Ausgerechnet im November – die Sonne hat sich schon seit Tagen nicht blicken lassen, kam Stefan (42) ziemlich blass nach Hause. Seit Wochen hatte er sich nicht gut gefühlt und endlich hatte er sich zum Arzt geschleppt. Der untersuchte den zweifachen Familienvater sehr gründlich. Und ordnete sofort eine Überweisung ins Krankenhaus an. „Morgen wird ein CTG gemacht, es könnte ein Tumor sein“, erzählt Stefan seiner Frau Wiebke.
Wiebke liegt abends schlaflos im Bett. Was, wenn Stefan wirklich eine bösartige Erkrankung haben sollte? Wie soll es dann weiter gehen? Und was ist eigentlich, wenn auch sie selbst einen Unfall oder ähnliches hätte? Wer würde sich um die vierjährige Liv und ihren zweijährigen Bruder kümmern?
Die Vormundschaft wird von Amts wegen festgelegt – aber die Eltern können Einfluss nehmen
Die wenigsten Eltern machen sich Gedanken darüber, wie die Rechtslage aussieht, wenn beide Elternteile sterben, wenn die Kinder noch minderjährig sind. Die meisten glauben, dass die Großeltern oder die Taufpaten dann zuständig sind. Doch so sieht es das Gesetz nicht: Paten und Verwandte sind nicht automatisch zu einer Vormundschaft verpflichtet.
Wenn beide Eltern versterben, ist das Sorgerecht durch das in Deutschland geltende Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eindeutig geregelt: Ein Familiengericht wird von Amts wegen die Vormundschaft über das Kind festlegen. Das Gericht entscheidet in der Regel nach einer Empfehlung des Jugendamtes und wird eine geeignete Person aus dem Umfeld der Vollwaise auswählen. Meist werden Familienangehörige bevorzugt.
Eltern können allerdings auf diese Entscheidung Einfluss nehmen, und zwar indem sie in ihrem Testament einen Vormund benennen können, der nach ihrem Tod für ihr Kind sorgen soll. „Vererben“ kann man ein Kind nicht, denn auch wenn die Eltern einen Wunschkandidaten haben, wird ein Familiengericht überprüfen, ob dies wirklich im Sinne des Kindeswohls ist.
Mit einem „Eltern-Testament“ können Eltern bestimmen, wer für den Fall der Fälle als Vormund eingesetzt werden soll. Die Eltern können aber auch bestimmte Personen ausdrücklich ausschließen. Neben einem Vormund sollte gleichzeitig auch ein Ersatzvormund benannt werden, da im Laufe der Zeit der ausgewählte Vormund nicht zur Verfügung stehen könnte. Haben Eltern einen Vormund (bzw. Ersatzvormund) bestimmt, so muss das Familiengericht ihn auch ernennen. Vollwaisen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können der Bestellung des Vormundes widersprechen.
Was sollte im Elterntestament stehen?
Eltern können gemeinsam eine Sorgerechtsverfügung verfassen. So ein „Eltern-Testament“ muss genauso wie jedes andere Testament bestimmte Formalien erfüllen. Eltern können sich an einen Notar wenden oder selbst ein Schriftstück aufsetzten. Wichtig: Das Eltern-Testament muss handschriftlich aufgesetzt werden und von beiden Eltern persönlich unterschrieben werden. Maschinengeschriebene Testamente sind ungültig, wenn sie nicht von einem Notar erstellt worden sind. Namen und Vornamen, Wohnort und Datum nicht vergessen. Wer unsicher ist, sollte bei einem Notar Rat suchen.
In diesem Testament können die Eltern erklären, wer nach ihrem Tod als Vormund für die Kinder sorgen soll. Dies sollte natürlich abgesprochen sein. Es ist auch sinnvoll, einen Ersatzvormund zu bestimmen, falls der eigentlich geplante Vormund, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen, das Amt gar nicht ausüben kann. Wichtig ist auch, dass ein Vormund das Kind laut Gesetz nicht unbedingt zu sich nehmen muss. Er kann bestimmen, dass das Kind beispielsweise in einer Pflegefamilie oder in einem Heim leben soll. Das können Eltern durch eine gute Absprache mit ihrem Wunschvormund verhindern und entsprechende Vereinbarungen im Testament aufnehmen.
Eltern können in so einer Verfügung auch bestimmte Verwandte vom Sorgerecht ausdrücklich ausschließen. Bei geschiedenen Eltern bleibt das Sorgerecht beim überlebenden Elternteil. Sollte dieser ebenfalls versterben, so gilt die letzte Verfügung.
Ein Eltern-Testament sollte immer wieder aktualisiert werden: Kann der Wunschkandidat immer noch die Vormundschaft zu übernehmen? Ist Oma zu krank geworden oder die Patentante mittlerweile selbst vierfache Mutter? Wenn eine neue Entscheidung nötig ist, müssen Eltern das Testament aktualisieren.
Es ist nicht geregelt, wo so ein Testament aufbewahrt werden muss. Sinnvoll ist es, auf jeden Fall alle Familienunterlagen zu sammeln, so dass im Notfall alles schnell gefunden werden kann.
Jedes gültige Testament muss dem Nachlassgericht vorgelegt werden. Dort kann man es auch – wie auch bei einem Notar – gegen eine Gebühr schon vorher hinterlegen.
Wenn ein Elternteil stirbt kann übrigens der überlebende Elternteil das Testament, und auch die gemeinschaftliche Benennung eines Vormundes, alleine wieder ändern.
Und das Erbe?
Mit dem 18. Lebensjahr ist das Kind volljährig und der Vormund ist aus der Pflicht entlassen. Mit dem Erreichen der Volljährigkeit erben Vollwaisen auch das elterliche Vermögen. Wenn Eltern befürchten, dass das Kind damit überfordert ist, dann können sie einen Testamentsvollstrecker einsetzen und verfügen, dass das Kind das Erbe erst mit 25 Jahren oder mit 30 Jahren bekommt. Der Testamentsvollstrecker wird solange über die Erbschaft bestimmen – allerdings immer im Sinne des Erbes. So kann aus dem Erbe auch eine Ausbildung oder ein Studium finanziert werden.
Haben die Kinder kein nennenswertes Vermögen geerbt, erhalten sie eine Waisenrente, wenn die Eltern früher in die Rentenversicherung einbezahlt haben. Die Berufsgenossenschaften zahlen bei Tod durch Arbeitsunfall oder durch Berufskrankheiten.
Stefan und Wiebke hoffen, dass sie selbst von den Einzahlungen in die Rentenkasse profitieren werden. Denn Stefans vermutlicher Tumor hat sich als harmlose Verwachsung herausgestellt. Trotzdem werden beide sich nun mit den Paten ihrer Kinder besprechen und ein Eltern-Testament aufsetzen. „Wir möchten einfach, dass alle wissen, was wir uns für die Kinder wünschen“, erklären die Eltern.