„Was gab‘s denn heute in der Schule?“ Mutter Claudia ist neugierig, was ihrem Nachwuchs heute aufgetischt wurde. „Chicken Nuggets mit Pommes“ ist die Antwort. So langsam steigt Wut in Claudia auf, denn sie bezahlt jeden Monat eine Menge Geld dafür, damit ihr Kind in der Schule essen kann. Dabei geht man automatisch davon aus, dass es sich um nahrhafte Lebensmittel handelt. Falsch gedacht, denn Untersuchungen lassen leider einen anderen Schluss zu.

Ist das Schulessen in Deutschland ungesund?
Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein hatten über fünf Jahre lang eine bundesweite Untersuchung von 200 Schulmensen durchgeführt. Das Ergebnis aus dem Jahr 2012: Häufig erhalten die Schüler nur ein mangelhaftes Essen. Über 90 Prozent von Deutschlands Schulen erfüllen die Qualitätsstandards von gesunden Speisen nicht. Generell fehlt es den Mahlzeiten an Ausgewogenheit, denn mindestens einmal pro Woche sollte es ein Fischgericht, jeden Tag Gemüse sowie Salat und regelmäßig Vollkorn geben, das Fleisch sollte fettarm und nicht paniert sein.
Viele Vorgaben, die die meisten Schulen offenbar nicht erfüllen. Einige Eltern können davon ein Lied singen. In der Schule von Claudias Sohn gibt es zwar auch ab und zu eine Gemüsesuppe, dazu aber nur helle Aufbackbrötchen ohne Nährwert. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Eine ausgewogene Ernährung ist für die Kinder jedoch unbedingt notwendig, um den Schulalltag mit seinen ganzen Herausforderungen meistern zu können. Der verbraucht schließlich viel Energie, die dem Körper wieder geführt werden muss.
Qualitätskontrollstelle Schulessen deckt Missstände auf
Um die Qualität des Schulessens in Berlin zu überprüfen, existiert eine landesfinanzierte Qualitätskontrollstelle Schulessen. Diese macht sich ein umfängliches Bild, indem sie die Großküchen von Schulcaterern und die belieferten Schulen selbst besucht. Ganz ohne Vorankündigung, denn so können authentische Situationen bewertet werden. Neben der Qualität der Speisen kann in den Schulen vor Ort untersucht werden, ob die Ausgabetemperatur des Essens stimmt, die Portionen ausreichen und die Angaben im Menüplan richtig sind.
Zu wenig Gemüse, zu wenig Kalzium, zu wenig Vollkorn
Wie wichtig eine gute Nahrungszusammenstellung ist, betont neben der Qualitätskontrollstelle Schulessen auch die „Studie zur Qualität des schulischen Mittagessens im Land Berlin“, die verschiedene Essensfirmen untersucht hat. Herzkrankheiten, Osteoporose oder bestimmte Formen von Diabetes – diesen Krankheiten kann mithilfe einer gesunden Ernährung schon in jungen Jahren entgegengewirkt werden.
Die Studie beklagte unter anderem den Anteil an Vollkornprodukten, denn keines der vier untersuchten Unternehmen habe die Mindestvorgaben erreicht. Ein Anbieter verzichtete sogar ganz auf den Einsatz von Vollkorn. Das sehen Lebensmittelforscher als problematisch an, denn bereits 45 g Vollkornprodukte täglich können dazu beitragen, das Risiko für koronare Krankheiten oder Diabetes zu senken. Bei der Speisenauswahl wird es den Kindern zudem zu leicht gemacht, gänzlich auf Gemüse zu verzichten. Auch Kalzium kam laut der Studie bei den Caterern in den Hauptspeisen zu kurz. Einige Firmen versuchten jedoch zum Ausgleich Nachtisch in Form eines Joghurts oder Quarks anzubieten.
Alle vier untersuchten Caterer verarbeiteten zu viel Salz und zu wenig Eisen. Zudem waren die vegetarischen Speisen ernährungsphysiologisch geringwertiger. In dem Abschlussbericht heißt es weiter, dass an keinem Tag die Vorgaben hinsichtlich der Temperaturen beim Servieren eingehalten wurden. Das Problem sind nicht selten die Schulen, da sie über keinerlei Möglichkeiten verfügen, Lebensmittel wie frisches Obst, Gemüse, Rohkost und Desserts kühl zu lagern. Dadurch verflüchtigt sich das Vitamin C und die Kids erhalten weniger gesunde Lebensmittel. Nicht zuletzt können Defizite in der Kühlung dazu führen, dass die Keimbelastung erheblich steigt, was vor allem Gerichte mit Fisch, Fleisch und Milchprodukten betrifft.
Die Initative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und des Bundesministeriums für Gesundheit „Schulessen – Note eins“ soll zukünftig die Qualität des Mittagessens verbessern, inzwischen beteiligen sich in Berlin bereits 90% der Schulen an dem Projekt, das die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung umsetzt und Kindern eine vollwertige Ernährung ermöglichen soll.
Gesunde Pausensnacks für die Schule
Ernährungsexperten wie Vera Spellerberg empfehlen, das Kindern idealerweise schon zuhause etwas frühstücken und ein gesundes zweites Frühstück für die Pause mit in die Schule nehmen, um ihren Energiebedarf zu decken. Wenn belegte Brote oft wieder mit nach Hause gebracht werden, liefert das Internet viele originelle und gleichzeitig gesunde Ideen für kindgerechte Brotdosen und Snackboxen – auch besonders liebevoll zubereite Bento-Boxen sind inzwischen auch in Deutschland ein Trend. Beim ursprünglich aus Japan stammenden „Bento“ werden unterschiedliche Speisen in speziellen Dosen mit Trennwänden angerichtet – das kommt auch bei Kindern gut an und sorgt für abwechslungsreiche Ernährung in den Pausen. Einige Beispiele:
Jamie Oliver als Vorreiter gescheitert
Der britische Starkoch Jamie Oliver hatte ein ehrgeiziges Ziel. Er wollte das Essen in den Schulkantinen in England gesünder machen. Die britische Regierung war begeistert aber der damalige Gesundheitsminister Andrew Lansley bezeichnete die Pläne als gescheitert. Auch viele Eltern kehrten der „Küchenrevolution“ den Rücken, dabei sind die Sorgen um die Nahrungsvielfalt auch in Englands Schulkantinen mehr als berechtigt. Schon lange wurden sie kritisiert, da die Schüler häufig nur Würstchen, Pommes und billig verarbeitete Burger zum Mittagessen erhielten. Alternativen zu diesen fettigen Speisen gab es kaum und die Engländer störte es nicht, schließlich handelt es sich dabei mehr oder weniger um traditionelle Essgewohnheiten.
Die Ernährung hat schwerwiegende Folgen, denn rund zwei Millionen britische Kinder leider an Übergewicht. 60 Cent war der britischen Regierung das Schulessen durchschnittlich wert. Zum Vergleich: je nach Bundesland liegen die Ausgaben hierzulande zwischen 3 und 4 Euro pro Mahlzeit. Der TV- Koch nahm sich des Problems an und führte in seiner Show „Jamie’s School Dinners“ den Engländern die Wahrheit vor Augen. Es gab sogar eine Online-Petition namens „Feed me better“. 250.000 Menschen unterschrieben.
Dank der Küchenrevolution sollten nun Brokkoli und Spinat Schokoriegel, Chips und Co. vom Speiseplan vertreiben. Der damalige Primärminister versprach sogar, 417 Millionen für die Verbesserung des Schulessens auszugeben. Was alles so gut klang, ist heute nur noch der Schatten einer Idee. Der damalige Gesundheitsminister kritisiert Oliver stark und wies darauf hin, dass sich die Anzahl der Schüler, die in den Kantinen essen, reduzierte. Zudem würden mehr Kinder in die Geschäfte nahe der Schulen gehen, um sich dort mit Lebensmitteln zu versorgen. Zudem kritisierte er die Art von Oliver, da er den Leuten versuchen würde, etwas vorzuschreiben.
Aber der Gegenwind zeigte sich auch durch die Eltern. Sie brachten Burger, Fritten und Würstchen an den Schulzaun, um sie ihren Kindern und später auch ihren Freunden zu zustecken. Auch mit einem ähnlichen Projekt in den USA floppte der Star-Koch, wo die Bevölkerung in West Virginia sogar aggressiv auf seine Küchenrevolution reagierte. Vielleicht lag es daran, dass der Bruch mit alten Essensgewohnheiten den Briten und den US-Amerikanern einfach zu radikal war. Eine Ernährung, über Jahrzehnte lang gleich praktiziert, lässt sich nicht in Handumdrehen umkrempeln. Das musste Jamie Oliver am eigenen Leib erfahren, auch wenn seine Vorstellungen von einer ausgewogenen Ernährung durchaus löblich sind.
Was muss getan werden, um das Schulessen zu verbessern?
Zunächst die gute Nachricht: Die „Studie zur Qualität des schulischen Mittagessens im Land Berlin“ liefert auch Gründe zum Aufatmen, denn im Vergleich zur ersten Studie aus dem Jahr 2014 haben sich die untersuchten Parameter verbessert. Das könnte unter anderem daran liegen, dass die Essenspreise angehoben und weitere Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Schulverpflegung angestrebt wurden. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um eine Momentaufnahme.
Die Verbesserung des Schulessens ist eine Dauerbaustelle. Immer wieder müssen die Menüs an die jeweiligen Ernährungsempfehlungen angepasst werden. Das gilt im Übrigen auch für den Essenspreis, der regelmäßig angehoben werden müsste, um eine gute Qualität zu gewährleisten. Der Verband der Schulcaterer kritisierte, dass die inzwischen eingeführten Mindestlöhne für einen überholten Essenspreis sorgen. Um schwarze Schafe unter den Caterern aufzudecken, muss auf die mithilfe von Eltern, Lehrern und Schülern gesetzt werden. In Berlin können sich deshalb Eltern an die Qualitätskontrollstelle für Schulessen wenden.
Die Klasse 2000 sorgt für gesunde Stimmung in Grundschulen
Lustig sieht sie aus, die Symbolfigur Klaro. Es ist ein Strichmännchen, welches Kindern beibringt, was sie selbst tun können, damit es Ihnen gut geht und sie sich wohlfühlen. Das Programm der Klasse 2000 setzt frühzeitig ein, sodass Kinder mit einem 1×1 des gesunden Lebens bereits in der Klasse 1-4 starten. Aktiv, anschaulich und mit viel Spaß widmen sich Lehrkräfte und speziell geschulte Gesundheitsförderer dem Unterrichtsfach.

Rund 15 Klasse 2000-Stunden werden pro Schuljahr zu verschiedenen Gesundheits- und Lebenskompetenzen abgehalten. Damit soll es Kindern gelingen, Kenntnisse, Haltungen und Fertigkeiten zu erlangen, mit denen sie ihren Alltag meistern können. Ziel ist es, den Kindern zu vermitteln, dass sie selbst etwas für ihre Gesundheit tun können. Zudem sollen sie ihren Körper kennenlernen und wissen, wie sich eine gesunde Lebensführung auf ihr Wohlbefinden auswirkt. Nicht zuletzt lernen Kinder durch das Unterrichtsfach wichtige Lebenskompetenzen, sodass sie besser mit Stress umgehen und Konflikte lösen können. Was das mit Ernährung zu tun hat? Klaro widmet sich fünf verschiedenen Themen und dabei nimmt die Ernährung eine wichtige Rolle ein.
Klaro vermittelt Inhalte zu folgenden Themen:
- Gesund essen & trinken
- Bewegen & entspannen
- Sich selbst mögen & Freunde haben
- Probleme & Konflikte lösen
- Kritisch denken & Nein sagen
Das Unterrichtsfach ist begehrt. 1991 wurde das Programm ins Leben gerufen und hat bisher 1.6 Millionen Kinder erreicht. Derzeit setzt bundesweit jede dritte Grundschule auf die Vermittlung der gesunden Inhalte. In dem Schuljahr 2017/2018 haben mehr als 480.000 Kinder aus mehr als 21.200 Grundschulklassen teilgenommen, was einem großartigen Prozentsatz von über 15 % aller Grundschulklassen entspricht.
Eltern tragen zu einer gesunden Ernährung bei
Ein entscheidender Faktor auf dem Weg in ein gesundes Ernährungsverhalten ist das Elternhaus. Kinder lernen zunächst zu Hause, was es heißt, sich gesund zu ernähren. Regelmäßige Essenszeiten, ausgewogene Speisezusammenstellungen, nicht zu viel Süßes und Pommes gehören auch nicht jeden Tag auf den Teller, das sind wichtige Lektionen für die Kinder. Sie kommen alle mit einem unbeschriebenen Blatt hinsichtlich ihrer Ernährung auf die Welt. Nur allzu schnell schleichen sich ungesunde Ernährungsgewohnheiten in den Alltag ein. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern einen Blick auf den Speiseplan ihres Kindes haben. Nur so können Projekte wie Klasse 2000 mit der Symbolfigur Klaro erfolgreich sein. Denn was nutzen all die guten Belehrungen, wenn es zu Hause ganz anders läuft.