Mit einer Liebe auf den ersten Blick auf einer Hochzeitsfeier begann die Liebesgeschichte von Ines und Sandro aus Mecklenburg-Vorpommern. Im Spätsommer 2001 verliebte sich das Paar. Sie zogen zusammen, hatten eine Traumhochzeit und wünschten sich eine gemeinsame Zukunft als Familie.
Doch nach zwei Jahren gemeinsamen Hoffens war klar: Nur mit Hilfe einer künstlichen Befruchtung kann Ines schwanger werden. Und weil die gelernte Bürokauffrau noch keine 25 Jahre alt war, beteiligte sich die Krankenkasse nicht an den Behandlungskosten. Das Paar beginnt zu sparen. Keine Geschenke, keine weiten Reisen. Dafür Wochenenden mit dem Wohnwagen und gemeinsame Träume vom Familienglück, das dank der modernen Medizin vielleicht doch möglich ist.
Die Beiden beginnen mit einer Kinderwunschbehandlung in einer Klinik in Neubrandenburg. „Das war Zittern, Bangen und Hoffen,“ sagt Ines. Die erste In-Vitro-Fertilisation (IVF) ist erfolglos. Doch Ines beginnt ein zweites Mal die aufwändige Behandlung, setzt sich Hormonspritzen, lässt sich Eizellen entnehmen. Zwölf Eizellen werden befruchtet, drei werden eingepflanzt. Die anderen neun befruchteten Eizellen werden eingefroren. Doch auch der zweite Versuch scheitert.
Ines und Sandro müssen zunächst mit der Enttäuschung fertig werden. Eine dritte Behandlung in Deutschland können sie sich finanziell nicht leisten. Sie beschließen einen weiteren Versuch – dieses Mal in Polen. Für Juli 2008 haben das Paar schon einen Termin in einer Klinik, Ines spritzt bereits Hormone, dann geschieht das Unfassbare: Sandro hat einen Motorradunfall und stirbt. Er wurde nur 31 Jahre alt.

Zunächst ist Ines wie gelähmt. Was soll jetzt aus dem gemeinsamen Traum werden? Sie und Sandro haben sich so sehr Kinder gewünscht. Ines beschließt, die Behandlung weiterzumachen. Denn in der Klinik warten ja die ihre Eizellen. „Keiner wusste eigentlich Bescheid, wie es jetzt weitergeht in so einem speziellen Fall, “ sagt sie. Man erklärt ihr, dass es nicht möglich sei, ihr die Eizellen zu geben, damit sie diese im Ausland einsetzen lassen könne. Denn in Deutschand ist es laut Embryonenschutzgesetz verboten, dass jemand „wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Verstorbenen befruchtet.“ In vielen anderen Ländern ist die Rechtslage anders, die polnische Klinik hat kein Problem damit, Ines die Eizellen mit dem Samen ihres Mannes einzusetzen.
Doch das deutsche Klinikum weigert sich, die Eizellen herauszugeben. Ines sucht Hilfe bei der Anwältin Silke Mettner. Doch für das Gericht ist die Situation eindeutig. Die Klage wird im August abgewiesen. Die Klinik darf der Frau mit dem Kinderwunsch die eigenen Eizellen nicht geben. Der Richter: „Man darf nicht eine in Deutschland strafbare Handung im Ausland ermöglichen, auch wenn sie dort straffrei wäre.“
Die Eizellen wurden zwar bereits befruchtet und befinden sich im so genannten Vorkernstadium, die Befruchtung ist allerdings noch nicht abgeschlossen – dies passiert erst beim Auftauen. Für Rechtsanwältin Silke Mettner ist es trotzdem nicht so eindeutig, dass dies wirklich strafbar sei. Denn schließlich habe der Befruchtunsprozess ja im Einverständnis beider Eheleute statt gefunden. „Der Strafparagraph setzt ein aktives Handeln voraus, das wäre hier nicht nötig, nach dem Auftauen würde die Befruchtung automatisch weiterlaufen,“ erklärt die Anwältin.
Ines kann das Urteil nicht verstehen: „Es sind doch auch meine Eizellen. Wir haben so viel mitgemacht und nun sollen diese wertvollen befruchteten Eizellen einfach vernichtet werden?“ Besonders schwer fällt es ihr auch den Richterspruch zu verstehen, weil die Rechtslage im Ausland so anders aussieht. In den USA wurde eine Frau sogar drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes mit dessen Samen befruchtet.
Auch in vielen europäischen Ländern würde Ines sofort behandelt werden. „Selbst im katholischem Polen dürfte ich die Behandlung machen. Ich verstehe einfach nicht, warum nicht einem Kind das Leben schenken darf, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte.“
Ob sie es nicht merkwürdig finden würde, ein Baby von einem Toten zu bekommen, wurde Ines oft gefragt. „Ich wäre so stolz darauf, wenn ich unser Kind bekommen dürfte. Und ich würde meinem Kind ja auch viel von seinem Vater und von der besonderen Geschichte erzählen.“
Zur Zeit lagern die Eizellen gegen eine jährlich Gebühr von 55 Euro im Klinikum Neubrandenburg. Noch hofft Ines, dass sich die Rechtslage ändert. Die Kosten für den Prozess von 10 000 Euro muss die junge Frau allein tragen. Trotzdem gibt sie nicht auf. Mutig geht sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit. Denn kaum jemand kennt die Rechtslage, und andere Paare könnten schnell in eine ähnliche Situation kommen. „Ich kämpfe nicht nur um unser Baby,“ sagt Ines. Sie hat eine Online-Petition entworfen und hofft auf Unterstützung. Gegen den Richterspruch hat sie jetzt Berufung eingelegt.
Wie ihre Chancen in der nächsten Instanz stehen? Das ist noch ungewiss. Nach Ansicht von Experten sind ungewollt kinderlose Paare in Deutschland deutlich schlechter gestellt als im europäischen Ausland. „Das Embryonenschutzgesetz ist dringend überholungsbedürftig“, so der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klaus Diedrich in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Wie ging es weiter?
Das Oberlandesgericht hat Ines tatsächlich Recht gegeben, hier haben wir noch einmal darüber berichtet. Dem Wunsch der Witwe wurde stattgegeben, sie durfte die befruchteten Eizellen in eine ausländische Klinik mitnehmen.
Bei dem ersten Transferversuch in Polen wurden sechs Eizellen aufgetaut, beim zweiten Versuch im April die übrig drei. Doch direkt nach dem Auftauen mussten die Ärzte fest, dass keine der insgesamt neun Eizellen überlebt hat. Warum keine der Zellen intakt blieb, darüber rätseln selbst Experten.
Für Ines bedeutet dass, sie die Tatsache akzeptieren muss, dass sie nie ein Kind mit ihrem Mann Sandro haben wird. Doch bei aller Traurigkeit ist Ines sicher, dass sich der lange Kampf gelohnt hat, wie sie Ende April in einem Interview der Ostsee-Zeitung erklärt. „Ich weiß nun, dass ich wirklich alles versucht habe, unseren gemeinsamen Kinderwunsch zu erfüllen.“