Streit unter Kindern

„Nein, das gehört mir!“ Wütendes Gebrüll bleibt gerade bei Geschwistern nicht aus. Wie sollen Eltern mit Zoff umgehen? Wann tut Unterstützung den Kindern gut – und wann ist sie eher schädlich?
Max schubst Mia. Und Mia heult: „Ich hatte das Lego-Männchen zuerst.“ „Nein, das ist meins, du Doofe.“ Wo eben noch friedliches Miteinander war, ist plötzlich ein Nahkampfgebiet entstanden.

Streitende Kinder – hilflose Eltern?

Wenn Kinder streiten, fühlen wir Erwachsenen uns oft hilflos. Kindertränen rollen, es wird geweint, gebrüllt und oft reichlich aggressiv gegen den vermeintlichen Gegner vorgegangen. Wenn einer deutlich jünger ist als der andere, haben Eltern erst Recht das Gefühl, dass sie einschreiten müssten. Und schon sind sie selbst in den Konflikt verwickelt. Und kaum wurde der Lego-Mann seinem Besitzer zurückgegeben und eine tolle Lego-Frau für die Schwester von Mama aus der Kiste hervorkramt, schwillt schon wieder der nächste Streit an. Denn: Gründe für Krach gibt es immer:

  • Wer darf heute mit dem roten Stift malen?
  • Wer ist die Mama und wer ist das Baby im Spiel?
  • Der hat aber mehr Kekse als ich

 

Streitende Kinder, hilflose Eltern
Viele Eltern fühlen sich hilflos, wenn sich Kinder streiten (© panthermedia.net, dimjul)

Es ist nicht immer friedlich

Es ist also völlig sinnlos, sich immer einzumischen! Kinder müssen Streiten lernen und Erwachsene können ihnen dabei helfen. Wichtig: Konflikte gehören zum Leben dazu. Und Kinder müssen lernen, wie sie erfolgreich bewältigen.

Verhaltensforscher haben für eine Studie eine Gruppe von Sechsjährigen in einer Spielgruppe beobachtet. Ergebnis: Mehr als 400 Streiterein in fünf Stunden. Für Erwachsene Dauerstress. Für Kinder ist das am Leben lernen.

Eltern fällt es oft schwer, den Zoff im Kinderzimmer zu ertragen. Zum einen halten uns die Kleinen einen Spiegel vor. Sind wir wirklich so freundlich und friedlich, wie wir uns selbst sehen? Oder hören wir in der Wortwahl unserer Kinder nicht uns selbst? Wenn sich die Großen heftig angiften oder sich böse Sachen sagen, warum sollte der Nachwuchs sich nicht auch so verhalten? Ein Streit im Kinderzimmer macht klar: In unserer Familie ist es nicht immer friedlich. Und das müssen Eltern aushalten lernen. Wer genau darauf achtet, wird schnell den entscheidenden Unterschied im Kinderstreit merken. Kinder führen keine kalten Kriege, schweigen sich nicht wochenlang an und haben unterschwellige Konflikte. Sie streiten sich meist laut und heftig – und konstruktiv, denn eine Lösung brauchen sie sofort. Auch wenn die Lösung sein kann, dass gemeinsam Mama als Schiedsrichter gefordert wird.

Art des Streitens wichtig

Wenn Kinder sich immer wieder streiten, heißt das nicht, dass sie ihre Konflikte nicht selbst lösen können. „Gerade die sozial sehr aktiven Kinder sind es, die häufiger als andere in Streitereien verwickelt sind“, so Diplompädagogin Mechthild Dörfler, die eine Beobachtungsstudie für das Deutsche Jugendinstitut in München durchgeführt hat: Jahrelang erforschten sie das Konfliktverhalten von Kindern in Kindertagesstätten. „Bedenklicher ist eher, wenn Kinder nie in einen Streit verwickelt sind.“ Das Wie des Streitens sei entscheidend, nicht wie oft oder wie laut Kinder streiten. Und ohne Streit auch kein Lernen von Konfliktlösung – klingt einfach logisch.

Wenn Geschwister streiten

Dumm nur, dass dieses Lernen für eine Familie eine tägliche Belastung sein kann: Denn wenn sich Freunde zoffen, kann einer nach Hause gehen. Bei Geschwistern gibt es diesen strategischen Rückzug nicht. Und so kann es zu dauernden Streiterein kommen. Das ist nervig für alle Beteiligten. Die Kinder erwarten, dass der Eltern sich einmischen. Denn sehr oft geht es um Eifersucht, um Teilen von Besitz und Aufmerksamkeit.

Diese Rivalität unter Geschwistern sollten Eltern auf keinen Fall fördern. Die Dipl.Pädagogin Beate Weymann warnt vor Vergleichen zwischen den Kindern. Die Stärken des jeweiligen Kindes sollten betont werden. Je geringer der Altersunterschied, desto höher die Streitfrequenz, so die Expertin.

Was können Eltern tun?

So hart es klingt: Am besten halten sich Eltern aus dem Kinderstreit heraus. Friedensforscher haben untersucht, wie friedvolles Miteinander gelernt werden kann. Ihre Erkenntniss: „Kinder sollten Konflikte möglichst selbst regulieren“ Beim Streiten lernen die Kinder Grenzen einzuschätzen: die der anderen und die eigenen.

Eltern stellen meistens miseralbe Richter dar, da sie gar nicht wissen, worum es geht, wer schuldig ist bzw. was der Kern des Konfliktes ist. Natürlich müssen sie sich einmischen, wenn ein Kind deutlich unterlegen ist oder die Kinder den Streit nicht allein beilegen können. Mit den Kindern, aber nicht für die Kinder klären. Wie das gehen soll?

Eltern müssen sich über die folgende Punkte klar sein:

  • Will ich vor allem, dass Ruhe im Kinderzimmer ist?
  • Möchte ich das einzelne Kind stützen oder schützen?
  • Oder will ich, dass die Kinder lernen, Konflikte konstruktiv zu lösen und daraus etwas zu lernen?

Zunächst sollten Sie den Kindern zuhören – ohne eine Schuldzuweisung. Denn nicht immer ist der Ältere verantwortlich und der lautere Streihahn der Täter. Versuchen Sie die entscheidenden Ws herauszuhören: Wer hat Wem Warum Was getan? Und trösten Sie beide.

Dann könnten Sie eine gemeinsame Lösung überlegen. So wie Max und Mia es getan haben. Die Einsicht dauerte natürlich, denn Kinder sehen ihren eigenen Streitanteil meist nicht wirklich. Aber es hilft nicht, sich nur als Opfer zu sehen. Max räumte zähneknirschend ein: „Ich habe wohl doch ein bisschen doll geschubst. Und eigentlich habe wir noch mehr Legoleute.“ Sein Friedensangebot: Er überreichte seiner kleinen Schwester ein Lego-Mädchen.

Ein Friedensgeschenk. Davon könnten sogar Erwachsene oft noch etwas lernen.

Streiten Ihre Kinder auch? Wie halten Sie es mit der Einmischung? Haben Sie vielleicht Lösungen gefunden, die besonders gut helfen?