Tosca – geplanter Kaiserschnitt geplatzt

„Wir können jetzt keine PDA mehr setzen, das Kind kommt jede Minute!“, erklärte der Arzt – ich lag schon auf dem OP-Tisch und fing an, zu fluchen. Dabei hatte ich alles so gut geplant: Diesmal, beim dritten Kind, wollte ich kein Risiko eingehen und auch die Schmerzen so gut wie möglich vermeiden.

Kind Nummer eins hatte mir mit einer eingeleiteten Geburt mächtige Wehen beschert und Kind Nummer zwei war durch einen Notkaiserschnitt nach nicht minder heftigen Wehen gerade noch gerettet worden. Das wollte ich auf keinen Fall noch einmal erleben, und so bemühte ich mich um einen Termin für einen Kaiserschnitt. Am 9. Januar 2009 sollte der stattfinden, um 7 Uhr früh.

Am Tag vor dem geplanten Kaiserschnitt checkte ich ambulant in der Klinik ein, um noch einmal gründlich untersucht zu werden, die Papiere für die Anästhesie zu unterschreiben und das Ärzteteam kennenzulernen. Ich hatte einen sehr guten Eindruck und bei allem Respekt vor der Operation war ich froh, dass man mir die Sectio ohne langes Reden und Betteln „erlaubt“ hatte.

„Bis morgen früh dann, Frau Finke“, sprach die behandelnde Ärztin, und fügte noch hinzu: „Falls die Blase springt oder irgendwas ist, kommen Sie einfach vorbei“. Ich stutzte kurz, dann vergaß ich diese Bemerkung wieder – allerdings fiel sie mir keine 12 Stunden später wieder ein, als ich nämlich gegen 2:15 Uhr nachts lauwarmes Wasser zwischen meinen Beinen ins Bett laufen spürte. Leichte Wehen hatte ich auch den ganzen Abend schon gehabt, aber das war nichts Ungewöhnliches.

„Ach du Schande“, dachte ich, und weckte meinen Mann auf. „Wir müssen los – ich hatte eben einen Blasensprung!“, klärte ich den schlaftrunkenen Ehegatten auf. Wir überlegten kurz, ob ich einen Krankenwagen rufen sollte, und riefen dann auf der Geburtsstation an, um dort um Rat zu fragen. „Das Köpfchen war ja gestern bei der Untersuchung schon sehr tief im Becken, da müssen wir keine Angst vor einem Nabelschnurvorfall haben – kommen Sie in Ruhe mit dem Auto, wenn Sie Ihre beiden Kinder versorgt haben“, sagte die diensthabende Hebamme.

Und so fuhren wir die 15 Minuten zur Klinik. Das mit der Ruhe klappte allerdings weniger gut, denn ich hatte schon starke Wehen im Auto – alle 2 Minuten und deutlich stärker werdend. Um 2:40 saß ich bei der Anmeldung, während mein Mann das Auto parkte, und füllte unter nun echt schmerzhaften Wehen noch Formulare aus. Dann machte ich mich mutterseelenallein mitten in der Nacht auf den Weg zum Kreißsaal. Im Nachhinein eine ziemlich blöde Idee, denn der Weg war weit (sicher 500 Meter durch menschenleere Krankenhausflure) und ich verlor nun schwallartig Fruchtwasser – und krümmte mich gelegentlich vor Schmerzen, weil die Wehen stärker und stärker wurden.

Um 3 Uhr versicherte mir die Hebamme im Kreißsaal, dass die Ärztin geweckt und unterwegs sei – und machte mir Hoffnung, dass wir mit den Wehenhemmern die Geburt noch bis zum geplanten Kaiserschnitt herauszögern könnten. Dem war dann nicht so: obwohl ich eine zweite Dosis Wehenhemmer bekam, öffnete sich der Muttermund in kürzester Zeit auf 5 Zentimeter… Da wurde ich dann ziemlich eilig zwei Stockwerke tiefer in den OP-Bereich gerollt.

Es war etwa 3:45 Uhr, als das gesamte OP-Team mit Hebamme, Schwesternschülerin, Kinderarzt und Ärztin bereit stand (ich glaube, es waren 8 Mann). Ich war so erleichtert, dass alle zugegen waren und mir den Kaiserschnitt ermöglichen wollten! Mein Rücken wurde orange eingetüncht, wie das bei Operationen so gemacht wird, und ich begab mich auf Geheiß des Anästhesisten hin in „U-Stellung“, krümmte also meinen Rücken.

Mein Mann saß neben mir mit einem grünen OP-Käppi (hinterher sagte er, er sei erst nach 20 Minuten in den OP gelassen worden, das ist mir gar nicht aufgefallen) und hielt mir die Hand. Alles war gut – allerdings hatte ich das Gefühl, gleich Stuhlgang haben zu müssen, und natürlich taten die Wehen ordentlich weh. „Ich habe gleich Stuhlgang!“ warnte ich die Geburtshelfer vor – man will ja keine Scherereien machen. „Das ist das Kind, das gleich kommt!“ antwortete mir die Ärztin. Und die Hebamme am Fußende nickte. Als mir der Narkosearzt dann mitteilte, dass es nun zu spät für einen Kaiserschnitt sei, wurde ich richtig sauer. Nicht auf die Ärzte, sondern auf das Schicksal. So eine Schweinerei – mein toller Plan würde nicht aufgehen!

Unter derbsten Fluchen gehorchte ich wohl oder übel den Anweisungen der Hebamme, die mir sagte, wann ich pressen solle. Anders als bei den ersten beiden Geburten klappte das auch, und die Schmerzen waren absolut auszuhalten. Ich presste, atmete, presste – und das Kind war da! Ich konnte es kaum fassen. So einfach war gebären? Dagegen hatten sich die ersten beiden Geburten eher wie Nahtoderlebnisse angefühlt.

Schade war nur, dass die Plazenta nicht folgte, und ich so doch noch in Vollnarkose versetzt wurde. So musste ich die Kleine noch einmal hergeben – aber mein Mann stand ja bereit, um sich um sie zu kümmern. Und als ich um 6:15 Uhr wieder zu mir kam, standen Mann und Maus an meinem Bett. Eigentlich war es toll, dass es ganz anders gekommen ist, als ich das geplant hatte. Besser hätte es kaum laufen können!

Übrigens: die Ärztin, die den Kaiserschnitt hätte machen sollen, erzählte mir hinterher, dass sie „so eine Ahnung hatte“…