Claudia Tröger (43) ist Mutter von sechsjährigen Zwillingstöchtern. Die gelernte kaufmännische Angstellte ist Kursleiterin in einer Familienbildungstätte und begleitet seit mehren Jahren Zwillings- und Mehrlingsfamilien in Gruppen. Im liliput-lounge Interview berichtet sie über ihre eigenen Erfahrungen in der Schwangerschaft und den ersten Monaten mit Zwillingen.
War es für Sie eigentlich eine Überraschung, als Sie erfahren haben, dass Sie Zwillinge bekommen?
Ja. Obwohl es bei uns in der Familie liegt, habe ich überhaupt nicht mit Zwillingen gerechnet. Es war einer der schönsten Momente meines Lebens, als die Frauenärztin zu mir sagte: „Gucken Sie mal: Zwillinge“. Mir rollten die Tränen runter, das war unfassbares Glück für mich.
Wie haben Sie sich darauf vorbereitet Zwillingseltern zu werden?
Wir haben einen ganz normalen Geburtsvorbereitungs- und einen Säuglingspflegekurs besucht. Mein Mann und ich haben sehr viel geredet und versucht, alles so gut wie möglich zu organisieren.
Wie sah das konkret aus?
Wir haben uns Literatur besorgt, viel im Internet geguckt. Für mich war der Austausch in Foren sehr wichtig. Für die erste Zeit haben wir uns rechtzeitig viel Babykleidung geliehen. Und eben viel organisiert, was im Alltag entlasten kann. Da unsere Familien in einer anderen Stadt leben, habe ich mir zusätzliche Unterstützung gesucht. Wir haben einige Stunden täglich eine Haushaltshilfe in Anspruch genommen, die mir im Alltag half und einfach da war, etwa wenn ich duschen wollte.
War die Schwangerschaft schwierig?
Nein, ich hatte eine sehr ruhige, komplikationslose Schwangerschaft. Gegen Ende der Schwangerschaft war es dann allerdings wurde es schon etwas beschwerlicher für mich. Aber die Vorfreude hat alles wettgemacht.
Kann man eigentlich spüren, dass zwei Kinder im Bauch sind?
Kommt sicher immer darauf an, wie sie liegen. Ich habe die Mädchen einzeln deutlich gespürt und auch gemerkt, dass eines sehr lebhaft ist und das andere eher sehr gemütlich schien. Die Charakterzüge haben sie tendenziell auch beibehalten.
Wie war die Geburt?
Natürlich unendlich aufregend. Da eine Beckenendlage vorlag, war es ein geplanter Kaiserschnitt. Meine Töchter wurden in der 38. Schwangerschaftswoche geboren und wogen 2220 und 2670 Gramm. Das waren zwei Arme voll Glück. Das kann man gar nicht in Worte fassen. Wieviel Glück wir hatten, ist mir auch heute erst so richtig bewusst, denn sehr viele Zwillinge sind Frühgeburten, oft noch sehr unreif. Und dann ist der Start ins Leben natürlich sehr viel schwieriger.
Was war in der ersten Zeit nach der Geburt besonders wichtig?
Die Unterstützung meines Mannes. Ich hatte ehrlich gesagt in der ersten Zeit jeden Abend Panik vor dem nächsten Morgen. Die 14 Tage nach der Geburt war mein Mann zu Hause mich in jeder Hinsicht unterstützt. Nachdem sein Urlaub endete, war ich tagsüber auf mich allein gestellt. Aber dank einer mehrwöchigen Haushaltshilfe und einem Babysitter konnte ich langsam in die Situation reinwachsen.
Wieso die Panik?
Ich hatte Angst, der Aufgabe als Mutter nicht gewachsen zu sein. Ich wollte alles geben, beiden emotional gerecht werden und damit habe ich mich selbst sehr unter Druck gesetzt.
Was half dagegen?
Es gab eine körperliche Notbremsung in Form einer Brustentzündung und sehr hohem Fieber. Das war eine Art Schlüsselerlebnis, denn als ich diese akute Situation gemeistert hatte, fühlte ich, dass ich es schaffen würde. Nebenbei erhielten wir eine erste Zwillingslektion, die wir so auch langsam gelernt haben: Die Kinder haben gar nicht die gleichen Bedürfnisse. Eine meiner Töchter trank die Muttermilch lieber aus der Flasche.
Funktioniert das Stillen von Zwillingen?
Prinzipiell ja, auch bei Zwillingen gilt das Prinzip, dass das Angebot die Nachfrage regelt. Die Muttermilch reicht also für beide. Man kann die Kinder gleichzeitig oder hintereinander stillen. Oder die Milch abpumpen und mit dem Fläschen geben. Es hilft sich gute Stillpositionen und das richtige Anlegen von einer Stillberaterin oder eine Hebamme zeigen lassen.
Und was war in den ersten Monaten besonders schön?
Die Wärme, das Kuscheln und das Stillen. Diese zwei kleinen Menschen sind ein Teil von mir und das ist so ein besonderes warmes Gefühl. Sie im Arm zu halten, die Liebe zu spüren. Die vier winzigen Händchen zu spüren. Nachts lagen sie eingewickelt mit bei uns im Bett und wir haben das sehr genossen.
Worauf sollten Zwillingsmütter in den ersten Wochen besonders achten?
Auf sich selbst. Auf eigene Ruhephasen achten, gucken, dass der Partner, Großeltern, Freunde oder Babysitter entlasten können. Und sich keinen Stress machen, auf das eigene Bauchgefühl hören. Ob man stillt oder das Fläschen gibt, ein Familienbett hat oder nicht: Es gibt keine richtige oder falsche Lösung. Jede Familie muss ihren eigenen Weg finden. Und die ersten Wochen sind für alle ja noch eine Kennenlernphase. Das ist ja auch bei „nur“ einem Baby so.
Wie sieht das denn mit Schlaf aus, gibt es den für Zwillingseltern?
Ja, aber sehr unterschiedlicher Art. Meine Töchter hatten anfangs keinen gleichen Rythmus. Wir haben das so gelöst, dass jedes Elternteil Nachts jeweils ein Kind betreut hat und dann schlief, wenn das Kind schlief.
Konnten Sie denn die Kinder unterscheiden?
Da sie zweieiige Zwillinge sind, war das kein Problem. Aber es gibt Kinder, die sich so ähnlich sehen, dass es auch den Eltern schwer fällt, sie zu unterscheiden. Da helfen unterschiedliche Frisuren und verschiedene Kleidung. Es ist wirklich wichtig, die Kinder von Anfang an als Individium wahrzunehmen und sich auch Zeit nur für ein Kind zu nehmen. Dann merkt man auch schnell die Charakterunterschiede.
Ist es nicht gut, sie gleich anzuziehen?
Ach, das darf man alles nicht so eng sehen. Es ist ja auch einfach niedlich, wenn sie die gleichen Sachen tragen. Ab einen bestimmten Alter wollen sich viele Kinder auf jeden Fall von einander abgrenzen. Manche möchten aber auch als Kindergartenkinder plötzlich gleich gekleidet sein. Die Kinder sollten das selbst mitbestimmen dürfen.
Gab es Kommentare von Ihrer Umwelt, die Sie genervt haben?
Wenn man mit einer Zwillingskarre herumfährt, wird man ständig angesprochen. Das ständige „Süß – aber die viele Arbeit…“ war manchmal nervig. Warum sehen die Menschen vor allem die Arbeit, aber nicht das doppelte Glück?
Wie können andere Zwillingseltern unterstützen?
Mit Zeit. Taten helfen mehr als kluge Worte. Also mal eine Runde mit den Kindern spazieren fahren oder Essen vorbereiten, so dass die Mutter es nur noch aufwärmen muss. Und einfach fragen, was man tun kann.
Was ist noch wichtig?
Ein verständisvoller Partner. Denn zwei so kleine Kinder eine riesige Umstellung. Die Kinder stehen im Mittelpunkt und da muss der Mann ganz schön zurückstecken. Auch ein gutes Netzwerk ist sehr wichtig. Egal ob Babysitter, Freunde oder Großeltern, es ist immer gut, Menschen zu haben, die im Notfall einspringen können. Oder die man einfach mal anrufen kann, um sich auszutauschen. Für mich war auch der Austausch sehr wichtig und heute ist er die Basis unserer Zwillingsgruppe.
Noch eine letzte Frage: Was braucht man eigentlich an technischer Ausstattung?
Auf jeden Fall zwei Kindersitze für das Auto und eine gute Geschwisterkarre bzw. einen Doppel-Buggy. Da gibt es mittlerweile richtig schöne und wendige. Es gibt sogar auch Babytragen für Zwillinge. Ansonsten fällt mir nichts Konkretes ein. Am Anfang können die beiden auf jeden Fall das Zimmer, vielleicht sogar ein Bett teilen. Im Bauch haben sie ja auch zusammen gekuschelt. Viele lieben diese Nähe und Enge am Anfang noch sehr. Wenn die Zwillinge dann später mobiler werden, suchen sie sich immer mehr einen eigenen Weg. Wenn möglich, sollte dann auch jedes Kind ein eigenes Zimmer haben.
Das ist sicher auch reichlich aufregend! Vielen Dank für das Interview.

Claudia Tröger
Fotos: privat