Glücklich sein – so geht’s!

Die Dipl.-Psychologin Felicitas Heyne hat sich intensiv mit Glück beschäftigt. Im liliput-lounge Interview verrät sie, was dieses Gefühl eigentlich bedeutet und wie gerade Mütter wieder mehr Lebensfreude gewinnen können.

liliput-lounge: Was genau bedeutet denn Glück?

Felicitas Heyne: Ich würde sagen, es gibt zwei Formen von Glück: Einmal das Glück des Augenblicks. Das ist dieses Gefühl, das man hat, wenn man einen besonders schönen Moment erlebt, z. B. etwas Besonderes genießt, frisch verliebt ist oder eine positive Überraschung erlebt. Das ist etwas eher Kurzfristiges, sehr Intensives, das aber – wie die meisten sehr intensiven Dinge – eben auch nicht lange anhält, sondern eher ein emotionaler Ausnahmezustand ist. Und es gibt es die innere Zufriedenheit, also so ein grundsätzliches Im-Einklang-Sein mit dem eigenen Leben als Ganzes. Wenn man das Gefühl hat, das ist alles im Großen und Ganzen gelungen, stimmig und hat einen Sinn. Das ist zwar eine weniger intensive, dafür aber dauerhaftere Emotion.

Junge Mütter sollen immer glücklich sein. Warum ist das so?

Ich denke, das hat viel mit dem Mythos der Mutterschaft zu tun. Mutterschaft gilt immer noch gern als die von der Natur vorgegebene höchste Form der Erfüllung für Frauen. Die Mutter-Kind-Beziehung wird bei uns auch extrem idealisiert und mit Erwartungen und Ansprüchen überfrachtet. Beispielsweise glauben ja immer noch die meisten Deutschen, dass eine Krippenunterbringung dem Kleinkind in seiner Entwicklung schadet – obwohl wissenschaftliche Befunde längst belegt haben, dass das Gegenteil der Fall ist.

Und natürlich tun auch die Medien ein Übriges dazu, indem sie uns mit Bildern von strahlenden Müttern bombardieren. Damit wird eine Druckkulisse aufgebaut.

Haben Sie selbst Kinder? Wie erleben Sie den Alltag von Müttern?

Nein, eigene Kinder habe ich nicht, aber viele Freundinnen und natürlich noch mehr Klientinnen mit Kindern. Selbst die „coolen“ unter ihnen sind oft sehr gestresst – für die Perfektionistinnen (die eindeutig in der Überzahl sind!), ist der Alltag oft kaum zu bewältigen. Sehr wütend macht mich oft, wenn ich erlebe, welchen Spagat Frauen zwischen Familie und Beruf bewältigen müssen.

Das ist ein Dilemma: Entweder, sie sind nicht berufstätig – dann fehlt es ihnen oft an Anerkennung, von finanzieller Unabhängigkeit ganz zu schweigen, und sie sind deshalb unzufrieden. Oder sie versuchen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, dann reiben sie sich oft bis zur totalen Erschöpfung auf. Ganz besonders schwierig ist es natürlich für Alleinerziehende, vor denen kann ich wirklich nur den Hut ziehen.

Darum ist für Frauen der Alltag oft auch so stressig?

Vor allem für berufstätigen Frauen macht die Gesellschaft das Leben schwer – sie gelten als „Rabenmütter“ und auch im Beruf müssen sie sich ständig beweisen. Der gesellschaftliche Wandel, der in den letzten 50 Jahren stattgefunden hat, ist noch nicht in den Köpfen und Beziehungen der Menschen angekommen. Die Männer, die heute Väter sind oder werden, sind meist noch in Familien mit „klassischer“ Rollenverteilung aufgewachsen.Theoretisch wissen sie, dass sie sich auch im Haushalt und in der Kindererziehung zu gleichen Teilen einbringen sollten, und viele starten auch mit den besten Vorsätzen – aber Studien zeigen, dass spätestens nach der Geburt des ersten Kindes wieder 85 Prozent der Haushalts- und Familienarbeit an den Frauen hängt.

Frauen haben heute also nichts an Arbeit abgegeben, sondern einfach ihre früheren Pflichten beibehalten – und eben noch eine Teil- oder Vollzeitbeschäftigung obendrauf gesattelt. Dafür bräuchte man vorneweg eigentlich mal einen 48-Stunden-Tag!

Und vieles von dem Stress ist aber auch hausgemacht von uns Frauen. Sehr viele sind Perfektionistinnen. Statt sich zu sagen, na gut, ich verdiene genauso viel wie mein Mann, also ist es mir entweder piepegal, wenn meine Fußleisten staubig sind, oder aber ich bezahle jemanden dafür, dass er sie mir abstaubt, glauben sie immer noch, alles selber und natürlich perfekt machen zu müssen.

Außerdem können Frauen gerade in Sachen Kindererziehung und -betreuung unglaublich schlecht loslassen und delegieren. Die meisten Mütter schicken den Vater mit dem Kind in den Garten zum Spielen – und stehen dann die Hälfte der Zeit nebendran und nörgeln rum, weil er in ihren Augen alles falsch macht. Das gleiche Spiel findet sich oft beim Thema Hausarbeit. Statt sich mal drauf einzulassen, dass es in vielen Dingen auch anders geht, als sie selbst es machen, machen die Frauen die Sachen lieber gleich selber – und jammern dann, dass der Partner sie nicht genügend unterstützt.

Viele Frauen setzen sich oft völlig unnötig unter Druck, indem sie total unrealistische Idealvorstellungen von Familie hegen – so als Hort von Harmonie und Eintracht und alle sitzen bei selbstgebackenenem Kuchen um den Tisch und basteln in trauter Einigkeit Kastanienmännchen! Sehr viel realistischer ist es, sich zu sagen: Familienidylle ist ein Widerspruch in sich – entweder Familie oder Idylle, beides gleichzeitig geht nicht! Und es locker zu sehen, wenn der Kuchen verbrennt und der Nachwuchs sich die Kastanien lieber gegenseitig an den Kopf schmeißt, als Kastanienmännchen zu basteln.

Was können Frauen denn gegen den Druck und Stress tun?

Erst mal in Ruhe hinsetzen (vielleicht auch mal mit einem guten Coach oder wenigstens einer guten Freundin als Unterstützung) und prüfen:

  • Wie viel von meinem Stress ist sozusagen „strukturell“ bedingt (z. B. fehlende Kinderbetreuung, weite Wege, Wohnsituation, unkooperative Arbeitgeber) und wie viel habe ich unmittelbar selbst in der Hand (z. B. meine hohen Ansprüche an mich und an meinen Partner, meine Kinder und meinen Haushalt)? Und an letzterem ganz dringend mal feilen!
  • Wo nutze ich Unterstützung nicht (aus Perfektionismus, aus falschem Geiz – ich sag immer: Babysitter und Putzhilfen sind viel billiger als Scheidungsanwälte! -, aus Gewohnheit), obwohl ich sie haben könnte? Und wo immer möglich: outsourcen, outsourcen, outsourcen!
  • Mit dem Partner in Ruhe (nicht im Zorn!) mal wieder ein ehrliches Gespräch führen: Wie haben wir uns das alles ursprünglich mal vorgestellt und wie läuft es? Sind wir beide zufrieden oder unzufrieden? Wie können wir das gemeinsam vielleicht besser hinkriegen?

Mit echten Freundinnen, die auch Kinder haben, über die Probleme reden. Die Betonung liegt dabei auf „echt“ – wenn die ehrlich zu einem sind, dann werden die einem höchstwahrscheinlich von ganz ähnlichen Problemen bei sich selbst erzählen, und allein das entlastet Frauen oft ganz ungemein.

Im Gegenzug sollte man sich von den „Supermüttern“ fernhalten, die immer alles besser wissen und ständig behaupten, ihr Alltag sei eine einzige Abfolge von Sonnenschein und Eierkuchen – die lügen.

Die eigene Befindlichkeit wichtig nehmen – sich selbst wichtig nehmen. Und gut für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen, auch wenn es oft furchtbar schwierig ist, sogar fast unmöglich scheint und sich Auszeiten gönnen, sowohl allein als auch mit dem Partner. Kein Mensch kann auf Dauer funktionieren, wenn er seine Batterien niemals auflädt.

Muss es immer ein Balanceakt sein, allen gerecht werden zu wollen – und sich selbst nicht zu vergessen?

Für Frauen vermutlich schon – wir sind einfach zu sehr darauf getaktet, immer alle und jeden zu umsorgen und und für alle in unserer Reichweite verantwortlich zu fühlen. Daran kann man arbeiten, aber ganz abschütteln können wir das nur selten. Bedauerlicherweise weiß unsere Umgebung auch ganz genau, wie wir ticken, und da ist es für viele darin sehr verführerisch, auf den Schalter  „Schuldgefühle“ bei Partnerin, Tochter, Schwiegertochter oder Mutti zu drücken, um auf diesem Weg die eigenen Ziele leichter zu erreichen.

Übungen für mehr Lebensfreude von Dipl. Psychologin Felictias Heyne

Felicitas HeyneGanz toll ist das Zehn-Minuten-Spiel (aus dem Buch von Stephanie Schneider: „Warum Mama eine rosa Handtasche braucht“) Stellen Sie sich vor, Sie seien in einer alten Folge der Dalli-Dalli-Show und Hans Rosenthal verkündete enthusiastisch den Spielauftrag: „Beseitigen Sie die gröbsten Spuren dieses Tages. Welche Dinge stechen Ihnen als Erstes ins Auge?“ Wenn Sie also Punkte auf Ihr persönliches Spielkonto sammeln wollen, dann räumen Sie lieber den Küchentisch ab und hängen die verstreuten Kinderjacken an die Garderobe, als dass Sie endlich mal die hinteren Ecken des Vorratsschranks auswischen.

Stellen Sie die Eieruhr auf zehn Minuten und raffen Sie, was Sie können. Quatschen Sie nicht miteinander, essen Sie nicht und gehen Sie nicht aufs Klo. Es wird das letzte Mal an diesem Tag sein, dass Sie sich beeilen müssen, denn was nach dieser Zeit noch nicht erledigt ist, muss ausnahmslos bis morgen warten. Ab jetzt hat Ihr wohlverdienter Feierabend Priorität. Sie werden sich wundern, wie viel gemütlicher Ihre Wohnung nach dieser kurzen Zeit aussieht. Und keine Alleingänge! Die überschaubare Zeitspanne von zehn Minuten können Sie auch einem zu Recht abgespannten Partner zumuten, den der Gedanke an Hausarbeit nicht besonders begeistert.

Auch gut: Das Glücks-Tagebuch: Ein hübsches Büchlein kaufen und jeden Abend vor dem Schlafengehen mindestens drei Dinge reinschreiben, die heute schön waren, gut gelaufen sind, einen zum Lachen gebracht haben oder auf die man stolz sein kann. Es dürfen auch 100 sein!

Sich klar machen, dass die Zeit mit kleinen Kindern eine begrenzte Zeit ist – und man wahrscheinlich irgendwann in zwanzig Jahren nostalgisch zurückblicken und wehmütig sagen wird: „Ach, weißt Du noch, Schatz, als die Kinder klein waren …“

Das Beste aus der Zeit machen: Mit dem Rhythmus des Kindes leben, statt krampfhaft den eigenen zu halten. Mittagsschlaf etablieren, dann sind die Nächte leichter. Genussvoll vormittags im Café einen Cappuccino in der Sonne schlürfen und dran denken, dass man ohne Baby jetzt in einer langweiligen Marketing-Besprechung im Büro säße. Mehr Zeit für alles einplanen – Kinder und fixe Termine gehen nun mal nicht gut zusammen.

Einen festen Paartermin pro Woche ohne Kind einplanen damit Sie nicht vergessen, dass Sie nicht nur „Mami“ und „Papi“, sondern auch noch „Ulla“ und „Dirk“ sind. Und damit der Vater des Kindes nicht das Gefühl hat, er sei bei Ihnen als Mann nun komplett abgemeldet, nachdem er seinen Zeugungspflichten nachgekommen ist.

Hilfe-Tipp für gestresste Mütter: Sich helfen lassen, und zwar so schnell und so umfangreich wie möglich:
– Mutter, Schwiegermutter, Oma, Nachbarin oder andere hilfreiche Geister einspannen: Zwei Stunden pro Woche sind das absolute Minimum, die Skala ist nach oben offen! Die freie Zeit wird genutzt für Wellness-Behandlungen, Kaffeeklatsch mit Freundinnen (ohne Kinder!), einer Joggingrunde mit dem Hund oder einem romantischen Essen mit dem Partner – NICHT fürs Wäschebügeln, Auto-Ummelden oder Speicher-Entrümpeln!
– Über bezahlte Hilfe nachdenken: Hebammen, Putzhilfen, Bügelfeen, Gärtner … alle billiger als Scheidungsanwalt!
– Im Zweifel professionelle Hilfe holen (z. B. bei einer psychologischen Beratungsstelle, Pro Familia oder dem Jugendamt). Hier bekommt man nicht nur gute Tipps, sondern ggf. auch konkrete Unterstützung).

 

Möchten Sie gern mehr lesen? Felicitas Heyne hat gerade ein neues Buch veröffentlicht: Felicitas Heyne: Glücksfitness – Das individuelle Training für mehr Lebensfreude. Orell Fuessli Verlag, 2010.  192 Seiten, 19,90 €

Mehr Info auch unter:

http://www.heyne.com

http://www.gluecksfitness.de 

 

 

 

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Bild unten: F. Heyne ©privat