Noah – 134 Kilometer Fahrt mit Wehen

Userin Lisa lebt in Norwegen – und weil ihr Gynäkologe im Urlaub war, musste sie 134 Kilometer ins nächstgelegene Krankenhaus fahren. Und das allein mit ihrem Mann, als Erstgebärende und mit dem eigenen Auto.

Mein Mann und ich leben in Norwegen in einer kleinen Stadt. Ich  muss etwas ausholen um zu erklären, wieso wir in Norwegen gelandet sind. Meine Mutter ist Norwegerin. Meine zwei Geschwister und ich sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Aber wir haben die doppelte Staatsbürgerschaft und sind zweisprachig erzogen wurden. Und wir haben auch viel Familie in Norwegen.

Anfang 2009 war ich wieder einmal dort zu Besuch. Im neugekauften Haus meiner Tante arbeitete ein sehr netter Maler aus Österreich. In den habe ich mich sofort verliebt und ich bin dann direkt in Norwegen geblieben. Mein Mann lebt schon seit drei Jahren hier wegen der Arbeit in Norwegen. Nach einem halben Jahr war ich schwanger!

Hier in unserer Kleinstadt gibt es ein kleines lokales Krankenhaus, es beschäftigt vier Hebammen und einen Gynäkologen. Doch die Sommerferien näherten sich und ich wurde informiert, dass der Gynäkologe in den Urlaub fuhr. Uns würde man zur Sicherheit in das größere Krankenhaus, ca. 2 1/2 Stunden von unserer Stadt entfernt schicken, wenn das Baby käme, denn bei Erstgebärenden könne man nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen kann, was Komplikationen angeht.

Da ich natürlich nicht wusste welche Art von Schmerz auf mich zukommen würde und auch lieber auf Nummer sicher gehen wollte, stimmte ich zu.

Schon mehrere Wochen vor Termin begannen bei mir die Senkwehen, aber als ich am Stichtag etwas stärkere Schmerzen hatte, dachte ich mir schon, dass es jetzt losgehen würde. Nach einer Nacht mit wenig Schlaf und leichten Wehen in fünf bis zehn Minuten Abständen fuhr ich ins lokale Krankenhaus, um checken zu lassen, ob die Geburt jetzt langsam los gehen würde. Meinen Mann hatte ich morgens zur Arbeit geschickt.

Im Krankenhaus stellte man fest, dass der Muttermund etwa ein bis zwei Zentimeter geöffnet war und sagte mir, ich solle wieder nach Hause fahren und in drei Stunden noch mal wiederkommen. Oder eher, sollten die Schmerzen stärker werden. Nach einer Stunde konnte ich kaum noch aufrecht stehen und rief meinen Mann auf der Arbeit an, der natürlich sofort kam und mit mir zurück ins Krankenhaus fuhr.

Jetzt war die Öffnung bei drei Zentimetern und die Hebammen teilten mir mit, dass ich noch heute Mutter werden würde und bitte sofort ins nächste Krankenhaus fahren solle. Und ich dachte: „Mit dem eigenen Auto? Schaffen wir das?“

Unfähig, mir weiter darüber Gedanken zu machen, da ich so starke Schmerzen hatte, schleppte ich mich mit meinen Papieren in der Hand zum Auto und damit begann die schlimmste Autofahrt meines Lebens.

Viel zu schnell fuhr mein Mann fuhr mit mir auf dem Beifahrersitz eine Strecke von 134 Kilometern auf norwegischen, kurvigen, Straßen, mitten im Touristenverkehr. Mit 180 km/h, wo 80 km/h erlaubt waren, raste er mit mir schreiend neben sich an unzähligen holländischen Wohnwagen vorbei. Nicht gerade eine spaßige Angelegenheit.

Wir haben eine Stunde und 20 Minuten gebraucht. Im Nachhinein will ich gar nicht darüber nachdenken, was da alles hätte passieren können. Mein Mann hatte so etwas ja auch noch nie mit gemacht. Woher sollten wir denn wissen ob wir es noch rechtzeitig schaffen würden und das Kind nicht am Straßenrand selber zur Welt bringen müssten?

Als wir endlich im Krankenhaus ankamen, wollte ich, stur wie ich bin, die drei Etagen zur Geburtenstation alleine hoch laufen, Treppe natürlich. Nach etwa zwei Metern waren die Wehen so stark, dass ich diesen Plan direkt wieder vergessen konnte. Ohne mich zu fragen, hievte ein vorbeilaufender Arzt mich in einen Rollstuhl, schob mich in den Aufzug und bevor die Wehe vorbei war, war ich auch schon in der 3.Etage.

Bis dahin hatte ich Wehen mit 30 Sekunden Abständen, der Muttermund war  aber immer noch nur fünf Zentimeter geöffnet. Also musste ein Schmerzmittel her. Da ich absolut keine PDA wollte, entschied ich mich erstmal für die Badewanne.

Ein himmlisches Gefühl. Die Schmerzen wurden endlich weniger, aber auch nur für eine halbe Stunde. Danach musste ich rauf auf das Geburtsbett und dann hieß es abwarten. Vom Beginn der Wehen bis zu diesem Zeitpunkt waren sechs Stunden vergangen. Sechs Stunden mit einer gefühlten einzigen langen großen Wehe. Mittlerweile konnte ich die Schmerzen kaum noch aushalten. Die Hebamme stach also meine Fruchtblase auf, um alles etwas zu beschleunigen und wollte mir dann Akupunkturnadeln zur Schmerzlinderung setzen. Bevor sie dazu kam, schrie ich auch schon: „Ich glaube ich muss pressen!“
 
Und so war es auch. Innerhalb von Minuten war der Muttermund vollständig geöffnet und es konnte losgehen. Nach 35 Minuten Presswehen kam am 25.Juni 2010 um 21.09 Uhr unser toller Sohn Noah mit 3584 Gramm und 49 Zentimetern zur Welt.

Das, was sich so dramatisch anhört, war alles sofort wieder vergessen. Eins habe ich mir aber fest versprochen: Das nächste Kind kommt nicht in Norwegen zur Welt.

Foto: Noah (privat)
 

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