Kinderwunsch und Immunsystem

Es gibt Frauen, deren Organismus Antikörper bildet, die eine erfolgreiche Schangerschaft verhindern. Eine Betroffene schildert, wie Ärzte ihr trotz immunologischer Sterilität nach 18 Fehlgeburten zum Babyglück helfen konnten…

Angela Haston (27) strahlt vor Glück. Nach unglaublichen 18 Fehlgeburten präsentiert die Britin ihre Tochter Mia Rose stolz der Presse. Mehr als acht Jahre hatte sie auf ein Geschisterchen für ihren Sohn (10) gehofft. Der Grund ihres vergeblichen Kinderwunsches: Eine hohe Konzentration bestimmter Antikörper verhinderte, dass sich die befruchtete Eizelle erfolgreich in der der Gebärmutter halten konnte.
Auch in Deutschland leiden Frauen unter dem seltenen Phänomen. Rolf Kreienberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe erklärt: „Der britische Fall ist durch die hohe Zahl der Fehlgeburten außergewöhnlich.“ Bei den meisten Betroffenen können sich die Eizellen gar nicht einnisten, tritt tatsächlich doch eine Schwangerschaft ein, endet sie auch sehr früh durch eine Fehlgeburt.
Experten gehen davon aus, das natürlicherweise bei jeder dritten bis vierten Schwangerschaft in Deutschland eine Fehlgeburt eintritt. Oft wird dies gar nicht gemerkt, denn wenn ein tatsächlich befruchtetetes Ei sich nicht einnisten konnte, die Schwangerschaft also im frühesten Stadium endet, scheint es oft nur so, als ob die Periode ein paar Tage überfällig ist.
Baby trotz immunologischer Steriliät?
Wenn das eigene Immunsystem eine Schwangerschaft verhindert
(© panthermedia.net Yuri Arcurs)
Auch Nicole (31) hat lange auf ihr Wunschkind warten müssen. Ähnlich wie der Britin Angela gelang ihr eine erfolgreiche Schwangerschaft nur mit Hilfe der Ärzte. Es hat sechs Jahre gedauert, bis sie wirklich Mutter sein durfte. „Ich habe lange gedacht, dass ich einfach einen sehr unregelmäßigen Zyklus habe. Zwei Mal kam die Mens mit sieben bis achtwöchiger Verspätung.“  Nach zwei Jahren vergeblichen Hoffens wurde der Kinderwunsch heftiger. Nicole begann nach Rücksprache mit der Frauenärztin ihren Zyklus genau festzuhalten. War sie ein paar Tage spät dran, machte sie einen Schwangerschaftstest. „Drei Monate hintereinander hatte ich eindeutig positive Tests – und bekam dann doch heftig meine Mens. Da ahnte ich, dass irgendetwas nicht stimmen konnte.“
Die Ärztin teilte die Meinung. Sie überwies das Paar an eine Kinderwunschpraxis. Dort wurden die Spermien von Nicoles Mann untersucht und auch bei Nicole wurde nach möglichen organischen oder hormonellen Ursachen geforscht. „Da eigentlich alles ganz in Ordnung zu sein schien, wurde dann getestet, ob die Spermien überhaupt durchkommen.“ Ein sogenannter Postkoitaltest, eine Untersuchung direkt nach dem Geschlechtsverkehr, kann zeigen,wie durchlässig der Zervixschleim – das Sekret das des Gebärmutterhalses –  ist.
Zunächst konnte das Paar noch über die Untersuchungen lachen. „Es ging ja darum, ob ich Antikörper bilde, allergisch gegen Sperma, das hört sich doch eher komisch an.“ Tatsächlich sind Antikörper Stoffe, mit denen sich der Organismus gegen körperfremde Substanzen wehrt. Sehr sinnvoll, wenn es sich dabei um Bakterien und Viren handelt. Doch manche Körper wehren auch Spermien ab. Oder erkennen die eigenen Eizellen nicht.
Und das gilt nicht nur für Frauen: auch Männernkörper können die eigenen Spermien bekämpfen und als Fremdkörper wahrnehmen. Sobald die Spermien den Hoden verlassen, beginnt die körpereigenen Abwehr – die Samenzellen verklumpen und können die Eizelle nicht mehr erreichen.
Bei Nicole und ihrem Mann wurde der Postkoitaltest gar nicht mehr gemacht. Denn Nicoles Periode war ohne besondere Behandlung wieder verspätet. „Ich war schwanger, aber leider nur zwei Wochen lang,“ sagt sie. Danach wurde das Blut des Paares noch einmal gründlich untersucht. Denn dass eine Befruchtung klappen konnte, war nun bewiesen. “ Die Untersuchen haben dann gezeigt, dass mein Immunsystem den Embryo als Fremdkörper betrachtet. Mein eigener Körper war mein schlimmster Feind.“
Nicole findet in Foren Gleichgesinnte. „Ich kann ja sogar noch von Glück sprechen. Denn es gibt Frauen, die die Embryos erst in der 7. oder 8. Woche verlieren. Und das öfter. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich richtige Fehlgeburten hatte. Erst während der Zeit in der Praxis wurde mir klar, dass ich tatsächlich mindestens drei Fehlgeburten hatte. Ich wollte es nur nicht wahrhaben.“
Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Oberflächenbeschaffenheit der Köperzelen (HLA- Antigene) bei Paaren mit häufigen Fehlgeburten häufig übereinstimmen (HLA-sharing). Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Ähnlichkeit dafür sorgt, dass das Immunsystem nicht richtig funktioniert. Wenn das so ist, kann es mit Blutuntersuchungen nachgewiesen werden.
In Nicoles Fall konnte so das Fehlen von bestimmten Antikörpern klar diagnostiziert werden. „Es wurde eine aktive Immunsierung gemacht.“ Hierzu wird das Blut das Partner aufbereitet, und Blutbestandteile werden dann unter die Haut der Frau gespritzt, damit sich schützende Antikörper bilden.
Nicht in allen Fällen ist so eine Therapie erfolgreich. Eine weitere bekannte Form der Therapie von immunolgischer Sterilität ist auch die Gabe von Kortisonpräpaten – oder eine Insemination. Dabei werden die Spermien direkt in die Gebärmutter eingeführt und die Schleimbarriere am Gebärmutterhals umgangen. Die genaue Ursachen der Erkrankung sind noch nicht gänzlich erforscht, daher ist auch eine Behandlung nicht immer erfolgreich möglich.
Nicole ist mittlerweile Mutter einer vier Monate alten Tochter. „Ich bin froh, dass die Fachärzte mir so gut helfen konnten. Ich habe mich auch mit meinem Körper ausgesöhnt, denn nun hat er mir doch das schönste Geschenk der Welt gemacht.“