„Ich bin jetzt 34. Seit zwanzig Jahren habe ich einmal im Monat meine Periode. Diese „Tage“ waren mir immer lästig. Aber abgesehen davon, dass ich leichte Krämpfe hatte und zumindest in der Schulzeit nicht zum Schwimmen musste, spielten sie ehrlich gesagt so ziemlich gar keine Rolle in meinem Leben.
Klar kenne ich Frauen, die deswegen immer Theater machen und ich hatte auch schon mal gelesen, dass es Freundinnen gibt, die sich so nah stehen, dass sie zur gleichen Zeit menstruieren. Und da war auch noch irgendetwas mit dem Mond? Keine Ahnung. Mir war so etwas ehrlich gesagt immer völlig egal.
Doch seit gut zwei Jahren hat sich alles geändert und ich erlebe meinen Körper plötzlich ganz anders. Denn wir wünschen uns so sehr ein Kind.
Zuerst habe ich mir keine weiteren Gedanken gemacht. Ich habe die Pille weggelassen und abgewartet. Doch irgendwie passierte nichts. Und da begann der Zyklus. Ein Zyklus ist ja ein ‚periodisch wiederkehrendes Ereignis’… Und ich komme mir oft vor wie in einem Kinderkarussell. Ich sitze in diesem Auto, darf auf Knöpfchen drücken und immer wieder fahre ich an der gleichen Stelle vorbei. Ob das Karussell auch einmal anhält?
Auf jeden Fall bin ich in diesen zwei Jahren Profi geworden. Ehrlich, am Anfang stand einfach nur ein paar schöne Nächte (oder Abende) mit meinem Mann und dann ein kleines bisschen Aufgeregtheit, wenn sich die Periode ankündigte. Dann begann ich aufzuschreiben, wann ich die überhaupt bekam, achtete auf meinen Körper und seine Regelmäßigkeit. Ich ging zum Frauenarzt und wurde genau untersucht und befragt. Und ich erfuhr mehr über meine Hormone, darüber, dass das Gelbkörperhormon den Eisprung auslöst – und dass mein Körper nicht genug davon produziert. Kein Eisprung, keine befruchtungsfähigen Eibläschen. Dass es die gibt und dass der Fachmann die kleinen Blasen Follikel nennt, war mir bis dahin auch nicht klar.
Eigentlich sollte ich dankbar sein. Über all die neuen Dinge die ich gelernt habe, über die Medizin, die es möglich macht, dass ich einen ganz normalen Hormonhaushalt habe. Und eigentlich Kinder bekommen könnte. Doch leider hat die lange Wartezeit auch vieles so kompliziert gemacht. Denn ich sitze nicht mehr auf dem Karussell und freue mich über die Lichter des Rummels, den Duft von Zuckerwatte und das Fahrgefühl.
Denn das Schöne kann ich kaum nach wahrnehmen. Immer, immer wieder ist es ja jeden Monat das Gleiche. Wo fange ich mit der Schilderung an? Am ersten Zyklustag? Na, jedenfalls beginnt der Kreislauf ja damit, dass ich meine Periode bekomme. Immer wieder bin ich darüber enttäuscht. Kommt sie wirklich mehr als zwei Tage später bin ich sehr traurig. Wenn ich gerade in Kinderwunschbehandlung war, sogar echt niedergeschlagen.
Der Zyklusbeginn: die Wartezeit
Die Enttäuschung ist vorbei. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich auch in diesem Monat bei der Babylotterie nicht gewonnen habe. In den ersten Tagen bin ich immer ein wenig empfindlich. Schlimm ist es beispielsweise, wenn ich höre, dass irgendwo Kinder misshandelt werden oder umkommen. Dann frage ich mich oft, warum die Welt so ungerecht ist.
Dann versuche ich, das Thema Kinderwunsch erst einmal zu verdrängen und gar nicht daran zu denken. Aber so ganz ohne geht es ja gar nicht, denn ich muss in der Kinderwunschpraxis anrufen und schon die nächsten Termine machen. Die stehen immer in der Mitte des Zykluses an, denn ca. zehn Tage nach Beginn der Periode bekomme ich eine Spritze, um den Eisprung auszulösen. So ohne Hormongabe kriegt mein Körper das leider nicht alleine hin.
Zyklusmitte: die aktive Zeit
Ab zum Arzt, Spritze bekommen und ein paar Tage später sitze ich wieder im in der Praxis, damit kontrolliert wird, ob mein Körper auch hübsche Follikel produziert hat. Ja, feine Eibläschen. Die sollen dann möglichst schnell befruchtet werden.
Kuschelige Abende? Na ja. Natürlich ist es Sex nach Plan. Wie es der Arzt geraten hat, sage ich meinem Mann nicht so genau, wann diese Tage sind. Aber ich weiß es ja. Und ich bin natürlich verkrampft, kann nicht wirklich abschalten. Ich überlege, was ich esse, denn auch die Ernährung spielt ja eine Rolle, verzichte auf Alkohol und bleibe nach dem nicht unbedingt so romantischen Intermezzo mit meinem Liebsten lange liegen.
Zyklusende: das Hibbeln beginnt
Und dann ist es soweit: ich weiß, dass die Eibläschen gut aussahen, wir hatten guten Sex zum richtigen Zeitpunkt und ich kann nur noch eines tun. Abwarten. Die ersten Tage versuche ich mal wieder gar nicht daran zu denken, dass es vielleicht in diesem Monat geklappt hat. Dann wird mir morgens übel, die Haut spannt. Sind das erste Zeichen?
Nach gut zwei Wochen bin ich dann meist doch sehr aufgeregt. Und kaufe – nur so, sicherheitshalber, zwei Schwangerschaftstests. Ich lese in Foren und überlege, wann das Baby geboren werden würde. Jedenfalls, wenn ich meine, dass ich irgendwelche Schwangerschaftsanzeichen habe. Schlimm wird es, wenn die Periode später kommt. Ich halte die Luft an. Die Welt scheint stillzustehen. Ich sehe wieder die Lichter auf dem Jahrmarkt – kann ich endlich aus dem Karussell aussteigen? Hält es an?
Ein paar Tropfen Blut und einige Magenkrämpfe zeigen mir meist schon am nächsten Tag, dass ich auch in diesem Monat wieder vergeblich gehofft habe. Die nächste Wartezeit beginnt, dann folgen wieder Aktion, das Hibbeln und die Enttäuschung.
Ich kenne meinen Körper so gut wie nie zuvor. Ich bemühe mich, nicht enttäuscht zu sein und ihm etwas Gutes zu tun. Trotzdem habe ich langsam keine Lust mehr auf diesen Rummel. Vielleicht halte ich im nächsten Jahr das Karussell auch einfach so an. Um auf andere Gedanken zu kommen. Oder soll ich noch ein paar Runden fahren – ich weiß auch nicht so recht. Ich frage mich oft, wie geht es anderen Frauen?“
* Name auf Wunsch geändert
Protokoll: Silke R. Plagge
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