Es gibt ein einzigartiges Organ, dass nur schwangere Frauen haben: Die Plazenta. Sie ist das einzige menschliche Organ, dass nach der Erfüllung seines Zwecks weggeworfen wird – und bei Bedarf, also einer weiteren Schwangerschaft, wieder nachwächst.
Zu Deutsch heißt die Plazenta Mutterkuchen. Dabei erinnert sie nun optisch wahrlich nicht an Gebäck, vielleicht eher an Leber – die ist auch so gut durchblutet. Laut Wikipedia verdanken wir den Gebäcknamen den alten Griechen. ‚Plakous’ ist das altgriechische Wort für Kuchen und hatte denselben Stamm wie das Wort ‚flach’. Im lateinischen wurde daraus der Begriff ‚Plazenta’.
Da die antiken Völker noch keine Kuchenformen kannten waren Kuchen immer flache Gebilde aus leckeren Zutaten. Der Mutterkuchen ist tatsächlich flach und versorgt das Baby mit wertvollen Stoffen zu Ernährung.
Wie funktioniert die Plazenta?
Für Kinder ist die Vorstellung einfach: Die Mama isst einen Teller Spaghetti und das Ungeborene kriegt ein Portion ab. Wie genau funktioniert die Umwandlung der Nährstoffe wirklich? Ab wann wird das Baby vom Mutterkuchen versorgt?
Tatsächlich wird der Mutterkuchen in dem Moment gebildet, wo die befruchtete Eizelle den Eileiter verlassen hat. Für den Körper der Mutter ist diese Eizelle ja zunächst ein Eindringling – denn sie trägt zur Hälfte fremde DNA.
Das Hormon Progesteron sorgt dafür, dass die Gebärmutter das Ei nicht abstößt. Dank seiner Unterstützung kann sich die befruchtete Eizelle in der Schleimhaut der Gebärmutter einnisten. Ein Teil der Eihülle der befruchteten Eizelle wächst in die Gebärmutterschleimhaut ein – und an dieser Kontaktstelle entwickelt sich die Plazenta. Der Mutterkuchen besteht also aus kindlichen und mütterlichen Gewebe. Die Plazenta ist so aufgebaut, dass zwischen dem Blut des Kindes und der Mutter bestimmte Substanzen ausgetauscht werden können, ohne dass sich ihr Blut vermischt.
Im Durchschnitt ist die Plazenta rund 500 Gramm schwer, bei einem Durchmesser von 15 bis 20 Zentimetern. Das Ungeborene ist durch die Nabelschnur, die aus embryonalem Gewebe besteht, mit der Plazenta verbunden.
Die Plazenta wächst während der gesamten Schwangerschaft weiter, um das Ungeborene ausreichend versorgen zu können. Denn die Nährstoffe, die die Mutter mit der Nahrung aufnimmt, werden in ihrem Körper umgewandelt. Die Plazenta muss die Versorgung aufrecht erhalten – und sich dabei immer anpassen, denn sie wächst während der Schwangerschaft.
Nahrung, Sauerstoff und besonderer Schutz
Einzigartig ist die Schutzfunktion der Plazenta. Denn das Kind wird mit Sauerstoff und Nahrung versorgt, ohne dass sich das Blut der beiden mischt. So wird das Ungeborene vor der Übertragung von Krankheiten geschützt. Gelöst wird dies dadurch, dass die benötigten Stoffe aus feinsten Kapillargefäßen in das Plazentagewebe austreten und in feinste Kapillargefäße eintreten – die diesmal aber zum Blutkreislauf des Kindes gehören. So findet kein direkter Kontakt des Blutes statt.
Diese Schutzfunktion der Plazenta ist als Plazentaschranke bekannt. Diese Plazentaschranke kann allerdings nicht alle Schadstoffe aus dem Blut filtern. Bestimmte Krankheitserreger, Gifte wie Alkohol und Nikotin und Medikamente können in das Blut des Kindes gelangen. Aber das Kind bekommt so auch mütterliche Antikörper mit, die dafür sorgen, dass das Baby einen Nestschutz erhält, der es in den ersten Wochen nach der Geburt schützt. Umgekehrt „versteckt“ die Plazenta durch diese Schranke auch das Kind vor dem Immunsystem der Mutter, das sonst das Baby als Fremdkörper erkennen und angreifen würde.
Die Plazenta versorgt das Kind nicht nur, sie produziert auch Hormone, die das Weiterbestehen der Schwangerschaft ermöglichen, indem sie beispielsweise die Regelblutung unterdrücken. So bleibt die Gebärmutterschleimhaut intakt.
Auch bei der Diagnose von bestimmten Krankheiten des Embryos kann die Gebärmutter helfen. Mit einer Nadel wird Plazentagewebe entnommen und auf genetische Veränderungen untersucht. In der frühen Schwangerschaft wird diese Untersuchung Chorionzottenbiopsie genannt, wenn die Plazenta nach der 14. Schwangerschaftswoche voll entwickelt ist, nennt man die Untersuchung Plazentabiopsie.
Fehlfunktionen der Versorgung gefährden das Ungeborene und können Fehl- oder Frühgeburten auslösen. Eine so genannte Plazentainsuffizienz kann eintreten, wenn der Mutterkuchen sich nicht tief genug oder auch zu tief in die Gebärmutterschleimhaut einbettet oder sich frühzeitig ablöst. Auch eine Fehllage der Plazenta eine Placenta praevia, kann problematisch werden. Wenn die Plazenta zu nahe am Gebärmutterhals liegt, muss das meist mit Kaiserschnitt zur Welt kommen.
Und nach der Geburt?
Wenn die Plazenta ihre Aufgabe erfüllt hat, wird sie mit der Nachgeburt aus der Gebärmutter ausgestoßen. Die Geburtshelfer untersuchen die Plazenta sorgfältig, denn es ist wichtig, dass keine Reste in der Gebärmutter verbleiben. Verbleibende Plazentastückchen könnten bei der Mutter Nachblutungen verursachen und die Gebärmutter müsste dann ausgeschabt werden.
Idealerweise sollten die Eihäute der Gebärmutter einen intakten Beutel bilden – mit Ausnahme des Loches, durch das das Kind ins Becken eingetreten ist. Das abgetrennte Ende der Nabelschnur gibt Aufschluss darüber, ob die Gefäße gut entwickelt sind. Und Form und Farbe der Plazenta zeigen an, wie gut das Kind versorgt wurde.
Bei Geburten in Krankenhäusern wird die Plazenta fast immer mit anderem medizinischen Abfall verbrannt. Es gibt aber auch Eltern, die den Mutterkuchen mit nach Hause nehmen wollen. Denn es gibt die Tradition, den Mutterkuchen zu vergraben und darauf einen Baum zu pflanzen. In Sibirien wird er bei den Jakuten dem Vater als Speise gegeben. Bei den Inuit wird die Plazenta getrocknet und dem Kind als erste Speise und später bei besonderen Ereignissen gereicht.
Es gibt auch die Möglichkeit aus der Plazenta homöopathische Arzneimittel oder Pulver herzustellen. Eher befremdlich wirkt es allerdings, dass sich im Internet auch Rezepte Rezepte für Plazenta-Lasagne (die Plazenta ersetzt dabei eine Schicht Käse oder Plazenta-Pizza finden. In der Schweiz kann man sogar Plazenta-Wein bestellen. Schaden kann dies nicht, allerdings ist der Nutzen auch nicht bewiesen.
Doch egal, ob die Plazenta Nährboden für ein Baum liefert oder nicht – sie ist ein einzigartiges menschliches Organ. Viele Mütter mögen sie nach der Geburt nicht angucken, dabei ist sie nicht ekelig. Sie hat ihre Aufgabe erfüllt – dass das Neugeborene natürlich viel interessanter ist, als ein Organ, dass nicht mehr benötigt wird, dass ist auch verständlich.
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