Baby zu verleihen

Vier Teenager-Paare dürfen sich als Eltern probieren: Sie dürfen sich echte Kinder „ausleihen“ und werden dabei von Fernsehkameras begleitet. Das ist das Konzept einer neuen TV-Produktion. Ärzte, Psychologen und die Bundesfamilienministerin möchten die Sendung am liebsten verbieten…
Theresa, Chiara und Alicia  – jeweils 7 Monate alt. Lasse – 10 Monate, Zoé-Marie 14 Monate. Sie sind die jüngsten der „Leihkinder“ und diejenigen, über deren Wohl im Moment besonders viel diskutiert wird. Denn ihre Eltern haben die Kinder einer neuen Fernsehsendung „geborgt“.
 
RTL will das Coaching-Format „Erwachsen auf Probe“ ab dem 3. Juni ausstrahlen und muss sich dabei massive Kritik gefallen lassen. Vier Paare im Alter zwischen 16 und 19 Jahren machen dabei eine Art Eltern-Schnellkurs. Sie bekommen ein eigenes Haus, gehen zur Arbeit und probieren sich als Eltern aus: Zunächst einen Tag mit einer elektronischen Puppe als Baby, dann mit echten Babys, dreijährigen Kleinkindern, Schulkindern und Teenagern. Die Dreharbeiten mit den Babys dauerten bis zu vier Tage, allerdings verbrachten sie in Wirklichkeit die Nacht bei den eigenen Eltern, die auch oft hinter der Kamera anwesend waren.
 
Pressevertreter und Vertreter vom Kinderschutzbund und aus der Politik bekamen in Köln eine Vorabvorführung. Denn der Sender steht zu seinem Konzept, das zum Ziel habe, Teenager-Schwangerschaften zu vermeiden. Doch der TV-Sender, der ja gerne „Ratgeber-Sendungen“ ausstrahlt, betritt mit diesem Format in Deutschland Fernseh-Neuland. Noch nie wurden bisher Babys im Fernsehen „getauscht“ oder „verliehen“. Die Idee kommt aus England, wurde dort sogar im öffentlich-rechtlichen BBC ausgestrahlt.
 
Allerdings ist das Thema „minderjährige Eltern“ auf den britischen Inseln auch brisant. Dort kommen auf 1.000 15- 17jährige jährlich 31 Schwangerschaften – in Deutschland sind es 8. Davon werden etwa 3 bis 4 Kinder geboren, denn 60 Prozent der schwangeren Teenager entscheiden sich für einen Abbruch. Warum nun also minderjährige Eltern auf Probe im Fernsehen?
 
Weil es um Babys, Teenager und Verzweiflung geht? Ist das Ziel wirklich Aufklärung oder eher Zurschaustellung? Das Fazit der Fachleute von der Vorabvorführung der kompletten zweiten Folge des Siebenteilers ist eher hart. Die Vertreterin des Kinderschutzbundes spricht von einer „problematische Botschaft“, dass man Kinder wie Puppen versorgen und ruhigstellen könne, wenn man nur die richtige Gebrauchsanweisung kenne. Ein Vertreter des Verbandes der Ärzte befand das Format als zynisch und menschenverachtend, da die Not und Verzweiflung von Jugendlichen zur Unterhaltung vorgeführt werde.

RTL- Produzent Holger Rettler erklärte in der anschließenden Diskussion, dass das Filmmaterial tatsächlich so zusammengeschnitten sei, dass die Überforderung der jungen Paare in den Vordergrund gestanden habe. Dass die leiblichen Eltern ihre Kinder die ganze Zeit an Monitioren sehen konnten und eine Erzieherin, eine Kinderkrankenschwester und ein Psychologin vor Ort waren, sei ebenfalls in der Sendung nicht zu sehen. Die Kinder seien immer sehr gut betreut gewesen. Eine der beteiligten Mütter betonte, dass sie ihr Kind im Zweifel natürlich nicht habe weinen lassen: „Das wird hier etwas dramatischer dargestellt“, sagte sie. 

 
Warum lassen Eltern ihr Kind bei so einer Sendung mitmachen? Die Hausfrau Katrin B. (31) und Mutter von Lasse (10 Monate) meint dazu: „Er hat einfach Spaß an neuen Dingen und ich habe es auch ein bisschen für ihn gemacht, weil  er einfach auch ein neugieriger kleiner Kerl ist.“ Ob der kleine Junge wirklich Freude daran hatte, vor der Kamera zu stehen und von gänzlich fremden Leuten betreut zu werden?
 
Was meinen Sie? Sollte die Sendung verboten werden? Ist es wirklich eine Aufklärungssendung oder werden hier Kinder und Jugendlich den Fernsehzuschauern vorgeführt?
 
Bild: (c) RTL / Frank Hempel