzender von „Väteraufbruch für Kinder e.V“ kritisiert diese Haltung und hofft nach dem Urteil auf eine schnelle Reform. „Die Zeit von kleinen Nachbesserungen ist vorbei“, erklärt er. „Jetzt brauchen wir den großen Wurf!“ Erklärtes Ziel der Organisation: eine Sorgerecht nach französischem Vorbild. Wenn der Vater innerhalb eines Jahres die Vaterschaft anerkennt, hat das Paar das gemeinsame Sorgerecht. Dagegen kann die Mutter allerdings Widerspruch einlegen.
 
„Das Urteil ist klug,“ meint Edith Schwab, Bundesvorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter. Denn tatsächlich hätte das bisherige Recht Väter diskrimiert und müsse nachgebessert werden. Das Beispiel Frankreich hält sie allerdings für schlecht, wie sie in einem Interview der taz erklärt. Sie kenne französische Beispiele, wo Väter ihre Vaterschaft dazu nutzen, um Mütter zu schikanieren. „Anders als bei ehelich geborenen Kindern ist die Bandbreite der Beziehung zum Vater bei unehelichen Kindern eben sehr groß,“ sagt Schwab. Viele Väter hätten überhaupt kein Interesse an dem Sorgerecht und es müsse immer Einzelfallentscheidungen geben.
 
Wie beurteilen ledige Mütter eine Neuregelung des Sorgerechts?
 
Anke Schwiers (36) aus Hamburg lebt seit zehn Jahren mit ihrem Partner zusammen, das Paar hat zwei gemeinsame Kinder – und keinen Trauschein. „Für mich war es selbstverständlich, dass wir ein gemeinsames Sorgerecht haben. Meine Kinder sind damit ehelichen Kindern völlig gleichgestellt. Sollten wir uns einmal trennen, müssen wir uns eben wie alle anderen Geschiedenen einigen.“ Hat sie die Entscheidung je bedauert? „Nein, ich finde, dass Paare, die zusammenleben und sich zusammen um die Kinder kümmern auch automatisch das Sorgerecht bekommen sollten. Schön wäre es dann allerdings, wenn Familien ohne Trauschein auch steuerlich endlich gleichgestellt werden. Vielleicht klagt da jetzt auch mal jemand?“
 
Für Manuela Keil (27) ist ein gemeinsames Sorgerecht keine Frage. „Der Erzeuger meiner Tochter hat uns während der Schwangerschaft verlassen,“ erzählt sie. Die Vaterschaft hat er zwar anerkannt, doch den Unterhalt für die heute Zweijährige habe sie einklagen müssen. „Ein bisschen mulmig wurde mir schon, als ich das mit Urteil las. Er meldet sich zwar nie bei uns, aber könnte er demnächst irgendwann in der Tür stehen und mitbestimmen, welche Kita die richtige ist und der Alltag meiner Tochter aussehen soll?“
 
Wahrscheinlich nicht. Denn Väter, die sich nicht kümmern haben meist auch keine rechtliche Handhabe. So wird es jedenfalls in anderen Ländern längst praktiziert. Ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt, dass das gemeinsame Sorgerecht für Ledige kein wirkliches Problem ist. Nur in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein gibt es ein Vetorecht der Mutter gegenüber einer geteilten Sorge.
 
Gemeinsames Sorgerecht bedeutet auch gemeinsame Sorgepflicht
 
Für unverheiratete Mütter hat ein gemeinsames Sorgerecht auch viele Vorteile: Es bedeutet nun einmal auch gemeinsame Sorgepflicht. Traurige Realität ist, dass viele Väter – trotz gemeinsamen Sorgerechts – nach einer Trennung weniger Verantwortung übernehmen. Wenn sich das ändert, ist das nur zum Wohle des Kindes und zur Entlastung von alleinerziehenden Müttern. Wenn zwei Menschen aus Liebe ein Kind bekommen, sollten beide dafür verantwortlich sein.
 
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