Ich habe mich immer gewundert, warum Frauen an Depressionen nach der Geburt leiden und sich nicht darüber freuen, ein gesundes Kind zu haben – jetzt weiß ich es besser! Es ist ein Machtspiel der Gefühle: Glück und Freude gegen Trauer und Wut. Nur das keiner gewinnt, sondern es eine Achterbahn des Kampfes ist…
Mein Sohn ist jetzt fast 4 Monate und ich kann keinen Tag ohne weinen und tiefe Traurigkeit einschlafen! Simon* war ein absolutes Wunschkind. Schon lang bevor ich meinen Mann kennen gelernt habe, habe ich mir meinen Sohn genau so vorgestellt: ein Sonnenschein ohne Haare, der mein Haus zum Glänzen bringt.
Ich wollte das Beste für uns, bin in Frühkarenz gegangen, weil mein Job doch sehr nervenaufreibend sein kann, um mich richtig auf meine Schwangerschaft konzentrieren zu können um ja alles richtig zu machen. Meine Schwangerschaft war absolut problemlos, jetzt im Nachhinein würde ich zwar doch einiges anders machen und auch von meinem Mann mehr verlangen, obwohl er eh aufmerksam war. Aber es war halt auch die dritte Schwangerschaft für ihn und somit nichts Besonderes mehr. Außerdem ist er leider kein Geschenkeschenker und ich habe ihm ja auch nicht deutlich gesagt, was ich mir wünsche oder vorstelle. Aber wer will nicht gerne verwöhnt oder überrascht werden???
Fünf Wochen vor dem Geburtstermin bekamen wir die Nachricht, dass sich mein Sohn nicht gedreht hatte und wir einen Kaiserschnitt machen müssen. Für mich brach eine Welt zusammen. Es war der absolute Horror. Eigentlich wollte ich eine Hausgeburt, weil ich Krankenhäuser nicht mag. Ich hatte die perfekte Hebamme für uns. Alles war perfekt geplant und dann das… Für mich war ab diesem Tag die Schwangerschaft zu Ende!
Das was ich am wenigsten wollte und wovon ich mich am meisten fürchtete stand mir nun bevor. Krankenhaus und Kaiserschnitt. Ich heulte drei Tage durch und verkroch mich in mein Bett. Verstanden hat mich niemand. Warum auch. Ich solle doch froh sein, so bliebe mir wenigsten vieles erspart!!! Und das aus dem Munde meiner Mutter.
Meinem Mann war es sowieso egal, denn seine beiden ersten Kinder kamen auch per Kaiserschnitt zur Welt, für ihn war das normal. Und gerade deshalb wollte ich für uns beide diese Geburt zu Hause erleben, ganz intim und intensiv.
Der Tag kam immer näher und ich versuchte krampfhaft einen Weg zu finden, dem Ganzen zu entkommen und meinen Sohn doch noch gebären zu dürfen. Doch ich fand nichts.
Es war der absolute Horror. Zuerst einen Einlauf. Wozu? Mein Mann war zwar anwesend, stand aber doch nur daneben, ihm war alles egal. „Es ist ja eh gleich vorbei!“!!!! Er verstand mich einfach nicht und war mir so keine Hilfe oder Unterstützung. Dann dieser furchtbare OP-Raum. Die Betäubungsmittel waren so stark, dass ich absolut nichts mitbekam. Ich habe mein Kind nicht geboren, es wurde aus mir rausgeschnitten. Ich merkte zwar, dass mein Mann da war und irgendwann hielt eine Schwester mir ein schreiendes Kind zum Gesicht. Das war mir alles so unangenehm!
Ich wollte dieses Schreien nicht. Ich sah meinen Sohn kurz und drehte mich dann weg. Irgendwann im Aufwachraum kam mein Mann und legte mir mein Kind zu mir. Es war mir egal, er war mir so fremd und mein Mann war es auch. Dann fragt er mich noch, ob ich ihn „eh“ lieb habe.Voller Stolz erzählte er dann jedem, wie gut es mir geht und das die Geburt so toll und super war und ich keine Depressionen hätte. Er hat doch keine Ahnung.
Er war derjenige, der meinen Sohn Simon tragen und waschen durfte. Nicht ich, ich sah in als Letzte. Ich hab ihn erst am dritten Tag nackt gesehen. Auch das Stillen funktionierte nicht. Mein Sohn klappte immer die Zunge noch oben und konnte so nicht trinken. Wenn mein Mann nur bei mir gewesen wäre und mich unterstützt hätte, mir einfach beigestanden hätte und nicht einfach mit seinen Kinder unterwegs gewesen wäre, hätte es vielleicht geklappt. Aber ich war ganz auf mich allein gestellt und er war nicht da. Alle Schwestern fragten mich, wo er denn sei. Als ich sagte, er sei mit seinen Kindern unterwegs, sahen mich alle mitleidvoll an. Gerade für Kaiserschnitt-Mütter wäre doch Stillen so wichtig, eigentlich müsste mein Mann so was wissen, aber seine Blagen waren ihm wichtiger als ich.
Ich entschied mich kurzerhand meinem Sohn lieber das Flasche zu geben, damit wir auch schnell wieder nach Hause konnten. Ich wurde so unwürdig behandelt, die Schwestern meinten es ja gut, aber wer mag schon von Fremden gewaschen werden und einen Katheder haben? Diese Hilflosigkeit. Jeder hat mich angegriffen, meinen Körper begutachtet. Es war so schrecklich. Und dieses Unverständnis von meinen Mitmenschen. Ich verließ das Krankenhaus am vierten Tag auf eigenen Wunsch. Seitdem bin ich zu Hause und leide. Ich liebe mein Kind über alles, aber es fehlt etwas.
Mein Sohn war plötzlich da. Wie ein Stück Vieh wurde ich aufgeschlachtet, eine Frau hat es mal einer Vergewaltigung gleichgestellt. Man lässt es über sich ergehen und hofft, es ist bald vorbei. Man liegt nackt und festgeschnallt auf einen Tisch und es ist so unangenehm, es geht vorüber, aber es ist nicht richtig und es tut so weh – und ich konnte mich nicht wehren. Eine Frau bin ich schon lange nicht mehr. Sex? Kein Interesse. Meine Narbe ist hässlich und ich schäme mich dafür.
Mein Mann hat mir nichts mitgebracht ins Krankenhaus. Hat mich nicht gelobt, nicht mal ein Geschenk, kein gar nichts. Er verbrachte lieber die nächsten zwei Tage mit seinen anderen Kindern statt bei mir zu sein. Obwohl er genau wusste, wie sehr ich leide. Wozu auch? Ich habe doch nichts geleistet. Niemand ist stolz auf mich. Ich auf mich schon gar nicht. Nie wieder will ich so etwas erleben.
Wenn ich jetzt mit meinem Mann rede, um ihm zu sagen was ich denke – dann nimmt er mich einfach nicht ernst. Wenn ich versuche ihm zu sagen, wie ich mich fühle, verdreht er mir die Worte im Mund und macht mir ein schlechtes Gewissen. Gleichzeitig sagt er aber ständig, ich solle reden. Na, was denn nun?
Ich habe ihm erzählt, dass ich eifersüchtig bin, weil er die ersten Minuten mit Simon erleben durfte, ihn berühren und baden durfte. Ich vermisse dieses Erlebnis. Ich lag ja nur weggetreten auf diesem Tisch. Mein Mann zeigte kein Einfühlungsvermögen. Er nimmt vieles für so selbstverständlich. Zum Beispiel, dass ich seine Kinder akzeptiere. Aber seit der Geburt unseres gemeinsamen Sohnes nerven sie mich. Sie stören meine kleine Familie, sind meistens laut und machen Probleme. Aber ich liebe meinen Mann und – zwar sehr. Ich will mit ihm alt werden und für Simon müssen wir tolle Eltern sein.
Von anderen Müttern die „normal“ geboren haben, werde ich nur mitleidig angesehen. Und sie erzählen dann auch noch voller Stolz von ihren Geburtserlebnissen. Ich habe mein Kind nicht geboren und kann es auch nicht richtig versorgen. Was bin ich nur für eine Mutter?
Würde mir mein Sohn nicht so ähnlich sehen, könnte ich ihn vielleicht gar nicht als meinen akzeptieren. Ich liebe den kleinen Mann über alles und mein Herz hüpft vor Freude, wenn er mich anlacht – aber es fehlt etwas. Und das kann mir niemand geben. Was soll ich Simon eines Tages sagen, wenn er mich fragt, wie er auf die Welt gekommen ist?
* Diese Geburtsgeschichte ist auf Wunsch der Eltern anonymisiert worden. Das Foto zeigt nicht die im Artikel genannten Personen. Bild: ©clairity-flickr.com
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