Belohnung als Erziehungsstil?

Userin Franziska* schildert, warum bei ihrem Sohn ein ganz besonders Erziehungstil funktioniert: Belohnung. Ihr Mann kritisiert dies als Bestechung. Was rät Expertin Sabine Felgenhauer und was meint die liliput-lounge Community? Diskutieren Sie mit!

„Ich kann mich noch gut an das erste Mal erinnern. So lange ist es ja noch nicht her, und seit diesem ersten Erfolg, habe ich die Methode perfektioniert. Die Rede ist von meinem besonderen Erziehungstil: Ich nenne ihn Belohnung. Mein Mann meint, es sei Bestechung – aber ganz egal, wie man es nennt. Bisher klappt es prima.

Leo ist jetzt vier Jahre alt und ein kann ein ziemlicher Sturkopf sein. Zwischen seinem zweitem und dritten Lebensjahr war es besonders schlimm. Er bekam Wutanfälle ohne Ende. Gleichzeitig fing ich wieder an zu arbeiten, Leo kam in die Krippe und er musste einfach lernen, dass ich nicht mehr soviel Zeit für ihn hatte. Das war gar nicht einfach. Die Eingewöhnung in der Krippe klappte eigentlich ganz gut – allerdings war es schwierig, dass er nach dem Abholen furchtbar klammerte. Eines Tages waren wir im Drogeriemarkt, als er unbedingt auf den Arm wollte.

Doch mein Kleiner ist ein ziemlicher Brocken – ich konnte einfach nicht das Kind und einen Einkauf tragen. Voller Wut warf er sich auf den Boden: „Böse Mama!“ Ähnliches schienen auch die anderen Leute im Laden zu denken, ich bekam jedenfalls keine freundlichen Blicke. Und dann sagte ich: „Wenn du jetzt aufstehst, bekommst du eine Milchschnitte.“ Es funktioniert! Leo wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und strahlt mich an: „Jetzt Schnitte?“ Das war das erste Mal, das ich merkte, dass Belohnung bei Leo Wunder wirken.

Auch die Windeln habe ich ihm so abgewöhnen können. Jedes Mal, wenn er mit einer trockenen Hose aus dem Kindergarten kam, habe ich ihm einen bunten Aufkleber geschenkt. Und nach fünf Aufklebern gab es eine Überraschung. Vorher war es ihm scheinbar egal, ob sein Po nun feucht war oder nicht – aber die Überraschungen, die wollte er haben. Beim ersten richtigen „Geschäft“ auf dem Klo bekam er die Lego-Dinos, die er sich schon lange gewünscht hat. Ab da war immer sehr eifrig. Nach zwei Monaten war er komplett trocken – die Überraschungen fielen natürlich immer ein wenig kleiner aus.

Mit meiner Methode hat Leon auch schon das Alleine-Anziehen gelernt und trödelt auch morgens nicht mehr herum. Denn wenn er sich beeilt, bekommt er auf dem Weg in den Kindergarten ja auch einen Keks.

Mein Mann Sven allerdings findet das System blöd und meckert viel darüber. Leider streiten wir uns nun öfter wegen Leos Erziehung, sicher auch deswegen, weil nun das zweite Kind unterwegs ist.

Ich hatte überlegt, dass Leo zur Geburt seiner Schwester im Mai ein Geschenk bekommt. Wenn er uns dann in der Klinik besucht, soll sie ihm ein Polizeiauto „schenken“. Von so einem Geschwistergeschenk habe ich schon öfter gehört. Sven findet das unmöglich. Er wirft mir vor, ich würde Leo gnadenlos erpressen, er würde seine Schwester sicher auch ohne ein „Bestechungsgeschenk“ toll finden.

Auch meine Mutter meint, dass mein Erziehungsstil falsch wäre, weil Leo immer etwas erwarten würde. Aber was soll denn daran falsch sein, dass Leo schon toll trocken ist, keine Wutanfälle mehr bekommt und jetzt immer so gut mitarbeitet?“

Was halten Sie von Franziskas Erziehungsmethode? Diskutieren Sie unten im Kommentar mit.

Hier die Antwort von der Erziehungswissenschaftlerin und familylab-Seminarleiterin Sabine Felgenhauer:

Liebe Franziska,

vielen lieben Dank für Ihren Beitrag – sicher eine Frage, die viele Eltern beschäftigt.

Eltern stehen unter einem enormen Druck und Ihrer Schilderung entnehme ich die Frage „wie geht Erziehung?“

Ihr Sohn Leo scheint ein Kind zu sein, das sehr genau weiß, was es möchte. Das ist eine gute Sache – leider möchten unsere Kinder nicht immer zur gleichen Zeit dasselbe wie ihre Eltern. Das kann uns eine gute Gelegenheit geben, uns gegenseitig besser kennenzulernen und auch unsere Fähigkeiten, schulen mit schwierigen Situationen umzugehen und Konflikte zu lösen.

Eine Möglichkeit, Konflikte nicht aushalten zu müssen, haben Sie für sich entdeckt. Diese Vorgehensweise erscheint Ihnen als praktisch, da Leo erst mal gut funktioniert und sich so verhält, wie Sie es sich wünschen.

Sie können damit viele Unannehmlichkeiten (die Wut Leos, die Blicke ihres Umfeldes) umgehen.

Aktuell spüren Sie auch Widerstand – von Seiten anderer Erwachsener, die ihre Methode in Frage stellen und damit kommt die Frage auf: Welche Nebenwirkungen hat ihre süße Medizin?

Gerne möchte ich Sie einladen, sich einigen Fragen zu widmen, um so für sich mehr Klarheit zu finden. Nehmen Sie sich ruhig etwas Zeit für die einzelnen Fragen. Wenn Sie mögen, können Sie später ihre Ergebnisse auch mit ihrem Partner oder ihrer Mutter diskutieren.

  • Was hat Leo gelernt?
  • Was hat Leo über sich gelernt?
  • Was hat Leo gelernt in Bezug auf „eigene Bedürfnisse“ äußern und wahrnehmen?
  • Was hat Leo gelernt in Bezug auf Konflikte und Konfliktlösungen?
  • Was hat Leo über Sie gelernt?
  • Was hat Leo gelernt „wie die Welt funktioniert“? oder
  • Welches Weltbild formt sich gerade in ihrem Kind?
  • Welchen Umgang mit ihrer Person würden Sie sich an Leos Stelle wünschen?
  • Was brauchen Sie, um in schwierigen Situationen Lösungen zu finden, die Ihnen und ihrem Sohn gerecht werden?

 

Spontan kommt mir ein Bild zum Namen ihres Sohnes und vielleicht können Sie mir ja zu diesem Bild folgen. Leo – steht das nicht auch für Löwe? Ich verbinde mit einem Löwen viel Kraft und Stärke. Auch Willensstärke und Mut. Positive Eigenschaften, die wir an erwachsenen Menschen schätzen! Ich möchte Sie nicht als Löwenbändigerin sehen, die mit einem wilden Löwen in der Manege eine Show abzieht. Viel besser gefallen Sie mir in der Rolle der Löwenmutter – die um ihre eigene Stärke wissend stolz mit ihrem Sohn und der restlichen Löwenfamilie Seite an Seite durch die Steppe zieht.

Und mal ehrlich, was können einer Löwenmutter ein paar Blicke von der Seite anhaben?

Ich freue mich weiter auf Ihr kritisches Hinterfragen und wünsche Ihnen weiter viel Stärke, Mut und Freude beim Abenteuer Familie.

Herzlich

Sabine Felgenhauer

 

Sabine Felgenhauer, M.A. (geb. 1971) ist studierte Erziehungswissenschaftlerin. Die zweifache Mutter arbeitet in verschiedenen Bereichen der Erwachsenen- und Familienbildung. Unter anderem als PEKiP-Gruppenleiterin, als Referentin für den PEKiP e.V. und als ausgebildete Familylab-Seminarleiterin.

http://www.freiraum-fuerth.de
http://www.familylab.de

* Name auf Wunsch geändert
Das Bild oben ist ein Agenturbild: © Alex Motrenko für istockphoto.com
Bild S. Felgenhauer: © privat


 

 

1 Gedanke zu „Belohnung als Erziehungsstil?“

  1. Der kleine Leo lernt damit seine Mama zu manipulieren. Die kleinen wissen genau was sie dürfen und was nicht und oft auch was die Eltern möchten. Durch den Erziehungsstil wird im ersten Moment der Konflikt behoben aber wie geht es Leo damit? Er ist zb wütend und unterdrückt seine Gefühle um dafür etwas materielles zu erhalten. Die Mama möchte keinen Stress,Kind unterdrückt Gefühle und merkt dass sein Verhalten nicht erwünscht ist. Wenn er Älter wird kann das sehr große Ausmaße annehmen wie zb kein Zugang zu seinen Gefühlen, Schwierigleiten in zwischenmenschlichen Beziehungen und sehr viel materielles denken und auch Manipulation sowie Definition über GegenStände um sich als Person zu sehen. Kinder mit ihren Gefühlen wahrnehmen und aushalten und sich gegenseitig verstehen wollen sind für ein Erlernen des SozialVerhaltens sehr wichtig. Jeder soll sein Kind so erziehen wie er es für richtig hält, aber die möglichen Konsequenzen sollten einen Bewusst sein und damit muss man dann klar kommen.
    Alles Liebe für euch und viel Freude mit dem Geschwisterchen.

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