Erstsemester-Screening

Das Risiko einer Chromosomenabweichung oder einer Erkrankung des ungeborenen Kindes kann heute mit Hilfe von Computern ermittelt werden. Doch wie genau funktionieren Früh-Screenings und wie aussagekräftig sind die Berechungen?

„In Ihrem Alter sollten Sie einen Test auf Down-Syndrom machen lassen.“ Werdende Mütter, die älter als 35 Jahre sind, hören diesen Satz auf jeden Fall von ihrem Frauenarzt. Nach den Mutterschaftsrichlinien sind die Ärzte gehalten, mit den Frauen über diese Tests zu sprechen. Auch jüngere Schwangere werden zunehmend mit der Frage konfrontiert, ob sie ihr ungeborenes Kind auf Chromosomenfehler untersuchen lassen möchten.

Die meisten Gynäkologen empfehlen zunächst eine statistische Riskikoeinschätzung – auch Frühscreening genannt. Ergeben diese Test eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit für eine Behinderung, wird dann eine Fruchwasseruntersuchung oder Chorionzottenbiopsie durchgeführt, falls die Schwangere einwilligt.

Frühscreening
Risikoeinschätzung mit Frühscreening („© panthermedia.net nyul)

Entscheidend ist, dass die Gebärmutter beim Frühscreening nicht angetastet werden muss, es ist also vollkommen gefahrenlos für das Ungeborene. Es gibt drei verschiedene Testverfahren, deren Ergebnisse für sich genommen aber noch keine Aussagekraft haben. Zusätzliche Faktoren wie das Alter oder das Gewicht der Schwangeren und die genaue Schwangerschaftsdauer müssen hinzugezogen werden. Die Auswertung erfolgt dann mit Hilfe von Computer-programmen.

Triple-Test
Bei diesem Test wird das Blut der Schwangeren auf die Hormone HCG und Östriol und auf das Alpha-Fetoprotein (AFP) untersucht. Ein erhöhter AFP-Wert weist auf eine Mehrlings-schwangerschaft oder auf einen Neuralrohrdefekt sein. Ein niedriger Wert kann ein Zeichen für Down-Syndrom sein. Dieser Test kann zwischen der 16. Schwangerschaftswoche und der 18. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, allerdings sind die Ergebnisse meist sehr ungenau, daher wird er kaum noch angewandt.

Nackentranzparenzmessung
Im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung wird die Nackenfalte des Ungeborenen gemessen. Es wird überprüft, ob sich in der Nackenregion auffällig viel Flüssigkeit angesammelt hat. Wenn diese eine bestimmte Dicke erreicht, kann dies ein Hinweis auf eine Chromosomenabweichung – beispielsweise ein Down-Syndrom – sein. Auch auf Herzfehler, Skelettanomalien oder veränderte Blutwerte beim Baby kann diese Erhöhung hindeuten. Liegt eine auffällige Nackenfalte vor, wird die Schwangere an einen Spezialisten überwiesen. Dieser errechnet am Computer das statistische Risiko, wobei das Alter der Mutter, die genaue Schwangerschafts-dauer und die Größe des Ungeborenen mit einbezogen werden.Der Nackentransparenz-Test wird meist zwischen der 12. SSW und der 14. SSW durchgeführt. Viele Frauenärzte bieten den Test im Rahmen der allgemeinen Schwangerschafts-vorsorge an.

Erstrimester-Screening
Bei dem so genannten Ersttrimester-Screening wird zum einen der Nackenfaltentranzparenz-Test gemacht, zum anderen wird das Blut der Schwangeren untersucht. Beim Blut wird auf Hormon- und Eiweißwerte geachtet: Das HCG (Humanes Choriongonadotropin) ist ein Hormons, das im ersten Drittel der Schwangerschaft gebildet wird und die Ausschüttung des Schwangerschaftshormons Progesteron bewirkt. Ein erhöhter Wert kann auf eine Chromosomenstörung beim ungeborenen Kind hinweisen. Auch auf das in der Plazenta gebildete Eiweiß PAPP-A (pregnancy associatet plasma protein A) wird geachtet. Ein niedriger PAPP-A-Wert weist ebenfalls auf eine eventuelle Chromosomenanomalie hin.

Der Ersttrimester-Test wird zwischen der 11. SSW und der 13. SSW durchgeführt. Das Ergebnis wird mit einem Computerprogram ausgewertet. Die Grundlage bilden das Altersrisiko, die Blutwerte und die Nackentranzparenz, das Gewicht der Schwangeren, die Schwangerschaftsdauer und Riskiken wie Rauchen und bekannte Anamolien in der Familie.

Resultate nicht immer treffsicher
Wichtig ist: Die Testresultate liefern keine Diagnose. Sie sind eine Risikoeinschätzung als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen. Und sie besagen lediglich eine rechnerische Wahrscheinlichkeit. Die Aussage kann lauten: „Ihr Risiko liegt bei 1 :3000, dass das Kind ein Down-Syndrom hat“. Anders gesagt: Mit 99,7 Prozent Wahrscheinlichkeit ist das Kind gesund.

Auffällige Werte schließen keinesfalls aus, dass die Schwangere ein völlig gesundes Kind zur Welt bringt. Sie können jedoch zunächst zu einer großen Verunsicherung der schwangeren Frau beziehungsweise der werdenden Eltern führen, die möglicherweise ganz unnötig ist.Und oft sind die Befunde dieser Testverfahren fehleranfällig. Es hängt zum Beispiel von der Wahl des Computerprogrammes ab und wie gut der Arzt dieses beherrscht. Wenn der Zeitpunkt der Empfängnis unklar ist, die Schwanger Unter-oder Übergewicht hat oder über 35 Jahre alt ist, steigt das Risiko der Falsch-Positiven Auskunft. Da das Alter beispielsweise als Riksikofaktor eingerechnet wird, steigt gleich die Wahrscheinlichkeit. Ensprechend erfahren die Betroffenen von einem Risiko, das in Wirklichkeit so gar nicht vorhanden ist (falsch-positiv).

Die Stiftung Warentest hat sich mit den Erstemester-Screening in ihrer Februar-Ausgabe beschäftigt. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass viele Frauen sich Sorgen machen, wenn sie die Teilergebnisse hören. Doch nur das kombinierte Risiko aller Faktoren zählt.

Die Tipps der Experten, worauf Sie achten sollten:

  • Qualitätsstandards: Studien zeigen, dass nur Untersucher mit Erfahrung und hochwertigen Geräten zu verlässlichen Ergebnissen kommen. Meist erfüllen Schwerpunktpraxen für Pränataldiagnostik, Krankenhäuser mit besonders qualifizierten Untersuchern und Pränatalzentren an Universitäten diese Anforderungen.
  • Ersttrimesterscreening: Erkundigen Sie sich bei dem Arzt, der die Nackentransparenz misst, ob er dafür zerti­fiziert ist. Die Zertifikate der FMF-England (Fetal Medicine Foundation), der FMF-Deutschland und der Degum (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) sichern eine gewisse Qualitätskontrolle.
  • Verlässlichkeit: Besprechen Sie mit Ihrem Arzt das gewählte Verfahren. Das englische Programm hat bislang wissenschaftlich die breiteste Datengrundlage über seine Verlässlichkeit.
  • Unsicherheitsfaktoren: Nach dem derzeitigen Kenntnisstand besteht für Frauen mit einem Körpergewicht von deutlich über oder aber unter 60 Kilogramm erhebliche Unsicherheit bei den Ergebnissen der Risikoberechnung mit dem Programm der FMF-Deutschland. Ähnliches gilt für Frauen, die rauchen oder nichteuropäischer Herkunft sind.
  • Zweitmeinung: Sie können ein Prä­nataldiagnostik-Zentrum oder auch ­eine humangenetische Beratungsstelle bitten, Ihre Werte noch einmal durchzurechnen.
  • Analyse: Versuchen Sie nicht, die Werte mithilfe von Internetangeboten selbst zu interpretieren. Die Basis der Berechnungen ist so unterschiedlich, dass Fehlinterpretationen, Verwirrung und Fehlentscheidungen fast nicht zu vermeiden sind. Fragen Sie Ihren Arzt.
  • Qualitätssicherung: Das Einhalten von Qualitätskriterien obliegt den Ärzten, die die Werte ermitteln. Extern kontrollierte Anforderungen zur Qualitätssicherung der Ultraschallmessungen und Laborwerte wurden zum Recherchezeitpunkt nicht gestellt. Demnächst sollen sich Ärzte jedoch bei dem Internetanbieter zertifizieren lassen können.
  • Zeitfenster: Wollen Sie die Wahrscheinlichkeit für ein Kind mit einem Chro­mosomenfehler eingrenzen? Besprechen Sie diesen Wunsch mit dem Arzt frühzeitig. Denn etliche Untersuchungen sind nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters sinnvoll.
  • Abbruch? Kommt ein Schwangerschaftsabbruch für Sie überhaupt infrage? Wenn Sie das sicher ver­neinen können, ist ein Ersttrimesterscreening für Sie nutzlos. Denn am Ende jeder Bestätigung einer Chromosomenabweichung steht die Frage: Die Schwangerschaft fort­setzen oder abbrechen? Andere Möglichkeiten gibt es nicht.
  • Gewissheit: Wenn Sie die größtmögliche Sicherheit über die Chromosomenausstattung Ihres Kindes haben wollen, kommt nur eine Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasserentnahme infrage. Nichts anderes sonst kann Gewissheit liefern.
  • Kosten: Die Kosten für Risikobe­rech­nungen muss die Schwangere tragen – beim Ersttrimester­screening etwa 180 Euro für Blutuntersuchungen, die Messung der Nackentrans­parenz und die Berechnung.