Kein Kontakt zu den Enkeln

Manchmal ist eine Trennung der Eltern der Grund – oder ein schlimmer Streit. Zwei Frauen schildern, warum es in ihrer Familie keinen Kontakt zwischen Enkeln und Großeltern gibt. Eine Intitiave setzt sich für kämpferisch für das Recht der Kinder auf Großeltern ein…

„Es gibt gar keinen Kontakt mehr. Das ist auch gut so“

Ute und Erik Langner* sind ein Bilderbuchpaar. Sie haben ein schönes Reihenhaus am Stadtrand von Hamburg, Erik arbeitet erfolgreich im Vertrieb eines Großkonzerns und beide sind stolz auf ihre beiden Töchter – die fünfjährige Marla und das knapp ein halbes Jahr alte Baby Jule. „In diesem Jahr wird uns Weihnachten allerdings schon etwas fehlten, “ meint Ute. Denn in den letzten Jahren hat ihre Mutter bei der kleinen Familie die Festtage verbracht. Doch die Oma starb im Frühjahr. „Zum ersten Mal hat Marla jetzt nach ihrer anderen Oma gefragt, dass war schon eine schwierige Situation, “ berichtet die Mutter.

Denn die Mutter von Erik kommt im Leben der Familie nicht vor. Erik spricht nicht gern über das Thema: „Es gibt gar keinen Kontakt mehr. Das ist auch gut so.“ Doch wie kam es dazu? Vermissen er und die Kinder wirklich nichts? „Nein. Diese Frau hat jedes Recht verwirkt. Wenn sie sich wirklich mal melden würde, ich würde wahrscheinlich nicht wollen, dass sie die Kinder kennen lernt.“ Harte Worte. Und das von einem Mann, der sich als Familienmensch versteht.

Der Bruch entstand vor fast 15 Jahren. Schon vorher war die Beziehung zwischen Erik und seinen Eltern nicht einfach, nach dem Tod seines Vaters konnte der Sohn seiner Mutter nichts Recht machen. Als er 1995 seine Freundin mitbrachte, fragte seine Mutter die nur nach den Berufen der Eltern. Und war kalt und abweisend. Am nächsten Tag erklärte sie ihrem Sohn, dass er den Familienbetrieb nicht erben würde, wenn er sich mit „so einer aus so einem schlechtem Stall“ weiter treffen würde. Doch Erik liebte seine Ute  – er verzichtete lieber auf den elterlichen Betrieb.

„Ich glaube schon, dass er sich gewünscht hätte, dass sie auf uns zukommt“, meint Ute rückblickend. Weder zur Hochzeit, noch zur Geburt oder Taufe einer der Töchter kam Eriks Mutter – sie war ausdrücklich eingeladen. Für Marla und Jule bedeutet die Kontaktsperre, dass sie ohne Großeltern aufwachsen.

„In der neuen Familie war kein Platz mehr für mich“

Ob das auch für den sechsjährigen Ben gilt? Seine Großmutter Karin Imhorst weiß es nicht. Seit zwei Jahren hat sie ihren Enkelsohn nicht mehr gesehen. Hat nicht einmal ein aktuelles Bild von ihm. Und dass, obwohl sie ihn in den ersten vier Jahren mindestens an zwei Tagen in der Woche betreut hat. Für Karin ist die Situation oft unerträglich. „Immer wieder und immer wieder gehe ich die letzten Situationen im Kopf durch, überlege, was ich anders hätte machen können. Jetzt vermisse ich mein Enkelkind gerade besonders. Adventszeit ohne Kinderlachen, ohne Plätzchen backen und ohne Geschenke. Das ist ganz, ganz traurig“, sagt sie leise.

In den ersten Jahren als Großmutter war sie immer da. Ihre Tochter war allein erziehend und mit Job und Kind of überfordert. „Manchmal kam es mir so vor, als ob ich die Hauptkontaktperson von Ben war;“ sagt seine Oma. Sie holte den Kleinen vom Kindergarten ab, zwei Nächte in der Woche schlief er bei ihr. „Ich wollte meine Tochter entlasten. Und habe die Nähe zu dem Kind genossen.“

Doch dann lernt ihre Tochter einen neuen Mann kennen. Und zieht in eine andere Stadt. „In der neuen kleinen Familie war plötzlich kein Platz mehr für mich. Ich wurde nicht gebraucht und war nicht mehr erwünscht.“ Es kommt zu einem Streit. „Dann rief mich meine Tochter an und erklärte, dass ich nicht mehr kommen dürfe. Es sei für Ben wichtig, dass er sich in seiner neuen Umgebung einleben könne. Die Kindertherapeutin habe gesagt, dass dies nur ginge, wenn er mich nicht sieht.“ Für Karin beginnen endlose leere Monate. In denen sie hofft, Briefe schreibt und keine Antworten erhält. „Ich sehe keine Chance für mich, dass ich wieder in Kontakt treten kann. Selbst wenn ich vor Gericht ginge, sehe ich nicht, dass es etwas nützt.“

Karin schreibt nun ein Buch für ihr Enkelkind. „Ich klebe Fotos ein, schreibe auf, was ich gerne mit ihm unternommen hätte, rede in Gedanken mit ihm. Vielleicht kann ich es ihm ja irgendwann einmal geben.“

Ausgegrenzte Großeltern

Der häufigste Grund für einen Kontaktabbruch zu den Großeltern ist eine Trennung oder Scheidung. Eltern wollen mit ihrem alten Leben brechen – und für Oma und Opa ist dann kein Platz mehr. Besonders oft sind es die Eltern der Väter, die ihre Enkel auf diese Weise verlieren. „Es kommt aber immer häufiger vor, dass auch die eigenen Töchter die Enkelkinder entziehen“, sagt Rita Boegershausen, Sprecherin der Bundesinitiative Großeltern von Trennung und Scheidung betroffener Kinder. Meist ist dann ein neuer Partner im Spiel. „Es ist wohl eine Möglichkeit, Macht auszuüben“, glaubt Boegershausen.

Die „ausgegrenzten“ Großeltern, wie sie sich selbst bezeichnen, sind keine Ausnahme. Gut ein Drittel aller Ehen geht in Deutschland in die Brüche. Rund 150.000 Kinder sind laut Statistischem Bundesamt jährlich von Scheidungen betroffen – hinzu kommen Kinder von Eltern ohne Trauschein. Innerhalb eines Jahres verlieren die meisten betroffenen Kinder den Kontakt zu einem Familienzweig.

Eigentlich hat der Gesetzgeber das Recht der Kinder auf ihre Großeltern sogar festgeschrieben. Seit der Reform des Kindschaftsrechts 1998 wurde das Umgangsrecht gesetzlich festgeschrieben (§ 1685 BGB). Aber es gibt einen entscheidenden Zusatz: „wenn dieser (Umgang) dem Kindeswohl dient“. Und genau deswegen haben Großmütter wie Karin wenig Hoffnung. Denn ist der Kontakt schon seit Jahren unterbrochen.

Außerdem gibt keine Sanktionsmöglichkeiten, wenn der sorgeberechtigte Elternteil eine Beziehung zu den Großeltern nicht zulässt. Eltern von Eltern können zwar einen Antrag auf eine Umgangsregelung stellen. Doch diesen Schritt scheuen viele. Auch Karin Imhorst. „Ich habe Angst mein Enkelkind dann endgültig zu verlieren. So habe ich immer noch ein bisschen Hoffnung“, sagt sie.

Sicher, in Fällen wie bei Familie Langner scheint auch die Großmutter keine Beziehung zu wollen. Doch oft ist es anders. Dann leiden Großeltern und Kinder. Vor allem nach einer Trennung der Eltern ist für die Kinder ein doppelter Verlust.

Der ehemalige Richter und jetzige Anwalt Jürgen Rudolph kritisiert die deutsche Rechtsprechung. „Es ist eine Frage der Herangehensweise an den Konflikt“, erklärt er. Das Kindschaftsrecht sei „eindeutig auf die Erwachsenen fokussiert“, so der Familienrechtler. „Das Sorgerecht ist wie eine Verfügungsgewalt über ein Objekt, eine Art Eigentumserklärung.“ Die Perspektive der Kinder werde noch viel zu selten eingenommen.

Die Bundesinitiative Großeltern setzt sich dafür ein, dass das Umgangsrecht geändert wird  – so dass das Kind im Mittelpunkt steht. „Denn bisher ist es so, dass man sich so einen Gerichtsbeschluss auch einfach an die Wand heften kann“, erklärt Initiativensprecherin Rita Boegershausen. Gemeinsam möchte die Initiative dies ändern: „Es ist menschenrechtsverachtend und kinderfeindlich, uns allein deshalb den Umgang mit unseren Enkelkindern zu verweigern, weil die Eltern unserer Enkelkinder sich nicht mehr lieben und der Gesetzgeber daraus das Recht ableitet, den Kindern die Hälfte ihrer Großfamilie zu rauben.“ Mit verschiedenen Aktionen wollen die enkellosen Omas und Opas auf die Situation aufmerksam machen. „Wir Großeltern wollen dieses Unrecht nicht mehr länger hinnehmen. Wir kämpfen für unsere Kinder und Kindeskinder und fordern, dass Kinder ein unverbrüchliches Recht auf beide Eltern und beide Großelternpaare haben.“

*Namen auf Wunsch geändert
Bild:©istock.com

Weitere Infos: www.grosseltern-initiative.de


2 Gedanken zu „Kein Kontakt zu den Enkeln“

  1. Ich bin alleinerziehnde Mutter von einer 8 jährigen Tochter . Ich versuche und ermögliche meinem Kind eine wohlbehüttete kindheit zu geben und das sie aufwachsen kann.
    Leider war meine Kindheit keine rosige . Ich habe ziemliche Probleme mit meiner Mutter .
    Ich empfinde sie als einmischend und dominant , als ob sie mein Leben leben will. Dies war auch in meiner Kindheit so . Nun spüre ich das sie auf meine Tochter übertragen möchte .
    Ich spüre in mir immer den drang den Kontakt zu ihr gänzlich Abzubrechen . Es fällt mir oft schwer . Doch nun möchte sehr , da meine leibliche Mutter hintergeht . Den Kontakt zu meinen leiblichen Vater habe ich ganz abgebrochen . Da er mich geschimpft hatt . Dies hab ich verkraften können . Da ich als Kind nie bezug zu ihm hatte weil meine Eltern getrennt waren.
    So nun zu meiner Frage und Rat den ich brauche : Gibt es Lebnstipps bzw Erziehungstipps , wie ich ohne Großmutter mit meiner 8 jährigen Tochter leben kann ? Damit ich mich von meiner dominanten Mutter vollkommen lösen kann . Als schütz wegen meiner Tochter . Bitte um Ratschläge und Tipps .

  2. Mein Mann und ich haben seit 3 1/2 Jahren keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern. Zu viele Dinge sind vorgefallen, als das eine Annäherung noch möglich scheint. Durch den familiären Druck wurde ich zudem depressiv und musste vor 3 Jahren in Behandlung.
    Dieser Bruch und viele Gespräche mit Therapeuten, Ärzten und Mediatoren haben uns und unserer Beziehung gut getan. Insbesondere meinem Mann (wir haben vor zwei Monaten geheiratet) geht es mit dieser Entscheidung sehr gut. Seinen Eltern haben wir vor 2 1/2 Jahren jeweils einen Brief geschrieben, die Situation und ihre Folgen für uns erklärt. Dem Wunsch meines Mannes, ihm Zeit zum Nachdenken zu geben, bis er sich meldet – ohne einen Zeitpunkt zu nennen – wurde nicht nachgegeben. Stattdessen kam und kommt regelmäßig Post oder Mails. Regelrechte Telefon-Terror-Anrufe im Minutentakt mit Beschimpfungen konnten wir durch das Sperren des Anschlusses inzwischen Abwehren.
    Seit einigen Wochen versuchen sie nun über alle möglichen Wege wieder vermehrt Kontakt aufzubauen, binden mich bei Schriftverkehr plötzlich mit ein (ich war sonst immer „Luft“ und der Sündenbock für alles), weil sie auf irgendeinem Abweg erfahren haben, dass wir in Kürze ein Baby erwarten. Mein Mann ignoriert diese Mails, welche als Aufhänger immer das Thema „wir sind doch eine Familie“ haben. Über das Wissen, dass das erste Enkelkind unterwegs ist, wurde bisher kein Wort verloren. Inzwischen sind wir bei Strategie Nr. 2: Verwandte meines Mannes, die sich seit mehr als zwei Jahren nicht gemeldet haben, rufen plötzlich an und wollen Kontakt, versuchen indirekt etwas über „eine mögliche Familienplanung“ herauszufinden…
    Wir haben lange überlegt ob ein Kontakt zwischen Großeltern und Enkelkind sinnvoll wäre, aber die Mails haben inhaltlich gezeigt, dass meine Schwiegereltern sich nicht geändert haben, die Spielregeln immer noch die ihrigen sind und ganz klar mein Schwiegervater das Sagen hat, während meine Schwiegermutter beim gemeinsamen Hausarzt von Termin zu Termin von einer so glücklichen und harmonischen Familie (demnächst dann mit Baby) berichtet (unser Arzt weiß um die ganze Geschichte und kennt die Wahrheit).

    Insgesamt eine schwierige Situation, bei der wir als Eltern klar entschieden haben, dass es zum Schutze des Kindes besser ist, einen Kontakt vorerst zu unterbinden. Wir selbst sind auch noch nicht so weit, als das wir uns in der Lage sehen, die Vergangenheit und Geschehnisse im Gespräch aufzuarbeiten (man hatte uns hiervon sogar dringend abgeraten).
    Wenn ich hier nun das Umgangsrecht für die Großeltern hinzuziehe… Es gibt auch Situationen die klarer definiert werden müssen, für beide Seiten!!!
    Mein Schwiegervater ist vom Schlag „Einklagen“. Andere Großeltern haben sicher ein höheres Anrecht, weil sie zu den Enkelkindern bereits eine Beziehung aufgebaut haben und finden sich in den Rechtssprechungen kaum wieder… Insgesamt ein hoher Stressfaktor für alle beteiligten Personen, wo Hoffnung gefördert oder geschürt wird. Und ab einem gewissen Alter besteht sicher die Möglichkeit, dass auch Kinder entscheiden, aber unter welchem Einfluss oder Druck werden dann solche Entscheidungen getroffen? Und auch wenn es Ausnahmen gibt, so wissen in der Regel wohl am ehesten die Eltern, was gut für ihr Kind ist und kennen ihre eigenen Eltern sicherlich am Besten.
    Ich zumindest hätte mir für meinen Mann, mich selbst und unser Kind viel lieber andere, weniger belastende Umstände gewünscht und echte Großeltern…

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