Kinder? Die sind laut, nerven und überhaupt – können die das nicht woanders tun, dieses Krachmachen? Immer wieder landen Fälle vor Gericht, in denen gegen Kindergeräusche geklagt wird. Im Berliner Stadtteil Friedenau konnte ein Nachbar per Klage erwirken, dass eine Kita im Haus umziehen musste.
Auch in Hamburg erklärte das Oberverwaltungsgericht, dass Kinderlärm eine „unzumutbare Belastung“ und eine „gebietsuntypische Störung“ in einem besonders geschützten Wohngebiet darstelle. Und in Frankfurt erreichten Anwohner, dass in einem Spielkreis die Bobbycars verboten wurden – über Fälle wie diese wurde immer wieder berichtet.
Familien mit Kindern sind in der Minderheit
„Die Empfindlichkeit derjenigen, die keine Kinder haben, wächst“, erklärte der Sprecher des Münchner Verwaltungsgerichts. Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes erklärt, dass dies daran liegt, dass die Gesellschaft immer mehr „kinderentwöhnt“ sei: „Die Familien mit Kindern sind inzwischen in der Minderheit und gehen unter.“
Das möchte die Bundesregierung ändern. So plant sie unter anderem die Zahl der Krippen- und Kindertagesplätze auszubauen. Damit keine weiteren Klagewellen das Land überfluten hat das Bundeskabinett hat eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und eine Überarbeitung der Baunutzungsverordnung beschlossen. Nun können Kindergärten generell in Wohngebieten erlaubt werden. Das Wortungetüm: „Zehntes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Erhöhung der Rechtssicherheit für Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätze“ soll zusätzliche Sicherheit bringen.
Kinderlärm ist im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung
Mit einem eingefügten Zusatzpassus wird klargestellt, „dass Kinderlärm, der von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen hervorgerufen wird, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung ist“. Bisher machte das Lärmschutzgesetz nämlich keinen Unterschied zwischen Presslufthämmern und Kindern. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) erklärte ausdrücklich, wer Kinder wolle, müsse auch Kinderlärm respektieren, auch in der Mitte von Städten und Gemeinden.
Auch die schwangere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte: „Kinder gehören in die Mitte unserer Gesellschaft und Kindertagesstätten nicht an die Randgebiete verdrängt, sondern da hin, wo die Familien wohnen.“ Sicher seien Kinder laut, machten Krach, weinten, schrien, lachten. „Das sind die Geräusche, die das Leben macht – und niemand von uns war als Kind anders“, betonte Kristina Schröder. „Wir wollen eine kinderfreundliche Gesellschaft – und dazu gehört eben auch, dass es nicht immer mucksmäuschenstill sein kann.“
Kindergärten gehören in Wohngebiete – das steht nun fest
Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, gefällt die Neuregelung: „Kinderspielplätze und Kitas gehören in die Wohngebiete, wo Kinder und Familien wohnen. Kinder dürfen nicht hinter Lärmschutzwände oder ins Gewerbegebiet verdrängt werden. Das wäre ein Signal an Kinder, dass sie stören und nicht gewollt sind.“
Selbst die Senioren- Union, der NRW-Chef noch kürzlich Schlagzeilen mit seinem Einsatz gegen Kinderlärm machte, stellte klar, dass das klare Signal wichtig sei. Der Vorsitzende Otto Wulff: „Als Großvater von zwei Enkeltöchtern freue ich mich darüber, dass nunmehr auch in Wohngebieten fröhliche Kinderstimmen zum ganz normalen Alltag gehören und nicht mehr durch juristische Vorbehalte verhindert werden und verboten werden können.“
Das Recht auf Lärmen gilt aber noch lange nicht
Wird durch dieses neue Gesetz Kinderlärm überall zu hören sein? Wohl kaum, denn Nachbarn dürfen sich noch immer über spielende Kinder in der Nachbarschaft beschweren – wenn diese nicht in einer Kindertagesstätte oder auf einem Spielplatz toben.
Sicher, die Rechtsprechung gibt sehr oft Eltern recht und stützt sogar Kinderrechte. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass Familien nicht überall gern gesehene Mieter sind. Das neue Lärmschutzgesetz soll immerhin die Rechte von Kindern ein wenig unterstützen. Dies gilt aber eben nur für Einrichtungen wie Spielplätze oder Kindergärten. Dass dies überhaupt nötig war, ist traurig genug.
Immerhin können aber nun Kindergärten in Wohngebieten gebaut werden und die Praxis, dass Menschen erst neben einem Spielplatz einziehen und dann gegen ihn klagen, wird auch unterbunden. Das finden nicht alle richtig – eine unrepräsentative Umfrage von tagesschau.de ergab, dass immerhin 30 Prozent der Teilnehmer eine Änderung des Lärmschutzgesetzes zu Gunsten von Kinderrechten ablehnen.
Das gibt wahrscheinlich die gesellschaftliche Grundstimmung wieder. Familien werden es weiterhin nicht leicht haben. Denn die Mehrwertsteuer für Kinderbedarf ist noch immer bei 19 Prozent, Vermieter müssen immer Mieterstreitigkeiten befürchten und Kinderlärm wird weiterhin Grund für Klagen sein – nur nicht eben gegen Kindergärten, sondern gegen Familien.
Auch wenn die Rechtsprechung Kinder vieles erlaubt, gibt es auch wichtige Grenzen:
Informationen zum Thema Mietrecht: http://www.mieterbund.de |
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