Mein Lieblingskind

Es ist ein absolutes Tabu. Denn Eltern sollen alle ihre Kinder gleich gern haben. Aber im wahren Leben ist das leider nicht immer so. Was tun, wenn man ein Lieblingskind hat?
Es ist unmöglich, Alicia nicht zu lieben. Die Dreijährige ist einfach niedlich, wunderbare braune Kulleraugen und hellblondes feines Haar, das man einfach streicheln möchte. Ihre Mutter Petra ist unendlich glücklich über Alicias sonniges Gemüt. „Sie ist immer fröhlich, wacht morgens mit einem lauten Lachen auf und ruhte irgendwie schon immer in sich selbst.“ Anders als ihr Bruder Philip.
Der Fünfjährige hatte einen schweren Start ins Leben, die ersten Wochen schrie er nur, es dauerte bis sich herausstellte, dass ein eingeklemmter Nerv die Ursache seines Kummers war. „Philip ist schnell unzufrieden, ungeduldig und hat oft eine riesige Anspruchshaltung.“ Natürlich liebt Petra ihre Kinder sehr. Doch es gibt etwas, worüber sie sich schämt. „Es ist ungerecht und ich fühle mich auch elend dabei. Aber wenn ich ehrlich bin, dann ist Alicia mein Lieblingskind.“ Petra weiß nicht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen soll. Mit anderen mag sie darüber nicht reden, es ist ihr Geheimnis. Denn ihre größte Sorge ist, dass Philip es eines Tages erfahren könnte.
Lieblingskind
Eins meiner Kinder liebe ich mehr
Die meisten Eltern bevozugen ein Kind
Doch allein ist Petra gar nicht. Die amerikanische Soziologin Katherine Conger von der University of California hat in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass die meisten Eltern ein Kind favorisieren: 65 Prozent der Mütter und 70 Prozent der Väter bevorzugten ein Kind, meistens das älteste.
Aber so eine Bevorzung passt nicht in das Bild das wir davon haben, wie „gute Eltern“ sein sollten. Es ist aber nun einmal nicht zu verleugnen, dass die Menschen verschieden sind und in uns unterschiedliche Gefühle wecken. Manchmal sind es nur Phasen, wenn der Zweijährige einen Wutanfall nach dem anderen kriegt und der vierjährige Bruder gleichzeitig so wunderbar phantasievoll Lego baut, könnte man den Wutteufel am liebsten irgendwo abgeben. Ein paar Wochen später mag sich das Blatt schon wieder gewendet haben.
Aber es gibt auch Eltern, die eben ein Kind mehr lieben. Vielleicht weil sie sich seelenverwandt fühlen. Weil es so charmant ist oder weil es wie die Mutter selbst das Nesthäkchen ist. Gründe können ganz verschieden sein – und sind oft unbewusst.
Was tun, wenn man ein Lieblingskind hat?
Gefühle lassen sich nicht änderen, aber sicher kann man beeinflussen, wie man sich seinen Kindern gegenüber verhält.
Wichtig ist zunächst, sich selbst ehrlich einzugestehen, dass man eines seiner Kinder mehr liebt. Manche Eltern versuchen diese Tatsache so krampfhaft zu leugnen, dass sie schon gar nicht mehr wahrnehmen, dass es ja ganz normal ist, dass Kinder verschieden sind.
Hier liegt auch ein Schlüssel: Auf Unterschiede sollten man klar achten. Mit Lucas macht das Basteln keine Freude, weil er viel zu ungeduldig ist, aber die Schwester liebt es, mit Schere und Klebe zu hantieren? Dann müssen Eltern kein Geheimnis daraus machen, dass sie mit dem Bastelkind lieber etwas kreativ gestalten. Mit dem anderen Kind macht dafür eben das Toben mehr Freude.Es ist wichtig, gerecht zu bleiben
Wenn Eltern sich selbst gegenüber zugeben, dass eines ihrer Kinder ihnen näher steht, sollten sie bewusst auf ihr eigenes Verhalten achten. Oft wird mit dem anderen Kind betont herzlich umgangen, um ja nicht Ungerechtigkeiten aufkommen zu lassen. Doch Kinder merken, wenn die Aufmerksamkeit nicht ehrlich gemeint ist.
Wichtig ist, dass ist auf jedes Kind geachtet wird und Eltern sich um Gerechtigkeit bemühen.Jedes Kind soll sich einbringen können. Es hilft, wenn Eltern am Wochenende Geschwister auch gelegentlich trennen und abwechslend mit einem Kind allein etwas unternehmen. Denn jedes Kind ist einzigartig und auf seine Art liebenswert. Und das müssen Eltern erkennen.
Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie ein Lieblingskind? Oder hatten sie selbst als Kind das Gefühl, dass Îhr Bruder oder Ihre Schwester mehr geliebt wurde?