Hörscreening bei Babys

Seit Januar 2009 sind Hörtests bei Neugeborenen Kassenleistung. Wie gut sie wirklich? Denn wahrscheinlich wird jedes zehnte Kind als auffällig getestet.
Seit Anfang des Jahres wird bei Neugeborenen jetzt als bundesweite Kassenleistung ein Hörscreening gemacht. Es gibt zwei Untersuchungsmethoden, meist wird die „otoakustische Emission“ (OAE) getestet. Ist das Innenohr gesund, wird es von Schallwellen gereizt und reagiert. Die Messung ist für das Neugeborene völlig schmerzfrei.
 
Bei gut 700 000 Kindern wird der Test aber negativ auffallen. Doch nicht jeder auffällige Befund muss bedeuten, dass das Kind wirklich schwerhörig ist. Experten vermuten, dass jährlich rund 800 Kinder bereits bei der Geburt massive Hörprobleme haben. Bei allen anderen sei der Hörtest aus anderen Gründen auffällig, etwa weil das Kind noch Fruchtwassers im Gehörgang habe oder anders erkrankt sei.
 
Fachärzte und Initiativen haben sich jahrelang für diese Tests direkt nach der Geburt eingesetzt. Ziel der Untersuchung: Hörbehinderte Kinder sollen möglichst frühzeitig behandelt werden. Schon Säuglinge können ein Hörgerät oder ein Innenohr-Implantat erhalten.
 
Gutes Hören ist gerade in den ersten Jahren besonders wichtig für die gesamte Entwicklung von Motorik, Gleichgewicht und natürlich Sprachentwicklung. Eine Studie über die Langzeitwirkung von frühzeitiger Entdeckung von Schwerhörigkeit gibt es nicht.
 
Für Eltern mit auffälligem Befund wird es jedenfalls nicht leicht. Denn oft fehlen noch die teuren Testgeräte für die sogenannte Hirnstammaudiometrie. Hier wird die Reaktion des Gehirns gemessen – um die Verdachtsfälle auf gut 10.000 einzugrenzen.“Ich habe große Zweifel, ob ganz Deutschland schon für die Einführung der Hörtests gerüstet ist“, urteilt Tadeus Nawka vom Universitätsklinikum Greifswald, Spezialist für frühkindliche Hörstörungen und eigentlich ein Befürworter des Screenings in einem Bericht des Spiegel.
Die Expertin und Gebärdendolmetscherin Karin Kestner hat ebenfalls Befürchtungen: „Die Gefahr besteht, dass Eltern sich unnötige Sorgen machen, besonders Mütter sind in den ersten Wochen nach der Geburt sehr sensibel.“ 
 
Anders als etwa in Großbritannien wird es keine zentrale Leitstelle geben, die Daten sammelt und Eltern zu Nachfolgeuntersuchungen auffordert. Die Screening-Ergebnisse werden laut Beschluss des Bundesausschuss im Vorsorgeheft des Kindes dokumentiert. Ob es zu weiteren Untersuchungen kommt, hängt also vom Kinderarzt und von den Eltern ab.
 
In einigen Bundesländern gab es bereits Modellversuche. Ergebnis: Da die meisten Eltern wissen, dass die Untersuchungen so eine hohe Fehlerquote haben, handeln sie nicht. In Hamburg brachten beispielsweise nur 40 Prozent der Eltern von betroffenen Kindern ihre Babys zu Nachuntersuchung. Insgesamt, so die Schätzung von Experten, könnten mehr als die Hälfte der schwerhörigen Kinder trotz Screenings unbehandelt bleiben. Es gibt auch die Befürchtung, dass sich Eltern zu sehr auf ein positves Testergebniss veranlassen und nicht auf das Hörvermögen achten. Auch Mittelohrentzündungen und andere Erkrankungen können in den ersten Jahren des Kindes zu Schwerhörigkeit führen.
 
Götz Schade, Leiter der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO-Klinik Bonn, erklärt: „Wir werden bald merken, dass wir noch ziemlich weit davon entfernt sind, Hörstörungen bei Kindern möglichst früh und flächendecken.“
 
Was würden Sie sagen, wenn der Hörtest bei Ihrem Neugeborenen auf einen möglichen Hörschaden hindeutet? Würden Sie alle Folgeuntersuchungen absolvieren oder sich sagen. „Die Wahrscheinlichkeit ist so gering, mein Kind ist sicher normalhörend“- Und keine weitere Tests veranlassen?