Ich wusste, dass es wahrscheinlich keine gute Idee war, aber ich habe es trotzdem getan. Und in der Tat, es war eine schlechte Idee.
Mein Baby und ich waren zum Dinner bei Freunden eingeladen, Amerikaner, die auch hier in München leben. Der Gatte musste abends länger arbeiten und konnte nicht mitkommen. Und das Abendessen sollte vom anderen Ende der Stadt geliefert werden, denn unsere Gastgeber waren Vegetarier, die etwas Besonderes bieten wollten.
Mir war also klar, dass ich abends um 8 noch wach sein musste, was dieser Tage jenseits meiner „Gott-bin-ich-müde“-Zeit ist. Drum machte ich einen Mittagsschlaf, nachdem ich die Appetithäppchen vorbereitet hatte, die ich mitbringen wollte. Für mein Baby legte ich seine allerschönsten Ausgehsachen bereit, in dem er besonders niedlich aussieht. Und um 5 Uhr nachmittags, als mein Baby gerade wieder für sein Spätnachmittagsschläfchen müde wurde, war ich bereit für einen kleinen Ausflug auf eine Party.
Leider schien mein Baby anstatt müde einfach nur schlecht drauf zu sein. Schon den ganzen Tag und die Nacht zuvor hatte er reichlich krakeelt. Das ging die ganze Zeit so, beim Wickeln, beim Anziehen, einfach immer.
Er sah nicht nur aus wie mein Mann, wenn er keine Lust hat, auszugehen, er hörte sich auch genauso an: mecker, mecker, mecker…. „Müssen wir da denn heute unbedingt hin!?“, schien mein Baby mir sagen zu wollen. „Können wir nicht einfach hier bleiben? Ich hatte soooo einen anstrengenden Tag und muss morgen früh raus!“, argumentierte mein Baby.
Aber ich wollte ausgehen, ich war finster entschlossen trotz aller Widrigkeiten diese Einladung wahrzunehmen und mich bestens zu amüsieren. Immerhin war mein Baby erst 2 Monate alt und damit gut transportierbar, man kann es gut mitnehmen, und es würde mich sehr gut schmücken auf der Party.
Ich redete mir ein, dass es einschlafen würde, sobald wir bei den Gastgebern zur Tür hereinkommen würden, wie ein kleiner Engel. Vorher würde er alle mit seinem Lächeln verzaubern und ein bisschen freudig glucksen.
Aber nein, er meckerte weiter ohne Unterlass: Vom Einlass bis zum Abendessen zwei Stunden später gab er nichts als Geschrei von sich. Ich hatte es mir mittlerweile in einem Nebenzimmer mit ihm bequem gemacht und war kurz vor dem Verhungern.
Nach langer, langer Zeit war es dann soweit: mein Baby beruhigte sich und ich konnte mich den anderen Gästen wieder anschließen. Wir nahmen an dem Ende der Tafel platz, an dem die langweiligen Gäste und anstrengenden Kinder sitzen. Und ich benutzte einen Trick, den mir meine Hebamme verraten hatte: einfach dem Baby ein kleines „Stoffzelt“ über den Kopf basteln, und schon denkt es, es sein Schlafenszeit. Das hat funktioniert, mein Sohn dachte wohl, die Party sei schon vorbei. Von da an war ich nicht mehr die Frau mit dem schreienden Baby, sondern die Frau, die versuchte, ihr Abendessen einhändig zu essen. Das war schon besser!
Als das Dessert aufgetischt wurde, wachte der Kleine wieder auf und strahlte die ganze Gesellschaft fröhlich an. Wir haben dann ziemlich rasch den Heimweg angetreten, denn für meinen Sohn war es jetzt mitten in der Nacht – und ich glaube auch nicht, dass irgendjemand sehr traurig darüber war, dass wir schon gingen. An diesem Abend war ich die Einzige, die Kinder hat, und ich glaube wirklich, dass ich manchmal dazu diene, die Richtigkeit der Entscheidung, kinderlos zu bleiben, zu bestätigen. Es war 11 Uhr abends, als wir zuhause ankamen. So richtig gut fühlte ich mich nicht. Was war schiefgelaufen?
Dabei hatte ich eine dieser total coolen Mütter sein wollen, deren Leben sich nach der Geburt kaum verändert. Ich hatte ernsthaft gedacht, dass ein Baby haben sich mit einem gemütlichen späten Frühstück verträgt, und mit netten Kaffeklatschtreffen mit Freundinnen, und auch mit späten Einladungen zum Abendessen. Und natürlich würde ich weiterhin intellektuelle Konversationen führen und für ein gutes Gehalt arbeiten.
Tja, das hatte ich gedacht. Aber so war es nicht. Denn erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt!
Zum Tagebuch der Mommy X:
Ich bin Mommy X, eine internationale Geheim-Mutter. Ende September vergangenen Jahres habe ich einen Sohn bekommen, der jetzt gut 3 Monate alt ist. Wir sind von New York nach München gezogen, und zwar ziemlich genau 9 Monate vor der Geburt unseres Babys. Für die liliput-lounge schreibe ich ein Tagebuch über mein abenteuerliches Leben, als Amerikanerin in München mit Baby.
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