Vor mehr als zwei Jahren, im Herbst 2008, hat die liliput-lounge in Kooperation mit edition riedenburg, dem Verlag von „Der Kaiserschnitt hat keine Gesicht“ zu einer Aktion aufgerufen. Einer Online-Version des Kaiserschnittsbuch.
Zunächst hatte uns das Buch von Caroline Oblasser, Ulrike Ebner und Gudrun Wesp so beeindruckt. Denn es brach ein Tabu. Frauen erzählten offen von ihren Kaiserschnitten und zeigten ihre Narben. Dazu ein umfangreicher Teil mit Fakten und Aufklärung.
Auch die liliput-lounge-Userinnen waren von diesem Buchprojekt begeistert
Das zeigten die vielen Mails und Kommentare. Rea etwa schrieb: „Ich würde mich ablichten lassen für ein solches Projekt, denn genau das ist das, was viele taburisieren. Für mich stellt meine Narbe kein Problem dar, denn sie gehört genauso zu mir wie mein Kind, welches ohne diese Narbe wohl nicht mehr am Leben wäre. Trotzdem hat mich die Situation damals sehr geschafft und es tat gut, mit jemandem darüber zu reden, dem es genauso ging wie mir. Deshalb finde ich auch das Buch super, denn nicht jede Mutter hat den Mut oder den Kontakt, sich über ihre diesbezüglichen Probleme austauschen zu können. Schön finde ich meine Narbe nicht – oft habe ich sie mir weggewünscht – aber ich kann zu ihr stehen – und das sollte jede Frau lernen „können“ bzw. „dürfen“.“
Die Idee war geboren, unsere Userinnen aktiv einzubeziehen – indem wir einen Aufruf an alle Frauen, die eine Sectio hatten, baten sich zu beteiligen. Mittlerweile sind fast 60 Fotos und Fragebögen online. Es sind Geburtsberichte zu lesen, die rührend, aufregend und erschütternd sind – und ganz und gar unterschiedlich. So wie die schwarzweißen Bilder selbst viele verschiedene Narben zeigen. Im Buch werden 60 Narben gezeigt. Das Online-Buch hat nun auch 57 Beiträge, die uns beeindrucken und stolz machen.
Im neuesten Fragebogen hat Userin 57 (Bild, links), die ihr erstes Kind per Kaiserschnitt bekam, ihre Erlebnisse in Worte gefasst. Sie antwortete auf die Frage, ob die Narbe für sie hässlich sei: „Ja und Nein. Momentan fange ich an, sie als einen Teil von mir zu sehen. Danke für die Möglichkeit meine Narbe zu zeigen, zu ihr zu stehen und andere Narben zu sehen.“
Hier ist ihr Geburtsbericht:
„Nachts gegen 3 Uhr bin ich mit Wehen aufgewacht, um halb 5 hab ich dann meinen Mann geweckt, der dann gegen halb 6 im Spital angerufen hat. Dann hab ich noch geputzt, Musik gehört und geduscht, bis es mir nicht mehr so gut ging. Um halb 8 waren wir dann im Spital. Der Muttermund war schon 4-5 cm geöffnet.
Während der Wehen war es mir anfangs total schlecht und ich bin die ganze Zeit rumgelaufen. Ich wusste, dass mein Baby sehr groß war, die Hebamme meinte aber, es sollte schon normal gehen. Als ich dann nicht mehr richtig laufen konnte wurde wieder ein CTG gemacht, die Wehen kamen alle 4 Minuten, dann wurde festgestellt, dass mein Kleiner nicht richtig im Becken liegt, der Muttermund war da schon ganz geöffnet.
Es wurde versucht, dass er sich durch Wechsellagerung richtig dreht, also 10 Minuten auf der rechten Seite, dann 10 Minuten auf der linken Seite… Nachdem dann nach über 1 Stunde grünes Fruchtwasser kam, kam ich ganz schnell in den OP. Dort hab ich schrecklich geweint, da die Geburt so gelaufen ist, wie ich es immer befürchtet habe.
Als mein Sohn geboren war, kam er gleich mit meinem Mann zur Untersuchung, habe ihn nur kurz gesehen. Im Aufwachzimmer, nachdem ich zugenäht war, musste ich noch mehr weinen, weil ich da erst richtig realisiert habe, dass ich gerade ein Kind bekommen habe. Er wurde mir dann gebracht und an die Brust gelegt.
Die ersten 2 Tage konnte ich mich nicht richtig um ihn kümmern, erst am 2. Tag ihn wickeln. Ich hatte schreckliche Schmerzen und konnte kaum gerade laufen. Die ersten Wochen nach der Geburt konnte ich nicht richtig laufen und nur unter Schmerzen aufstehen. Es hat auch eine ganze Weile gedauert, bis ich überhaupt mit diesem Geburtserlebnis klar gekommen bin.
Manchmal finde ich es heute noch traurig, mein größter Wunsch war eine vaginale Geburt. Die ersten Wochen nach der Geburt musste ich jeden Tag daran denken, langsam lässt das jetzt nach 5 Monaten nach.
Durch diese Aktion lerne ich, dass mich meine Narbe nicht verhöhnt und mit dem Finger auf mich zeigt. Eigentlich ist sie auch gar nicht so hässlich, durch sie kam mein wunderschöner Sohn zu mir. Mein Mann findet sie auch nicht hässlich und küsst sie ab und zu, das hilft mir sehr.“
In den Geburtsberichten wie diesem schwingt oft eine Traurigkeit über das entgangene Geburtserlebnis mit. Und genau das, macht diese Aktion so besonders. Sie gibt Frauen, die Möglichkeit ihrem Kaiserschnitt ein Gesicht zu geben. Zu ihm zu stehen und die seelischen und körperlichen Narben zu zeigen. Damit sie verheilen können.
Wir danken allen 57 Userinnen für ihre Offenheit. Sie alle haben mit ihrem Beitrag zur liliput-Aktion „Gesichter des Kaiserschnitts“ beigetragen und damit anderen Frauen viel Mut gemacht. Danke an Euch alle!
Bild oben:© edition riedenburg