„Frau Mutter, könnt Ihr mir bitte das Brot reichen?“ So sprach ein höfliches Kind vor 150 Jahren seine Mutter selbstverständlich an. Immerhin war das Duzen dann ab Beginn des 20. Jahrhunderts üblich. Und die Anrede „Mutter“ wurde meist durch das weniger förmliche „Mutti“, „Mami“ oder „Mama“ ersetzt.
Die Kinder der 68er Generation sollten natürlich solche spießbürgerlichen Bezeichnungen nicht benutzen. In den alternativen „Kinderläden“, wie die Kindergärten der Elterninitiativen wurden, hatte man eben einen „Wolfgang“ und eine „Barbara“. Hören konnte man dort Diskussionen wie: „Oliver, du sollst Edda zu mir sagen!“ „Aber du bist doch meine Mutti!“
Heute sehen viele Eltern das gelassener. Die meisten Kinder dürfen sich aussuchen, wie sie ihre Eltern anreden. Die Vornamen allerdings sind meistens Stiefeltern vorbehalten und es gilt fast als sicheres Zeichen für eine Patchworkfamilie, wenn ein Kind von Mama, Karsten und sich spricht.
Wer hat als erstes das Wort ‚Mama’ gebildet?
Tatsächlich kommt das Wort „Mama“ in ähnlicher Form weltweit in fast allen Sprachen vor. Die einfache Erklärung: Die Silbe ‚ma’ kann sehr einfach durch das bloße stimmhafte Öffnen des Mundes ausgesprochen werden und Säuglinge bilden diesen Laut relativ früh. Reagiert dann der Erwachsene begeistert auf „Ma“ aus Babys Munde („Sie hat Mama gesagt!“) freut sich auch das Kind und wiederholt die Silbe gern.
Die Einfachkeit der Aussprache ist für viele Sprachforscher auch der Grund für die Verbreitung. „Mutti“ beispielsweise ist deutlich schwieriger für Kinder, da das „t“ erst später gelernt wird und die Zungenstellung einigen Kindern schwerfällt.
Und dann gibt es noch einen Neuzugang: Der Forscher Wolfgang Näser vom Deutschen Sprachatlas ,Universität Marburg beobachtet, dass auch das neben den deutschen Klassikern „Mama“ und „Mutti“ auch das englische „Mum“ immer häufiger zu hören ist. In der Süddeutschen Zeitung erklärt Näser. „Die Sprachmuster, die in den Medien vermittelt werden, werden verinnerlicht.“
Am Vorbild lernen
Tatsächlich bestimmen die Erwachsenen, wie sie von ihren Kindern angesprochen werden möchten. Türkische Mütter reagieren auf „An“ so beigeistert, dass das Baby schnell „Anne“ lallt, sie also mit „Mama“ auf türkisch anspricht. Frauen, die von sich in der dritten Person reden („Mama macht mal eben“) hören das Wort sicher auch schneller, als diejenigen, die „ich“ sagen. Kinder lernen nicht nur aus der Reaktion, sondern vor allem von Vorbildern, etwa älteren Geschwistern. Oder eben dem Vater.
Eltern sollten sich also möglichst früh nach der Geburt überlegen, ob sie eine bestimmte Anrede mögen. Denn wer genau hinhört, wird feststellen, dass die familiäre Ansprache schon mit dem Säugling geübt wird. Wenn das Kleine gestillt werden möchte und der Vater das Kind hochhebt, was sagt er dann? „Ich bringe dich mal eben zu Mama?“
Da sich heute wohl die wenigsten Eltern mit „Mutti“ und „Vati“ ansprechen, verstehen Kinder spätestens im Kindergartenalter, dass ihre Mama „Anke“ mit Vornamen heißt. Und probieren irgendwann diese Anrede auch aus. Manchen Kinder gefällt der Test ausgesprochen gut. Meine Tochter rief irgendwann einmal auf dem Spielplatz: „Mama Silke“ – sie wollte nämlich nicht, dass die anderen Mamas auch kommen. Aber sonst sagt sie immer „Mama“. Gefällt mir auch ganz gut, denn mein Mann und ich wollten eben nicht, dass die Kinder uns mit Vornamen ansprechen. Es gibt ja nur zwei Menschen auf dieser Welt, die mich mit dieser speziellen Ansprache anreden. Aber eigentlich nur einen, denn mein Sohn bevorzugt „Mami“. Auch schön.
Und was mögen Sie am liebsten? Wir sind schon sehr, sehr gespannt auf das Ergebniss der Umfrage!
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