Das soll alles sein?

Andrea ist seit sechs Monaten Mutter. Sie hat eine wunderbare Tochter, die sie liebt. Aber trotzdem ist sie nicht glücklich. Denn sie hat das Gefühl als Außerirdische auf dem Planeten Mami-und-Baby gelandet zu sein. Und unter den Einheimischen ist sie so allein…
Andrea* (32):
„Gestern abend habe ich einen Heulkrampf vor dem Fernseher bekommen. Zur Geburt meiner Tochter Pauline habe ich die DVD „Little Children“ bekommen. Ich sah mir nun endlich den Film an. Und jetzt ist mir klar: Ich bin nicht allein. Im Film geht es um eine junge Mutter, die eben nicht so ist wie die anderen Mütter. Ehrlich gesagt, ich will hier nicht vom Fernsehen sprechen. Sondern eben von diesem Gefühl. Denn jetzt habe ich den Mut, es zuzugeben.
 
Pauline ist jetzt sechs Monate alt. Sie ist ein Wunschkind. Lieb und unkompliziert. Diese ganzen Probleme wie Koliken, Schreiattacken – mein kleiner Pummel kennt das nicht. Bis vor einem Monat habe ich Linchen voll gestillt und nun schlabbert sie schon begeistert den Breilöffel ab. Sie schläft viel. Und meckert wenig. Mein Mann kommt jeden Abend gegen 18 Uhr nach Hause und übernimmt sie auch. Um 20 Uhr schläft die Kleine.
 
Alles schön. Wo jetzt mein Problem ist? Ich langweile mich. Unendlich. Mir reicht das alles irgendwie nicht. Im momentan eiskalten Norddeutschland fahre ich vormittags kurz mit dem Kinderwagen zum Einkaufen, vorher die Kleine wickeln, cremen, einpacken, aufs Schafsfell legen. Dann mittags ein Breiglas aufwärmen, füttern. Nachmittags putzen, Baby bespielen.
 
Ich war auch bei einer Pekip- Gruppe – das war schrecklich. Ehrlich, da sitzen zehn erwachsene Frauen im Kreis, singen Babylieder und wedeln mit den Händen. Den lieben Kindern ist das meist so egal. Damit hätte ich ja notfalls noch klar kommen können, aber diese Gespräche! Es ging nur um Auscheidungen aus Babys Wonnepopo, Füttern, welcher Brei nun der Beste sei und und und. Einmal habe ich eine der Frauen gefragt, welches Buch sie gerade liest. Ich hätte genauso gut danach fragen können, wie die Relativitätstherorie erklärt wird. So ein völlig leerer Blick. 
 
Beim Babyturnen das gleiche. Die Muttis singen, lassen die Kleinen hinter einem Ball herrobben oder versuchen sie dazu zu bekommen sich mal umzudrehen. Und dann wird verglichen. Meiner kann schon. Deine macht aber. Warum Paulinchen schon anfängt, den Po hochzuheben und im Vierfüsslerstand eifrig wackelt? Keine Ahnung. Ich freue mich auch, dass ihre Enwticklung weit vorangeschritten ist. Aber ich kann mich nicht stundenlang darüber unterhalten.
 
Keine meiner Freundinnen oder ehemaligen Kolleginnen hat schon Kinder. Wenn sie abends anrufen, was soll ich bitte erzählen? In den ersten drei Monaten fiel es mir noch nicht so auf, aber ich habe das Gefühl, dass ich ganz allein als einzige Außerirdische auf einem fremden Planeten names Mami- und-Baby gelandet bin. Nicht ganz allein, Pauline ist ja auch da. Aber mit den Einheimischen hier kann ich nichts anfangen.
 
Ich wollte zwei Jahre Erziehungszeit nehmen. Für meine Tochter. Nun frage ich mich manchmal, ob ich nicht wieder anfangen soll zu arbeiten. Ich möchte mich nicht nur als Muttertier fühlen. So schön das Babyglucksen ist und so sehr ich den Geruch von der zufriedenen schlafenden Pauline liebe – das allein soll jetzt mein Leben sein? Putzen, Po abwischen, Kinder-Entertainment, Einkaufen, Kochen und Gespräche über Pastinaken und Impfen?
 
Als ich versucht habe, meinem Mann zu erzählen, wie es mir geht, hat er mir vorgeschlagen, ich solle doch mal einen Termin bei einem Therapeuten machen. Vielleicht habe ich eine Postnatale Depression, sagte er. Und dann wollte er noch die Wäsche weiter falten und seinen Film angucken.
 
Nee – da täuscht er sich. Ich bin nicht depressiv. Ich bin nur so unendlich gelangweilt. So jetzt habe ich es offen ausgesprochen. Auch wenn es ein Tabu ist. Ich bin Mutter einer gesunden tollen kleinen Tochter – aber das allein reicht mir nicht zum Glücklichsein. Dass es immerhin einen Film gibt, in der es der Hauptfigur auch nicht reicht, auf dem Mami-Planeten zu sein, hat mich beruhigt.Vielleicht gibt es auch irgendwo im wahren Leben andere Frauen, denen es so geht wie mir? Oder bin ich wirklich eine Rabenmutter?“
 
Protokoll von Silke R. Plagge
 
 Wir freuen uns auch über Ihre Elternerlebnisse, die vielleicht nicht dem Lehrbuch entsprechen, sondern dem turbulentem Alltagsleben. Wer uns unter Rabeneltern- Einsendungen ein Erlebnis oder ein Bekenntnis schickt, bekommt bei Veröffentlichung ein altersgemäßes Kinderbuchpaket!
 
Bild:© Monkey Business – Fotolia.com
*Namen von der Redaktion geändert

3 Gedanken zu „Das soll alles sein?“

  1. DAS SOLL ALLES SEIN?

    Ich verstehe diesen Zustand sehr gut! Als mein Sohn – jetzt 4 Jahre alt – im Oktober 2008 zur Welt kam, hatte ich 4 Wochen lang den Babyblues. Immer um 16.00 Uhr begannen meine Tränen zu kullern an und ich fühlte mich unheimlich gefangen und irgendenwie als schlechte Mutter. Mein Sohn hingegen lachte mich viel an, schlief gut, weinte wenig und bereitete mir im grossen und ganzen immer Freude. Gespräche mit anderen Mütter gingen mir auf die Nerven, weil die alle so unheimlich glücklich waren und sich so unheimlich aufopferten für ihre Kinder.
    Als sich dann die Hormone wieder beruhigten und ich nach all den gutgemeinten Vor- und Ratschlägen allen den Rücken kehrte und mein Ding durchzog, fühlte ich mich stark. Mir ging es gut, meinem Sohn weiterhin und auch mein Partner war froh, dass es mir besser ging.
    Trotzdem….wars das jetzt???? Sorry, ich bin nicht die geborene Hausfrau und Mutter…oder??? Doch die geborene Mutter bin ich und zwar eine Mutter die mit Leidenschaft ihrer Arbeit nach geht, danach die Zeit mit ihrem Kind geniesst. Ich stehe zu mir und meiner Familie und versuche die Mütter zu verstehen, die sich dieses Familienkonzept nicht vorstellen können.

    Ich finde es unheimlich schade, dass sich manche Mütter bekriegen und mit aller Kraft versuchen ihre Vorstellung von richtig Leben mit Kind und Kegel durchzusetzen. Es gibt kein richtig oder falsch. Es gilt nur herauszufinden, was es braucht um eine glückliche und harmonische Familie aufrecht zu erhalten. Wie dies aussieht ist sehr individuell. Seit ich wieder arbeite bin ich viel ausgeglichener, übertrage dies – inzwischen auf meine BEIDEN Kinder – und diese sind total gut drauf. Wir lachen viel, singen viel, sprechen viel und müssen natürlich auch über Grenzen diskutieren. Eben was alle Eltern dürfen/müssen, ob sie arbeiten oder nicht.

    Nutzen wir doch gegenseitige Ressourcen und erfreuen uns an dem, was uns gut tut und nicht an dem was andere als richtig oder falsch bewerten. Wir sind doch alle unterschiedlich!!

    Seit ich zwei Söhne habe, bin ich (auch ohne Arbeit) viel ausgeglichener, da es weniger Leerräume gibt, so dass ich immer gut beschäftig bin. Mein Organisationstalent kann ich dabei nutzen, so dass weitere Bereiche gefördert werden. Deshalb kann ich dies mit der Langeweile verstehen. Bald gehe ich wieder arbeiten und freue mich auch darauf. Falls es Schwierigkeiten geben sollte, werde ich die Situation hinterfragen und dann das nötige Umsetzen.

    Quintessenz:

    Damit es den Kindern gut geht, muss es auch den Eltern gut gehen. Es gibt verschiedene Familienkonzepte, die alle gut sind, solange niemand darunter leidet, sondern davon profitiert. Wenn Kinder lachen und von sich aus sagen…ich hab dich lieb…hat Frau/Mann doch nichts falsch gemacht!

    Rebecca
    Eine Mutter mit Leib und Seele

  2. Die ersten Monate mit meiner Tochter waren einfach nur toll. Ich muss dazu sagen, dass sie vier Wochen zu früh auf die Welt gekommen ist, ich davor schon zwei Wochen mit Blasensprung im Krankenhaus gelegen habe und wir nach der Geburt nochmal 10 Tage wegen schwerer Gelbsucht im Krankenhaus bleiben mussten. Von daher habe ich mich so auf „zu Hause“ gefreut und die ersten Monate auch wirklich sehr genossen. Ich habe viel mit meiner Tochter gekuschelt und wir haben uns für alles viel Zeit gelassen. Als dann der Frühling kam (sie ist Ende Oktober geboren) fing auch bei mir die Langeweile an. Ich bin zwar einmal in der Woche in eine Pekip-Gruppe gegangen, was mir gut gefiel, aber ansonsten war ich die restlichen Tage mit meiner Tochter tagsüber alleine. Manchmal war ich sogar richtig neidisch auf meinen Mann wenn er morgens zur Arbeit gegangen ist. Jeden Morgen bin ich etwas früher als meine Tochter aufgestanden und habe mich richtig fertig gemacht, also mit schminken und Haare frisieren und so. Aber irgendwie war das Gefühl dann doch etwas ernüchternd, weil ich es eben nur für mich machte und es im Endeffekt niemanden interessiert hat, wie ich aussah. Ich habe mich ziemlich gelangweilt, weil meine Tochter immer schon sehr pflegeleicht war und auch schon immer viel geschlafen hat. Meine Freundinnen arbeiteten alle tagsüber oder wohnen so weit weg, dass ich auch nicht jeden Tag vorbeifahren konnte. Zum Glück habe ich eine ganz tolle Arbeitsstelle und konnte, als meine Tochter sieben Monate alt war, von zu Hause aus arbeiten. Das war eine super Lösung. Während meine Kleine schlief konnte ich arbeiten, behielt somit auch den Anschluss in meiner Arbeit und hatte auch mal wieder Kontakt mit Menschen, die nicht immer über mein Kind sprechen wollten. Als mein Kind dann ein Jahr alt wurde bin ich wieder halbtags arbeiten gegangen. Sicher, es ist stressig und anstrengend, aber ich bin glücklich, fühle mich wieder wertvoll und vor allem habe ich morgens wieder einen Grund mich fertig zu machen. Da ich nur zwei Tage in der Woche ins Büro fahre und den Rest von zu Hause aus arbeite, habe ich noch genug Zeit mit meiner Tochter und kann meinem Mann abends auch mal was über meine Arbeit erzählen. Ich finde es also ganz normal, dass man sich zu Hause langweilt. Und wenn man mal ganz ehrlich bei anderen Müttern nachfragt, dann geht es ihnen ganz genauso.

  3. @dominique: nicht jede mutter empfindet so. es gibt durchaus frauen, die es sehr gut genießen können, die ersten jahre mit kind zu hause zu verbringen. vielleicht weil sie eher der häusliche typ sind. oder ihnen ihr job eh nie wirklich gefallen hat. oder sie sich in den jahren vor der geburt beruflich den hintern aufgerissen haben. oder oder oder.

    es gibt solche und solche. und beides ist doch total ok. pauschalaussagen sind da unnütz. jede soll das so entscheiden, wie sie es für richtig hält. weder das eine noch das andere sind die besseren oder schlechteren mütter.

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