Regentropfen klatschen gegen das Fenster. Irgendwann ist das Springen in Pfützen öde geworden. Und jetzt? Kein anderes Kind hat Zeit zum Spielen? Genörgel aus dem Kinderzimmer. Viele Eltern fürchten nichts mehr als solche Tage. Und versuchen Sie mit lange im Voraus getroffenen Verabredungen, Indoor-Spielplätzen und einen straffen Programm zu vermeiden.
Doch so gut dies gemeint ist, Experten sind sich einig, dass Eltern genau das nicht tun sollten. Denn Langeweile ist bei Kindern die Grundlage für Entdeckungen, Fantasie und freies Spiel. Wer sich an die eigene Kindheit erinnert, dem fallen rasch bestimmte Situationen ein. Der Garten von Oma und Opa, in dem es kein Spielzeug gab. Wie öde. Doch irgendwann war die Idee da, aus Stöcken eine Höhle zu bauen. Aufregende Detektivspiele und abenteuerliche Entdeckungen im Stadtpark fingen oft auch mit einem „Was sollen wir nur machen?“ an.
Kinder müssen selbst eine Lösung finden
Es hat sich viel geändert. Aber es ist nicht die Anspruchshaltung der Kinder, die ihr Freispiel verhindert. Früher sagten Eltern zu ihren gelangweilten Kindern: „Geh doch nach draußen.“ Und dort fand sich immer ein Nachbarskind, mit dem man sich gemeinsam etwas einfallen lassen konnte. Heute gibt es weniger Kinder in der Nachbarschaft und wesentlich weniger Freiräume für Kinder. Die Eltern sind fast immer dabei: Auf dem Spielplatz, bei Verabredungen. Und sehr oft fühlen sie sich aufgerufen, für die Beschäftigung der Kinder zu sorgen.
Die Verhaltensbiologin und zweifache Mutter Dr. Gabriele Haug-Schnabel hält dies für den falschen Ansatz. Sie erklärt: „So wenig wie möglich in kindliches Tun einzugreifen, ist ungeheuer wichtig, jedes Eingreifen durchbricht und stört die dem Kind eigene Vorgehensweise. Es geht damit die Chance verloren, dass das Kind die Lösung selbst findet und das Ergebnis als eigene Leistung und Kompetenzsteigerung abbuchen kann, was automatisch zum nächsten Spiel lockt.“
Kinder, die nicht selbst erfahren, wie sich aus dem Gefühl der Langeweile befreien können, verpassen eine elementarer wichtige Erfahrung. Sie werden abhängig von äußeren Einflüssen und entwickeln dann eine Erwartungshaltung. Wenn der Nachwuchs immer erwartet, dass die Eltern auf die Langeweile reagieren, entsteht dauerhaft Stress für die ganze Familie.
Muße für langsame Entdeckungsreisen
Durchbrechen kann man dies mit einem Programm: und zwar mit einem, auf dem ganz bewusst Lücken klaffen. Denn weniger ist so oft mehr! Birgit Ebbert, Pädagogin und Expertin für Frühförderung rät zu maximal zwei festen Terminen in der Woche.
Denn Kinder brauchen Zeit zum freien Spielen mit anderen Kindern – das stärkt die soziale Kompetenz – und auch für sich allein. Oft laufen Kinder zunächst ziellos herum und wissen nicht, welches der vielen Spielzeuge jetzt am besten ist. Hier hilft Reduktion. Verschwinden die Playmobil-Ritter eine Weile im Schrank, sind sie wieder etwas besonderes, wenn sie hervorgezaubert werden. Auch sonst kann man das Kind natürlich unterstützen. Man kann aufzählen, was es machen könnte: Basteln, Tanzen, ein Lego-Haus für die kleine Puppe bauen oder die Freundin Marla anrufen. Die Entscheidung muss das Kind dann allein treffen.
Man kann auch zunächst gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen: Guckt sich die Baustelle an der Straßenecke oder den Regenwurm im Matsch an, zeigt wie spannend das sein kann. „Wichtig ist, unbedingt die Neugier zu unterstützen und beim Spaziergang auch auf Dinge aufmerksam zu machen“, so der Braunschweiger Hirnforscher Martin Korte. Das sei eine viel wichtigere Frühförderung als etwa Fremdsprachenlernen im Vorschulalter. Motivierende Erfahrungen, gemeinsam mit den Eltern etwas nachforschen, geben eine wichtige Grundlage.
Auch der Hirnforscher betont, wie wichtig es ist, Kindern Freiraum zu lassen. Wenn das Kind ruhig im Kinderzimmer sitzt, nicht gleich nachfragen: „ Was machst du da?“ Denn es muss ja gar nicht immer etwas tun. „Muße ist elementar“, so Korte. So können Kinder Gelerntes verfestigen, sich selbst motivieren und – das ist besonders wichtig – Spaß haben. Allein oder mit Freunden.
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