Kinder brauchen Geheimnisse

Sie wecken die Kreativität und sind einfach spannend: Geheimnisse. Warum sie für Kinder ganz besonders wichtig sind und worauf Eltern achten sollten, lesen Sie hier…
Seit kurzem liebt meine Tochter Geheimnisse. Die Vierjährige flüstert mir etwas ins Ohr, guckt wichtig und betont. „Das ist ein Geheimnis!“ Allein das Ins-Ohr-Sagen hat schon etwas sehr Bedeutungsvolles Und etwas Exklusives, denn nur wir zwei wissen ja jetzt, was für ein Geschenk der Papa gebastelt bekommen hat. Und das soll noch nicht verraten werden…
Geheimnis – ein magisches Wort für Kinder
Die Welt der Kinder ist voller Geheimnisse und Magie. Versteckte Schätze, rätselhafte Zeichen, geheime Botschaften und mysteriöse Geschichten. Schulkinder haben oft Geheimclubs und suchen sich ihre ganz eigenen versteckten Top-Secret-Plätze.
Diese neue Welt entdecken Kinder meist zwischen drei und fünf Jahren. Die Psychologinnen Elisabeth H. Flitner und Renate Valtin haben in einer umfangreichen Studie untersucht, was Kinder unter „Geheimnis“ verstehen.
Kinder brauchen Geheimnisse
Kinder lieben Geheimnisse (© panthermedia.net, Ingrid Balabanova)
Besonders wichtig ist für Kindergartenkinder, dass das Geheime „nicht verraten werden darf.“ Für sie ist das Geheimnis der alleinig und private Besitz eines Einzelnen. So lernen sie auch „Privatsphäre“ – die sie allerdings meist noch nicht sehr konsequent waren können. Zu aufregend ist es einfach, zu verraten, das für den Papa ein Glas angemalt wurde oder das Mama bald ein neues Baby bekommt.
Interessanterweise können Kinder in diesem Alter aber schon zwischen „schönen“ und „schlimmen“ Geheimnissen unterscheiden. „Schlimm“ sind Missgeschicke wie die zerbrochene Tasse oder das Mutwillige Übertreten von Verboten. „Schön“ sind Geschenke oder eine geheime Höhle im Garten.
Je älter Kinder werden, desto besser können sie unterscheiden. Und umso mehr Wert legen sie auf die Geheimhaltungspflicht. „Freunde werden immer wichtiger und ein gemeinsames verschwiegenes Wissen schweißt vor Erwachsenen zusammen,“ erklären die Psychologinnen.
Warum sind Geheimnisse so wichtig?
Geheimnisse sind für Kinder wichtig, denn sie helfen ihnen dabei, die eigene Identiät zu finden. Kinder möchten sich immer mehr abgrenzen und ihre Privatheit entdecken. Und nun entdecken sie, dass sie etwas wissen, dies aber nicht mit jedem teilen. Je älter die Kinder werden, um so mehr können sich auch durch so ein Wissen von den Eltern abgrenzen und sich Freiräume suchen.
„Etwas für sich behalten“ steht immer im Zusammenhang mit anderen Menschen, eine Information wird nur bestimmten Freunden mitgeteilt, ausschließlich eine ausgewählte Gruppe weiß um die tolle Höhle. So werden Freundschaften und Beziehungen gefestigt.
Geheimnisse stehen auch für Einfallsreichtum und Kreativität. Ein gutes Beispiel ist die Weihnachtszeit mit geheimnisvollen Stimmungen und Geschenken, die bis zur Bescherung ein Geheimnis sind. Eltern und Kinder schmücken die Wohnung, singen Lieder und schaffen mit Kerzenlicht eine ganz besondere Stimmung.
Kinder lieben auch auch fantastische Geheimnisse: Etwa die kleinen Wald-Elfen, die sich im Moos verstecken oder den frechen Hauskobold, der die Socken verschwinden lässt. Geschichten regen die Vorstellungskraft an und kleine Kinder lieben die Welt der Märchen und Sagen. Geheimnisse lassen sich aufspüren in Bilderbüchern, Filmen und Theaterstücken.
Böse Geheimnisse
Die Untersuchung Flitner und Valtin haben gezeigt, dass kleinere Kinder meinen, dass man über „schlimme Geheimnisse“ reden muss. Das ist gut, und Eltern sollten hier viel Offenheit zeigen.
Was schlimme Geheimnisse sein können? Dinge, die Angst- und Schuldgefühl erzeugen. Das können dunkle Keller oder laute Maschinen oder aber auch zerbrochene oder verlorene Dinge sein.
Wenn Kinder sich ihren Eltern anvertrauen, kann hier ein gute Grundlage gelegt werden, wie man gemeinsam Krisen bewältigen kann.
Es gibt aber auch schlimmere schlechte Geheimnisse: Wenn Kinder erpresst oder gemobbt werden. Oder gar mit Dingen konfroniert wurden, die sie nicht erleben sollten, wie der sich entblößende Mann im Park oder Drogen. Erpresste oder misshandelte Kinder haben Angst ihr dunkles Geheimnis zu teilen.
Eltern können solche Geheimniss nur an Alarmzeichen erkennen. Etwa daran, dass ein Kind sich plötzlich ganz anders verhält, Angstzustände oder Schlafschwierigkeiten hat oder Erwachsenen auffällig aus dem Weg geht.  Der Pädagoge Michael Schnabel rät: “ In solchen Situationen sollte für Eltern klar sien, Vorsicht und Zurückhaltung schadet dem Kind und hat nichts mit Respekt vor den Geheimnissen des Kindes zu tun.“
Generell gilt: Kinder brauchen in solch besonderen Situationen das Gefühl: Meine Eltern wollen nicht aus Neugier oder Machthaberei mit mir reden, sondern weil ich ihnen wichtig bin. Kinder spüren ehrliches Interesse von Erwachsenen.
Wie sollten sich Eltern verhalten?
„Geheimnisse, Symbole und innere Bilder snid für Kinder lebensnotwendig,“ sagt die Autorin und Spielpädagogin Susanne Stöcklin-Meier. Eltern sollten verstehen, das Steine für Kinder leben, wenn sie einen Berg herabkullern, dass der Teddy traurig ist, wenn auf dem Boden liegt. „Im Alter zwischen drei und sieben Jahren ist die Trennungslinie zwischen leblosen Gegenständen und lebendigen Wesen fließend.“
Eltern sollten ihren Kinder den Glauben an das Geheimnisvolle, an das Magische lassen. „Das gibt es nicht,“ sollte nicht gelten. Den sonst unterdrücken Kinder ihre Fantasie.
Wenn ein vierjähriger einen Zauberstein findet, sollte er ihn behalten dürfen. Eltern können dem Bedürfniss nach speziellen Plätzen Raum gewähren: Richten sie eine Extra-Schublade ein oder schenken Sie ihrem Kind eine Schatztruhe. Wer einen Garten hat, kann dem Nachwuchs dort Raum für Höhlen geben oder ein Baumhaus bauen.
Eltern müssen lernen, die Privatsphäre ihrer Kinder zu respektieren. Wenn die Fünfjährige nachts noch eine Windel braucht, muss das wirklich keiner wissen. Und auch die zehnjährige Tochter am liebsten Babybrei am Sonntagmorgen schleckert, ist vielleicht etwas, dass sie nicht jedem mitteilen möchte. Eltern sollten ihre Kinder nicht drängen, vom Geheimclub zu erzählen. Das Briefe, Tagebücher und SMS Privatangelegenheiten sind, sollte ebenfalls selbstverständlich sein. Wenn Kinder das Gefühl haben, dass sie sich öffnen möchten und dürfen, werden sie ihre Erlebnisse schon mitteilen. Oder auch nicht. Denn wissen Ihre eigenen Eltern alles über Sie?
Verraten Sie uns Ihre eigenen Kindheitsgeheimnisse? Wir sind neugierig…