Ob Heidi Klum oder Nicole Kidman: Die Stars haben in der Schwangerschaft ein kleines Kugelbäuchlein und sind schon zwei Wochen nach der Geburt wieder gertenschlank. Ob es die Vorbilder sind oder ein stärker werdender Schlankheitswahn – Experten warnen vor immer mehr Essstörungen in der Schwangerschaft. Und nicht nur Frauen, die bereits vorher ein Problem mit Bulemie oder Magersucht hatten, sind betroffen.
Janina Herder (32)* ist ein bisschen mollig. „Mein Baby war ein Wunschkind. Aber am Anfang der Schwangerschaft war mir ständig übel,“ erzählt sie. „Ich habe in den ersten 12 Wochen etwa fünf Kilo abgenommen. Und irgendwie war das auch ein gutes Gefühl. Die Hormone stellen sich eben um und ich wurde schlanker.“ Sie isst normal und mus manchmal spucken. „Was da mit meinem Körper geschah, war mir unheimlich. Ich konnte das nicht kontrollieren. Ich hatte wahnsinnige Angst 30 Kilo zuzunehmen, wie meine Freundin.“

Als die Übelkeit nachlässt, beginnt Janina mit Laufen. Jeden Tag ein paar Kilometer, immer mehr. „In der 20. Schwangerschaftswoche wog ich immer noch fünf Kilo weniger als vor der Schwangerschaft. Darauf war ich stolz.“ Alle Alarmsignale ignoriert sie. Es ist der Frauenarzt, der sie mit der Wahrheit konfrontiert: „Sie essen nicht genug. Ihr Baby bekommt nicht ausreichend Nährstoffe und ist zu klein für sein Alter. Ich glaube, Sie brauchen Hilfe.“ Janina hat Glück, ihr Frauenarzt vermittelt sie an eine Therapeutin. „Ohne Unterstützung wäre das letzte Schwangerschaftsdrittel eine Katastrophe gewesen.“ Ihre Tochter kam vor zwei Jahren gesund zur Welt. Vor einer zweiten Schwangerschaft fürchtet sich Janina aber noch.
Studien haben ergeben, dass immer mehr Frauen in der Schwangerschaft Schwierigkeiten mit Essen haben. „Diäten, Abführmittel und übertrieben viel Sport während der Schwangerschaft sind immer mehr zu beobachten,“ erklärt Dr. Nadia Micali. Es sei nicht unbedingt das Bedürfnis dünn zu sein, erklärt die Wissenschaftlerin. „Für viele Frauen ist die Veränderung des Körpers beängstigend, sie haben das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Und die neue Rolle als Mutter ist noch völlig unreal.“
Doch der vermeintliche Kampf gegen die Waage kann lebensbedrohlich werden. Mutter und Kind brauchen eine ausgewogene Ernährung. Verzichtet die Schwangere darauf, holt sich das Baby Eisen und Kalzium – das führt bei der Mutter langfristig zu Knochenproblemen, Kreislauferkrankungen und Erschöpfungszuständen. Unterversorgte Kinder haben ein höheres Fehlgeburtsrisiko, sind untergewichtig, neigen eher zu Erkrankungen und sind oft entwicklungsverzögert.
Auch übertrieben viel Sport kann bedrohlich werden: Werden der mütterliche Kreislauf und das Herz zu sehr beansprucht, kann ebenfalls das Wachstum des Kindes eingeschränkt sein und der Belastung des Körpers zuviel werden. „Schwangere Frauen haben auch extra Polster, weil die Geburt und die Stillzeit eine besondere Belastung sind,“ erklärt die Expertin. Die meisten Frauen nehmen – je nach Gewicht vor der Schwangerschaft – zehn bis zwölf Kilogramm zu. Und die meisten nehmen nach der Stillzeit auch wieder ab.
Im englischsprachigen Raum hat die Essstörung in der Schwangerschaft schon einen Namen bekommen: Pregorexia (Zusammengesetzt aus den Worten Pregnancy und Anorexia). Doch auch in Deutschland berichten Fachleute verstärkt über dies Problem. Schwangere Frauen, die Gefühl haben, dass Sie die Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren, sollten sich dringend Hilfe suchen. Erste Anlaufstelle ist immer der Frauenarzt.
Mehr Informationen und Hilfe finden Betroffene hier.
* Name geändert