Jugendherberge? Bei dem Wort denken viele noch immer an Klassenreisen, Hagebuttentee und strenge Schließzeiten. Auch Andrea aus Bremen erklärt, dass die Liebe ihrer Familie zu Herbergen zufällig begann. „Mein Mann und ich haben vor acht Jahren eine Radtour durch Süd-Schweden geplant. Freunde gaben uns den Tipp im Vandrarhem unterzukommen. Wir mochten die unkomplizierte Stimmung in diesen Gästeherbergen.“ Zwei Jahre später hatte waren Andrea und ihr Mann Eltern geworden.

„Wir wollten nicht weit reisen. Und begannen im Internet zu gucken, ob es nicht auch in Deutschland familienfreundliche Herbergen gibt.“ Die Familie war erstaunt, wie viele Möglichkeiten sie fanden. „Für uns ist das ideal. Auch im Hotel müssten wir ja das Zimmer teilen, aber unsere Tochter findet immer schnell Spielpartner und wir mögen es, dass wir den nötigen Komfort haben, den wir brauchen und alles irgendwie locker ist“, sagt Andrea. „Mittlerweile waren wir in acht verschiedenen Jugendherbergen, allerdings haben wir nie Hagebuttentee angeboten bekommen.“ Die Öffnungszeiten sind für erwachsene Besucher flexibel. „Oft gibt es einen Code, mit dem die Tür zu öffnen ist, oder aber eine Karte,“ weiß Andrea. Vor einigen Wochen war die Familie im Harz zum Rodeln, das nächste Ziel ist der Bodensee. „Wir entdecken gerade ganz viele Orte vor der eigenen Haustür neu.“
Jugendherbergen werden zu Familienherbergen
Immer mehr Familien schätzen die Angebote der deutschen Jugendherbergen. Auch die Herbergen richten sich nach dieser noch relativ neuen Zielgruppe. Etwa ein Fünftel aller Übernachtungen im Deutschen Jugendherbergswerk entfallen auf Familien. „Dieser Anteil steigt jährlich“, sagt Knut Dinter, Sprecher des DJH. „Viele Standorte werden den besonderen Bedürfnissen von Eltern und Kindern besonders gerecht.“
Rund 100 Jugendherbergen sind als familienfreundlich zertifiziert. Dafür müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen, dazu gehören Familienzimmer, kindgerechte Ausstattung mit Kinderbetten und -stühlen, Fläschchenwärmern, Babyphone und Kindersicherungen in den Steckdosen. Und es gibt spezielle Kinderspielbereiche und Essen, das auch den jüngsten Gästen schmeckt.
„Sehr beliebt sind spezielle Programme“, erklärt Knut Dinter. Viele Herbergen bieten spezielle Komplettangebote. Etwa Reiten und Entspannen in der Heide, Familien-Outdoor-Tage auf der Schwäbischen Alb, Segelkurse am Steinhuder Meer oder Geocaching mit GP im hessischen Grävenwiesbuch. Auch für Großeltern mit Enkelkindern gibt es Angebote, etwa ein Mehrgenerationen-Camp. Viele der kreativen oder sportlich aktiven Erlebnispakete richten sich auch ausdrücklich an Alleinreisende mit Kindern, die sich entspannen können, wenn der Nachwuchs sich mit einer Betreuerin auf die Suche nach den Spuren der Indianer begibt oder Zirkusluft schnuppert.
Urlaub im Schiffsbauch, Baumhaus oder in einer alten Burg
Einige Jugendherbergen sind vor allem wegen ihrer Lage wunderschöne Reiseziele, viele Nord- und Ostseebäder, etwa Kühlungsborn, Dahme oder Zingst bieten sich für Tage am Meer an. Auf der Insel Wangerooge wohnen Gäste im Westturm, einem Wahrzeichen der Insel, auf Rügen in der längsten Jugendherberge der Welt – im geschichtsträchtigen „Koloss von Prora“. In Plauen residierten Besucher in einer ehemaligen Feuerwehrwache und in Strehla in einer ehemaligen Windmühle.
Besonders beliebt sind auch ehemalige Gutshäuser und Burgen. Die Kaiserburg in Nürnberg ist nach einer aufwändigen Renovierung fast ein Designer-Hotel. Ebenfalls modern im inneren ist auch Burg Stahleck in Bacharach in Rheinland-Pfalz. Das Ritterschloss aus dem 12. Jahrhundert bietet einen Blick auf das Tal der Loreley und dem Rhein – und für seine Besucher Zeitreisen-Ambiente.
Oder wie wäre es mit ein paar Nächten im Baumhaus oder im Tipi? Das bietet die Jugendherberge in Lauterbach in Thüringen an. In Mecklenburg-Vorpommern können Familien sogar in Baumhäusern nächtigen, die an Bienenwaben erinnern. Die neuen Designer-Baumhäuser der Jugendherberge „Grüne Wiek“ in Beckeritz, 15 Kilometer entfernt von Wismar, wurden 2012 eingeweiht.
Ritterwoche oder Abenteuerreise an die Küste
In vielen Herbergen, auch in Beckeritz oder auf der Burg Stahleck, können Komplettangebote gebucht werden. Bei Familienwochenende in „Grüne Wieck“ kann der Strand mit Fackeln erkundet werden, eine Stadtführung zeigt das Wismar Störtebekers und Bogenschießen, Lagerfeuer und Stockbrot warten auf Entdecker. Das Programm auf den Spuren der Abenteuer und Piraten kostet mit Vollpension und zwei Übernachtungen im Baumhaus für Erwachsene 149 Euro, für Kinder von 3 bis 5 Jahren 109 Euro.
In Burg Stahleck lockt ein „Burgen-Sommer“. Kinder dürfen sich in kleine Burgfräulein und Ritter verwandeln, es gibt eine Planwagenfahrt zum Erlebnisbauernhof, eine geführte Funzelwanderung, Ritterspiele, Kreativwerkstatt und ein Rittermahl. Nach einer spannenden Burgführung wird das Geheimnis der heimlichen Hochzeit auf Burg Stahleck gelüftet. Sechs Übernachtungen mit Vollpension kosten im Familienzimmer für Kinder von 4 bis 14 Jahren 139,95 Euro, für Jugendliche über 15 Jahren und Erwachsene 279,90 – Kinder unter vier Jahren reisen kostenlos.
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Reservierungen und Preise
Wer mag kann in den Jugendherbergen ein paar Nächte – oder aber einen kompletten Urlaub buchen. Allerdings sind die Familienherbergen vor allem in den Sommermonaten sehr beliebt, so dass rechtzeitig gebucht werden sollte. Das Reservierungssystem des DJH bietet einen Überblick, wo noch etwas frei ist. Einen Überblick über die vielen Komplettangebote bietet eine Broschüre, die kostenlos bestellt werden kann oder per Download einsehbar ist.
Die Preise in den unterschiedlichen Jugendherbergen sind – je nach Ausstattung und Art der gewählten Übernachtung – unterschiedlich. Eine Übernachtung mit Frühstück kostet selten mehr als 25 Euro. Für den Aufenthalt ist es nötig, Mitglied des Deutschen Jugendherbergswerks zu werden, eine Jahresmitgliedschaft erhalten für Familien 20 Euro. Mehr Informationen beim Deutsches Jugendherbergswerk, Service-Tel. 05231/74010 und unter www.jugendherberge.de.[/box]