Ein ganz normaler Augenblick aus dem Leben einer Mutter: Das Telefon klingelt. Aus dem Bad dringt ein: „Mama – Po abputzen!“ von der Zweijährigen und das Baby liegt an Mamas Schulter, weil es immer noch nicht aufgestoßen hat. Woran die Mutter in so einem Moment denkt? Wahrscheinlich daran, dass sie noch Milch einkaufen muss.
Wer im Biologieunterricht aufgepasst hat, der weiß, dass die Größe des Gehirns gleich bleibt, wenn der Kopf ausgewachsen ist. Und dass weibliche Gehirne kleiner sind als männliche. Eine Information, die eventuell bei „Wer wird Millionär“ nützt. Aber sind Hirne von Elefanten nicht auch schwerer? Gibt es Studien über Elefantenkühe nach der Geburt?
Mit Menschen-Mamas beschäftigen sich jedenfalls viele Forscher. Die amerikanische Neurobiologin Louann Brizendine untersuchte in ihrem Buch „Das weibliche Gehirn“ die Veränderungen, die das Gehirn von Frauen während der Schwangerschaft durchmacht. Sie sagt: es ändert sich eindeutig. Und dies könne dazu führen, dass Schwangere plötzlich „anders denken, anders fühlen und andere Dinge für wichtig halten“, so die Wissenschaftlerin. Dies liegt vermutlich an den Hormonen, die vom Fötus und der Plazenta während der gesamten Schwangerschaft gebildet werden, so die These.
Sind es wirklich die Hormone? Ist es nicht irgendwie selbstverständlich, dass andere Dinge wichtig werden, wenn demnächst ein Baby auf die Welt kommt? Sicher plagen die Hormone viele Schwangere. Ich kann mich noch zu gut an mehr als einen Heulkrampf vor Rührung erinnern – oder weil eine winzige Kleinigkeit nicht funktionierte. Meldungen in den Nachrichten, gerade wenn es um Kinder ging, konnte ich kaum ertragen.
Nach der Geburt reguliert sich der Hormonhaushalt nur langsam. Denn immerhin wird das Baby ja auch noch gestillt. Wie sieht es da mit Mamis Hirnzellen aus? Viele unken, dass die ein wenig verschwinden, jeder kennt die Geschichten von stilldementen Frauen, die ihre Haustürschlüssel oder Einkäufe vergessen. Doch liegt diese Schusseligkeit am Hirn – oder am Schlafmangel?
Das Team von die Forscher um Dr. Pilyoung Kim aus dem US-Bundesstaat Maryland hat nun herausgefunden, dass sich das Gehirn von Frauen, die ein Kind geboren haben, innerhalb von wenigen Wochen vergrößert. Bisher waren Forscher eher davon ausgegangen, dass das Gegenteil der Fall sei. Immerhin würden Mütter ja auch nicht geistlich gefordert und klagten über Vergesslichkeit, meinte man.
In der Studie des Institute of Mental Health konnte nun das Gegenteil bewiesen werden. Die Wissenschaftler untersuchten Frauen, die vor kurzem ein Baby zur Welt gebracht hatten und scannten ihre Gehirne wenige Wochen nach der Geburt. Nach drei und nach vier Monaten wurden die Aufnahmen wiederholt. Die Veränderungen waren sehr auffällig.
In immerhin drei unterschiedlichen Bereichen war die graue Hirnmasse gewachsen. Und zwar der Hypothalamus, die Amygdala und der präfrontale Kortex – das sind die Hirnbereiche, die verantwortlich gemacht werden für Motivation, die Verarbeitung von Gefühlen und die Entwicklung von Problemlösungen. Also alles Bereiche, die Mütter auf jeden Fall nach der Geburt reichlich nutzen. Interessanterweise fiel dieses Wachstum besonders stark aus, wenn die Frauen sehr von ihrem Kind und der Mutterschaft schwärmten.
Die genaue Ursache für diese Hirnveränderung soll nun noch untersucht werden. Die Forscher gehen davon aus, dass die Hormone Östrogen, Oxytocin oder Prolaktin das Gehirn beeinflussen – und auch, wie die Mutter das Leben mit ihrem Kind erfährt.
Sind wir denn wirklich alle sehr gespannt auf die Ergebnisse dieser großangelegte Studie? Eher nicht, denn eigentlich bestätigen die Wissenschaftler ja nur, was wir doch schon lange wussten: Mütter verfügen über ein enormes Potential – und wachsen an ihren täglichen Herausforderungen.
Mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen? Etwas, das Mütter schon früh lernen. Denn oft können sie begonnene Aufgaben nicht in einem Anlauf zu Ende bringen. Das Tippen einer Email wird von Gebrüll unterbrochen, auf dem Weg zum Kinderzimmer nehmen sie noch rasch einen Stapel Wäsche mit und kaum ist der Nachwuchs mit frischer Windel versorgt, wird noch rasch das Nudelwasser aufgesetzt. Und dann die Mail zu Ende geschrieben.
Je mehr Kinder hinzukommen, desto mehr Aufgaben – ob die Forscher auch untersuchen, ob Frauen mit mehreren Kinder noch mehr Hirnmasse haben? Naja, wahre Größe ist auf den ersten Blick gar nicht immer zu erkennen. Auch das kennt jede Mutter, die nach einer unruhigen Nacht und einem anstrengenden Tag mit einem Baby mit Blähungen gefragt wird: „Und was hast du heute so den ganzen Tag gemacht?“
Forschung: Pilyoung Kim, James F. Leckman und James E. Swain, Department of Human Development, Cornell University, Ithaca, Child Study Center, Yale University School of Medicine, New Haven, und Department of Psychiatry, University of Michigan, Ann Arbor; und andere. Veröffentlichung: Behavioral Neuroscience, Vol. 124(5), pp 695-700, DOI 10.1037/a0020884
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